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BGH - Entscheidung vom 30.03.2006

V ZB 195/05

Normen:
ZPO § 511 Abs. 2 Nr. 1 § 3

BGH, Beschluß vom 30.03.2006 - Aktenzeichen V ZB 195/05

DRsp Nr. 2006/11077

Rechtsmittelbeschwer bei Abweisung einer Klage auf Bewilligung einer Dienstbarkeit

Hat der Besitzer eines Grundstücks gegenüber einer Klage des Eigentümers auf Herausgabe Widerklage mit dem Antrag erhoben, eine Dienstbarkeit zu bewilligen, so bemißt sich der Wert der Beschwer der Abweisung des Widerklageantrags nach dem Wert, den der Zugang zu der Fläche für das Grundstück der Beklagten unter Einbeziehung des auf diesem errichteten Gebäudes hat. Sind sie zur Versorgung ihres Wohnhauses mit Heizmaterial und zur Entsorgung des Mülls auf den Zugang über das Grundstück der Kläger angewiesen, so ist die Beschwer auf 1.000 Euro zu schätzen.

Normenkette:

ZPO § 511 Abs. 2 Nr. 1 § 3 ;

Gründe:

I. Die Kläger sind Eigentümer, die Beklagten Besitzer des im Grundbuch von R. Blatt ... Nr. 2 eingetragenen Grundstücks. Das 58 qm große Grundstück grenzt an das mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück der Beklagten. Diese nutzen das Grundstück der Kläger als Zugang zu dem hinter ihrem Wohnhaus auf ihrem Grundstück gelegenen Hof.

Die Kläger verlangen die Herausgabe ihres Grundstücks. Die Beklagten haben im Wege der Hilfswiderklage beantragt, die Kläger zu verurteilen, die Eintragung einer Dienstbarkeit an dem herausverlangten Grundstück zu bewilligen, aufgrund deren die jeweiligen Eigentümer des Grundstücks der Beklagten berechtigt seien, das Grundstück der Kläger nach näherer Maßgabe zu begehen und zu befahren.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung der Beklagten, mit der sie die Abweisung der Klage und hilfsweise die Verurteilung der Kläger gemäß der Widerklage erstreben, als unzulässig verworfen, weil der Wert des geltend gemachten Beschwerdegegenstands 600 EUR nicht übersteige. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses erreichen und ihre Berufung weiter verfolgen möchten.

II. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet.

1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ). Durch das Verfahren des Berufungsgerichts wird der Anspruch der Beklagten auf Gewährung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG ) verletzt (Senat BGHZ 151, 221 , 226; 154, 288, 296 f.). Hierauf beruht die angefochtene Entscheidung (BGHZ 151, 221 , 227).

a) Das Berufungsgericht bemisst das Interesse der Beklagten an der Abweisung der Klage entsprechend dem Wert des Grundstücks der Kläger mit 464 EUR (8 EUR/qm). Es meint, im Hinblick auf die Widerklage sei dieser Betrag um 96 EUR auf 560 EUR zu erhöhen. Das ergebe sich daraus, dass die Beklagten mit der hilfsweise erhobenen Widerklage erstrebten, auf Dauer von dem Grundstück der Kläger aus den 12 qm großen Hof hinter ihrem Wohnhaus auf ihrem Grundstück zu erreichen. Pro Quadratmeter gehe der Wert der Hoffläche nicht über den Wert des Grundstücks der Kläger hinaus.

b) Das hält rechtlicher Prüfung nicht stand.

Die Beschwer der Beklagten wird von der Summe der Werte der Anträge bestimmt, über die zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist (BGH, Beschl. v. 22. Sept. 1988, III ZR 103/88, BGHR ZPO § 546 Abs. 2 Satz 2 "Klage und Widerklage 1"; Urt. v. 28. September 1994, XII ZR 50/94, NJW 1994, 3292 ; OLG Köln JurBüro 1990, 246 mit Anm. Mümmler; Musielak/Ball, ZPO , 4. Aufl., § 511 Rdn. 30; Zöller/Gummer/Heßler, ZPO , 25. Aufl., § 511 Rdn. 22). Die Beschwer der Beklagten durch die Verurteilung zur Herausgabe des Grundstücks der Kläger hat das Berufungsgericht gemäß § 6 ZPO zutreffend nach dem Wert des herauszugebenden Grundstücks mit 464 EUR angenommen. Hiergegen erhebt die Beschwerde keine Einwendungen. Rechtsfehler sind auch nicht ersichtlich.

Rechtsfehlerhaft ist jedoch die Bemessung des mit der Widerklage verfolgten Anspruchs nach dem Wert der Hoffläche des Grundstücks der Beklagten. Der Wert des Beschwerdegegenstands ist insoweit nach § 7 ZPO zu bestimmen. Hierbei kommt es nicht nur auf die Zugänglichkeit der Hoffläche an, sondern auf den Wert, den der Zugang zu dieser Fläche über das Grundstück der Kläger für das Grundstück der Beklagten unter Einbeziehung des auf diesem errichteten Gebäudes hat. Hierzu haben die Beklagten vorgetragen, sie seien zur Versorgung ihres Wohnhauses mit Heizmaterial und zur Entsorgung des Mülls auf den Zugang zu dem Hof über das Grundstück der Kläger angewiesen, andernfalls sie Holz, Briketts und Müll durch ihre Wohnung auf den Hof bzw. wieder zurück tragen müssten. Zu diesem Vorbringen der Beklagten enthält die Entscheidung des Berufungsgerichts keine Ausführungen. Das rechtfertigt im Zusammenhang mit der Tatsache, dass der Vortrag der Beklagten in dem kurzen letzten Absatz des Schriftsatzes ihres Prozessbevollmächtigten vom 21. Oktober 2005 erfolgt und nicht weiter ausgeführt ist, den Schluss, dass dieses Vorbringen von dem Berufungsgericht übersehen und damit der Anspruch der Beklagten auf die Gewährung des rechtlichen Gehörs verletzt worden ist.

2. Berücksichtigt man den Wert des Zugangs zu dem Hof über das Grundstück der Kläger auch bei der Bestimmung des Wohnwertes des Hauses der Beklagten, wird der zur Zulässigkeit der Berufung notwendige Wert des Beschwerdegegenstands im Sinne von § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO überschritten. Der Senat schätzt diesen Wert auf insgesamt 1.000 EUR.

Vorinstanz: LG Halle, vom 25.10.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 1 S 153/05
Vorinstanz: AG Sangerhausen, vom 17.08.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 1 C 157/03