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BGH - Entscheidung vom 09.05.2006

4 StR 8/06

Normen:
StPO § 44

BGH, Beschluß vom 09.05.2006 - Aktenzeichen 4 StR 8/06

DRsp Nr. 2006/16127

Nebenkläger und Anwaltsverschulden

Anders als der Angeklagte muss sich der Nebenkläger nach § 85 Abs. 2 ZPO das Verschulden seines Vertreters bei der Beratung oder einer verspäteten Antragstellung wie sein eigenes Verschulden zurechnen lassen.

Normenkette:

StPO § 44 ;

Gründe:

Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift vom 18. April 2006 zum Antrag des Nebenklägers Cornelius O. auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand folgendes ausgeführt:

"Der Antragsteller und Nebenkläger Cornelius O. ist der Vater des von dem Angeklagten Eugen N. anlässlich eines gemeinsam mit dem Mitangeklagten U. begangenen Raubes in Rotterdam zusammen mit zwei weiteren Personen erschossenen Joey O. (UA S. 42ff). Das Landgericht hat mit Urteil vom 4. Mai 2005 wegen dieser Tat den Angeklagten Eugen N. des Mordes in drei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen in Tateinheit mit gemeinschaftlichem Raub mit Todesfolge sowie den Angeklagten U. des gemeinschaftlichen Raubes mit Todesfolge schuldig gesprochen.

Mit ihrem am 27. Mai 2005 bei Gericht eingegangenen Schreiben hat die [nunmehrige] Nebenklägervertreterin, Rechtsanwältin B. -N., für den Nebenkläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionseinlegungsfrist beantragt und Revision gegen das Urteil eingelegt. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags trägt die Nebenklägervertreterin vor, der Nebenkläger sei im erstinstanzlichen Verfahren nach der Entpflichtung des ursprünglichen Nebenklägervertreters von dem Vertreter seiner gleichfalls als Nebenklägerin auftretenden geschiedenen Ehefrau M.A. Br., Rechtsanwalt St., mitvertreten worden. Zu einer förmlichen Beauftragung von Rechtsanwalt St. durch den Nebenkläger sei es nicht gekommen, da Rechtsanwalt St. es verabsäumt habe, u.a. eine schriftliche Vollmacht einzuholen. Nach der Urteilsverkündung habe der Nebenkläger gemeinsam mit der Nebenklägerin Br. Rechtsanwalt St. mitgeteilt, "dass Rechtsmittel eingelegt werden soll". Mit Schriftsatz vom 9. Mai 2005 hat Rechtsanwalt St. jedoch ausdrücklich nur im Namen der Nebenklägerin Br. Revision gegen das Urteil, soweit es den Angeklagten U. betrifft, eingelegt (PB II Bl. 510). Am 11. Mai 2005 ist die jetzige Nebenklägervertreterin, Rechtsanwältin B. -N., zunächst von der Nebenklägerin Br. mandatiert worden. Dieser habe Rechtsanwältin B. -N. am 18. Mai 2005 telefonisch mitgeteilt, dass für den Nebenkläger Claudius O. keine Revision eingelegt worden sei. Darauf habe der Nebenkläger Rechtsanwältin B. -N. am 23. Mai 2005 ebenfalls für das Revisionsverfahren bevollmächtigt und mit der Beantragung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beauftragt.

Der Wiedereinsetzungsantrag ist unzulässig erhoben. Aus der Antragsbegründung ergibt sich nicht, wann der [bei der Verkündung des Urteils anwesende, PB II Bl. 502] Nebenkläger von der nicht erfolgten Revisionseinlegung Kenntnis erlangt hat. Nach dem Vorbringen der Antragsbegründung ist nicht auszuschließen, dass der Nebenkläger bereits am 18. Mai 2005 über seine geschiedene Ehefrau, die Nebenklägerin Br., vom Sachverhalt Kenntnis erlangt hatte, so dass die Wochenfrist für den Wiedereinsetzungsantrag nach § 45 Abs. 1 StPO bei dessen Eingang bei Gericht am 27. Mai 2005 überschritten war. Zudem hat der Nebenkläger auch entgegen § 45 Abs. 2 StPO die zur Begründung seines Antrags vorgetragenen Tatsachen nicht glaubhaft gemacht.

Im Übrigen wäre der Wiedereinsetzungsantrag aber jedenfalls unbegründet. Es kann dabei dahin stehen, ob nach dem vorgetragenen Sachverhalt tatsächlich ein Beratungspflichten auslösendes Mandatsverhältnis zwischen Rechtsanwalt St. und dem Nebenkläger zustande gekommen war. Denn selbst wenn dies der Fall gewesen sein oder zumindest seitens des Rechtanwalts in zurechenbarer Weise der Anschein einer Mandatsübernahme gesetzt worden sein sollte, kann sich der Nebenkläger für die Versäumnis der Revisionseinlegungsfrist jedenfalls nicht auf ein Verschulden des Rechtsanwalts berufen. Anders als der Angeklagte muss sich der Nebenkläger nach § 85 Abs. 2 ZPO das Verschulden seines Vertreters bei der Beratung oder einer verspäteten Antragstellung wie sein eigenes Verschulden zurechnen lassen (Meyer-Goßner StPO , 48. Aufl. 2005 § 44 Rn. 19). Sollte dagegen kein Beratungspflichten auslösendes Rechtsverhältnis zwischen dem Nebenkläger und Rechtsanwalt St. bestanden haben, hat der Nebenkläger die Fristversäumnis ohnehin selbst zu vertreten."

Dem schließt sich der Senat an.

Die nicht fristgerecht eingelegte Revision des Nebenklägers war deshalb bereits als unzulässig zu verwerfen.

Der Antrag des Nebenklägers auf Beiordnung der Rechtsanwältin B. -N. für die Revisionsinstanz ist gegenstandslos, da eine instanzübergreifend wirkende Beistandsbestellung gemäß § 397 a Abs. 1 , § 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO bereits mit Beschluss des Landgerichts Bochum vom 19. Oktober 2005 (Bd. IX Bl. 4005) erfolgt ist.

Vorinstanz: LG Bochum, vom 04.05.2005