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BGH - Entscheidung vom 07.09.2006

2 StR 275/06

Normen:
StGB § 64

BGH, Beschluß vom 07.09.2006 - Aktenzeichen 2 StR 275/06

DRsp Nr. 2006/24849

Hang und erheblich verminderte Schuldfähigkeit

Die Annahme eines Hangs im Sinne von § 64 StGB setzt nicht die Feststellung einer zumindest erheblichen Einschränkung der Schuldfähigkeit bei Tatbegehung voraus.

Normenkette:

StGB § 64 ;

Gründe:

1. Die Revision des Angeklagten M. ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO , soweit sie sich gegen den Schuldspruch richtet. Der Rechtsfolgenausspruch hält dagegen rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Das Landgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte seit Jahren alkoholabhängig und hierdurch in seiner Arbeitsfähigkeit erheblich beeinträchtigt ist. In seiner Wohnung wurden - neben Diebesgut - ca. 70 leere Schnapsflaschen gefunden; er trinkt nach den Feststellungen neben Schnaps täglich 10 bis 12 Flaschen Bier und war bei "nahezu allen" der 38 Taten alkoholisiert. Eine Entziehungskur hat der 1963 geborene Angeklagte bisher nicht versucht.

Unter diesen Voraussetzungen musste es sich dem Landgericht aufdrängen, die Voraussetzungen einer Unterbringung gemäß § 64 StGB zu prüfen. Dass das Landgericht dies nicht erkennbar getan hat, beruht möglicherweise auf der Annahme, die Annahme eines Hangs im Sinne von § 64 StGB setze die Feststellung zumindest einer erheblichen Einschränkung der Schuldfähigkeit bei Tatbegehung voraus. Dies wäre nicht zutreffend (vgl. BGH NJW 1990, 3282 ; BGH NStZ-RR 2003, 41 ; Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 64 Rdn. 11 m.w.N.).

Durch die Nichtanordnung der Maßregel, die vom Rechtsmittelangriff nicht ausgenommen ist, kann der Angeklagte beschwert sein. Der Senat kann auch nicht ausschließen, dass sich die Nichtanordnung auf den Strafausspruch ausgewirkt hat; der Rechtsfolgenausspruch war daher insgesamt aufzuheben.

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass, wie der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift an den Senat zutreffend dargelegt hat, die Argumente, mit welchen das Landgericht eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit insgesamt ausgeschlossen hat, rechtlich bedenklich erscheinen. Sollte der neue Tatrichter auf der Grundlage neuer Feststellungen zum Trink- und Leistungsverhalten des Angeklagten zur Annahme einer (möglicherweise) erheblich eingeschränkten Schuldfähigkeit bei einzelnen Taten gelangen, wird er zu prüfen haben, ob nach den im Senatsurteil vom 15. Februar 2006 - 2 StR 419/05 - (StV 2006, 465 ) dargelegten Maßstäben eine Strafrahmenmilderung gemäß § 21 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB angezeigt ist.

Die Urteilsformel war entsprechend der Anregung des Generalbundesanwalts zu berichtigen; weder die mittäterschaftliche Begehung noch die Annahme des Regelbeispiels besonders schwerer Fälle des Diebstahls finden im Schuldspruch Ausdruck (vgl. Meyer-Goßner, StPO 49. Aufl., § 260 Rdn. 24, 25 m.w.N.).

2. Die Revision des Angeklagten H. ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO . Zwar hat das Landgericht rechtsfehlerhaft angenommen, der Vorverurteilung vom 21. Dezember 2004 komme, wenn von ihrer Einbeziehung gemäß § 53 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 55 Abs. 1 StGB abgesehen wird, keine Zäsurwirkung zu. Das ist unzutreffend (vgl. BGHSt 32, 190 , 194; 44, 179, 184; Tröndle/Fischer aaO. § 55 Rdn. 9 m.w.N.); der Rechtsfehler beschwert den Angeklagten hier aber nicht.

Vorinstanz: LG Fulda, vom 21.02.2006