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BGH - Entscheidung vom 10.01.2006

4 StR 561/05

Normen:
StGB § 266 Abs. 2 § 247

Fundstellen:
NStZ-RR 2007, 79
wistra 2006, 229

BGH, Beschluß vom 10.01.2006 - Aktenzeichen 4 StR 561/05

DRsp Nr. 2006/7792

Erforderlichkeit eines Strafantrags bei einer Familien-GmbH

Das Fehlen des gemäß § 266 Abs. 2 i.V.m. § 247 StGB grundsätzlich erforderlichen Strafantrages der übrigen Mitgesellschafter und Angehörigen des Angeklagten begründet dann kein Strafverfolgungshindernis, wenn die Untreuehandlungen zu einem im Rahmen des § 266 StGB bedeutsamen Vermögensnachteil der GmbH selbst, nämlich zu einer konkreten Existenzgefährdung für die Gesellschaft, geführt hat.

Normenkette:

StGB § 266 Abs. 2 § 247 ;

Gründe:

Das Landgericht hatte den Angeklagten durch Urteil vom 9. Juni 2004 wegen Untreue in 77 Fällen und wegen Verletzung der Buchführungspflicht durch unterlassene Bilanzerstellung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt.

Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision des Angeklagten wurde durch Beschluss des Senats vom 30. September 2004 - 4 StR 381/04 (NStZ-RR 2005, 86 ) verworfen, soweit sie sich gegen die Verurteilung wegen Verletzung der Buchführungspflicht durch unterlassene Bilanzerstellung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten richtete. Damit ist das Urteil in diesem Umfang rechtskräftig geworden. Soweit der Angeklagte wegen Untreue in 77 Fällen verurteilt worden war sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe wurde das Urteil mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache insoweit zurückverwiesen. Grund für die Aufhebung der Verurteilung wegen Untreue in 77 Fällen zum Nachteil der S. -GmbH war, dass insoweit möglicherweise ein Strafverfolgungshindernis bestand, weil die Mitgesellschafterinnen des Angeklagten, seine Ehefrau und seine Tochter, keinen Strafantrag gestellt hatten.

Die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer hat das Verfahren nunmehr hinsichtlich 54 Bargeldabhebungen von Konten der S. -GmbH in der Zeit bis zum 31. Oktober 2001 gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt und den Angeklagten wegen Untreue in 23 Fällen und Verletzung der Buchführungspflicht durch unterlassene Bilanzerstellung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.

Das Urteil hat keinen Bestand, weil nach den nunmehr getroffenen Feststellungen wiederum nicht auszuschließen ist, dass hinsichtlich der 23 Fälle der Untreue ein Strafverfolgungshindernis besteht.

Zwar würde das Fehlen des gemäß § 266 Abs. 2 i.V.m. § 247 StGB grundsätzlich erforderlichen Strafantrages der beiden Mitgesellschafterinnen des Angeklagten dann kein Strafverfolgungshindernis begründen, wenn die Untreuehandlungen zu einem im Rahmen des § 266 StGB bedeutsamen Vermögensnachteil der GmbH selbst, nämlich zu einer konkreten Existenzgefährdung für die Gesellschaft, geführt hätten (vgl. Senatsbeschluss aaO.). Die Annahme des Landgerichts, durch die 23 Entnahmen von Bargeld aus dem Vermögen der S. -GmbH in Höhe von insgesamt rund 250.000 Euro in dem Zeitraum zwischen dem 7. November 2001 und dem 21. Januar 2002 sei es zu einer "Existenz- und Liquiditätsgefährdung" der Gesellschaft gekommen, ist aber nicht hinreichend belegt.

Nach Auffassung des Landgerichts hatte die S. -GmbH bereits am 31. Oktober 2001 unter Berücksichtigung eines "neutralisierten" Gewinns bis zum Stichtag in Höhe von 556.338,64 DM und der bis dahin erfolgten Entnahmen in Höhe von mindestens 577.154,64 DM und des zum Jahresanfang vorhanden gewesenen Eigenkapitals von 56.187,62 DM ein Eigenkapital von nur noch 35.371,62 DM und damit eine Kapitalunterdeckung (UA 9). Diese Berechnung des am 31. Oktober 2001 noch vorhandenen Eigenkapitals genügt den Anforderungen, die an die Darstellung eines die Grundsätze des § 30 Abs. 1 GmbHG verletzenden Angriffs auf das nach dem Gesellschaftsvertrag ausgewiesene Stammkapital, also das rechnerisch nach Bilanzierung die Verbindlichkeiten übersteigende Reinvermögen in Höhe der Stammkapitalziffer (vgl. BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 6; BGHZ 76, 326, 335), zu stellen sind (vgl. dazu BGHSt 35, 333 , 338), schon deshalb nicht, weil das bei der Bilanzierung auf der Aktivseite zu berücksichtigende Anlagevermögen (vgl. § 266 Abs. 2 HGB ) nicht berücksichtigt worden ist. Vielmehr hätte es zur Feststellung einer konkreten Existenzgefährdung der Gesellschaft einer Prüfung des Sachverhalts auf der Grundlage einer nach Zerschlagungswerten aufgestellten, die Abwicklungskosten und etwaige Sozialansprüche mit berücksichtigenden Bilanz bedurft (vgl. BGHZ 76, 326, 335).

Allerdings kann die Aufstellung einer solchen Bilanz nach Zerschlagungswerten zur Feststellung eines Angriffs auf das Stammkapital einer GmbH dann entbehrlich sein, wenn sich die Gefährdung der Existenz oder - worauf das Landgericht abgestellt hat - der Liquidität der GmbH allein auf Grund des tatsächlichen Geschehensablaufs feststellen lässt (vgl. BGHSt aaO.). Das ist aber nach den bisherigen Feststellungen nicht der Fall, zumal danach nicht auszuschließen ist, dass die S. -GmbH im Tatzeitraum zunächst weiterhin Einnahmen hatte und die Firmenkonten zum Zeitpunkt der jeweiligen Abhebungen ein Guthaben aufwiesen. Sofern dies nicht der Fall gewesen sein sollte, hätte es näherer Feststellungen dazu bedurft, ob und in welchem Umfang es im Tatzeitraum zu Überziehungen der Firmenkonten und zu Liquiditätsproblemen der Gesellschaft gekommen ist. Dass über das Vermögen der S. -GmbH durch Beschluss vom 16. Mai 2002 des Amtsgerichts Zweibrücken wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, vermag für sich genommen die Annahme einer Liquiditätsgefährdung bereits zu Beginn des Tatzeitraums nicht zu rechtfertigen, zumal der Insolvenzantrag nicht von einem Gläubiger der S. -GmbH, sondern vom Angeklagten selbst als Geschäftsführer der GmbH am 4. März 2002 gestellt wurde.

Die Sache bedarf daher nochmals neuer Verhandlung und Entscheidung.

Vorinstanz: LG Kaiserslautern, vom 15.09.2005
Fundstellen
NStZ-RR 2007, 79
wistra 2006, 229