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BGH - Entscheidung vom 29.06.2006

5 StR 483/05

Normen:
AO § 370 Abs. 1

BGH, Urteil vom 29.06.2006 - Aktenzeichen 5 StR 483/05

DRsp Nr. 2006/20550

Anforderungen an die Urteilsgründe bei Freispruch wegen Einkommenssteuerhinterziehung für Zuwendungen

Bei einem Freispruch vom Vorwurf der Steuerhinterziehung, weil Zuwendungen nicht als Einkünfte gemäß § 22 Nr. 3 EStG in den zugehörigen Einkommensteuererklärungen angegeben und hierdurch Steuern worden sein sollen, müssen die Urteilsgründe mitteilen, ob der Angeklagte diese Zuwendungen erhalten, was er in seinen Einkommensteuererklärungen angegeben hat und wie er von seinem Finanzamt veranlagt wurde.

Normenkette:

AO § 370 Abs. 1 ;

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, den Verfall von Wertersatz in Höhe von 25.000 Euro angeordnet und den Angeklagten vom Vorwurf weiterer vier Untreuetaten sowie vom Vorwurf der Steuerhinterziehung in zwei Fällen freigesprochen. Mit seiner auf Verfahrensrügen und sachlichrechtliche Beanstandungen gestützten Revision wendet sich der Angeklagte gegen seine Verurteilung und den angeordneten Wertersatzverfall. Die Staatsanwaltschaft wendet sich - wirksam beschränkt auf die Vorwürfe der Steuerhinterziehung in zwei Fällen sowie die Vorwürfe der Untreue in den Komplexen H.-Stiftung und D.-Stiftung - gegen die ergangenen Teilfreisprüche. Das Rechtsmittel des Angeklagten ist begründet. Die Revision der Staatsanwaltschaft, die von der Bundesanwaltschaft allein in Bezug auf die Steuerdelikte vertreten wird, hat nur insoweit Erfolg.

I. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

Der Angeklagte war Prokurist der G. W. mbH Wuppertal (nachfolgend: GWG), als deren Geschäftsführer die gesondert abgeurteilten früheren Mitangeklagten Hi. und S. wirkten.

Hi. und S. waren maßgeblich an der Vergabe von zwei großen Bauaufträgen und dem Ankauf von zwei Grundstücken beteiligt. Dabei handelte es sich um die Vergabe von Generalunternehmeraufträgen an das Bauunternehmen H. G. GmbH und Co. KG (nachfolgend: G. KG) zur Errichtung des vierten Bauabschnitts eines von der H.-Stiftung geplanten Altenwohnheims mit einem Auftragsvolumen von ca. 30 Mio. DM (nachfolgend: H.-Stiftung) und zur Errichtung eines von der D.-Stiftung geplanten Wohnquartiers für betreutes Altenwohnen mit einem Auftragsvolumen von ca. 28 Mio. DM (nachfolgend: D.-Stiftung). Die Grundstücksankäufe betrafen ein hier nach der Revisionsbeschränkung der Staatsanwaltschaft nicht mehr verfahrensgegenständliches Grundstück in der Wuppertaler Tannenbergstraße und ein Grundstück der ehemaligen B.-Brauerei in Wuppertal zwecks städtebaulicher Entwicklung des brachliegenden Geländes zum Preis von 7,7 Mio. DM.

Die früheren Mitangeklagten Hi. und S. ließen sich bei der Auftragsvergabe und den Grundstückskäufen wesentlich von erheblichen Zuwendungen des ebenfalls gesondert abgeurteilten früheren Mitangeklagten K. leiten. K. - ein frühpensionierter ehemaliger Oberamtsanwalt, in Wuppertal als "Mister 10 %" bekannt - war bereits seit geraumer Zeit erfolgreich im Immobilien- und Baugeschäft tätig und hatte seit Beginn der 80er Jahre durch die Investition in größere Bauprojekte mit der G. KG Kontakt bekommen, von der er für die Beauftragung jeweils verdeckte Provisionen erhielt. K wurde im Vorstand der H.-Stiftung und der D.-Stiftung auch tätig, um in dieser Funktion bei zukünftigen Bauvorhaben für eine Auftragsvergabe an die G. KG zu sorgen und damit weitere Provisionen zu verdienen. Aus demselben Beweggrund unterhielt K. auch jahrelang enge Beziehungen zu dem Angeklagten und den ursprünglich mitangeklagten Geschäftsführern der GWG. Der Angeklagte erhielt ab 1994 von K. zahlreiche Sachzuwendungen.

Hinsichtlich des Verurteilungsfalls ist das Landgericht von folgenden Feststellungen ausgegangen:

Kurz vor dem Ankauf des Grundstücks B.-Brauerei durch die GWG im Jahr 1995 war der Verkäufer - der gesondert Verfolgte Z, ein Geschäftsfreund K.s - in finanziellen Schwierigkeiten; er stand vor der Insolvenz, nachdem ihm die finanzierende Deutsche Bank gedroht hatte, die Kredite für dieses Projekt zu kündigen. Z. hatte das Grundstück bereits 1993 der GWG zum Kauf angeboten, woraufhin die GWG die Prüfung einer städtebaulichen Entwicklung des Geländes beschloss. Auf Druck K.s, der Hi. die finanziellen Schwierigkeiten seines Freundes Z. beschrieb und wegen dessen drohender Insolvenz zur Eile drängte, wurde im März 1995 der notarielle Kaufvertrag über das B.-Grundstück zu dem von der Deutschen Bank vorgegebenen Kaufpreis von 7,7 Mio. DM geschlossen; die Deutsche Bank war Inhaberin einer auf dem Grundstück lastenden Grundschuld über 6 Mio. DM.

Das Landgericht hat eine die Verurteilung wegen Untreue gebietende Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht durch den Angeklagten - zusammengefasst - darin gesehen, dass er gegenüber dem Aufsichtsrat der GWG nicht gegen den Grundstücksankauf eingeschritten sei, obgleich es sich angesichts der drohenden Zahlungsunfähigkeit Z.s um ein übereiltes und deshalb wirtschaftlich ungünstiges Geschäft gehandelt habe; hätte man bis zum Eintritt der Insolvenz Z.s zugewartet, hätte eine günstigere Ankaufsmöglichkeit bestanden. Der GWG sei durch den übereilten Ankauf des Grundstücks ein Mindestvermögensnachteil von 2 Mio. DM entstanden, weil um mindestens diesen Betrag der Kaufpreis bei längerem Zuwarten günstiger ausgefallen wäre.

In den Fällen H.-Stiftung und D.-Stiftung hat das Landgericht eine Untreue des Angeklagten mit der Begründung abgelehnt, dass dieser sich bei seinem Handeln nicht in pflichtwidriger Weise von den als freundschaftlich verstandenen Zuwendungen K.s habe leiten lassen und die pflichtwidrigen Handlungen der GWG-Geschäftsführung für ihn nicht unmittelbar greifbar gewesen seien.

II. Zur Revision des Angeklagten:

Die Revision des Angeklagten ist bereits mit der Sachrüge begründet, so dass es eines Eingehens auf die verfahrensrechtlichen Beanstandungen nicht bedarf. Die Verurteilung wegen Untreue im Komplex B.-Brauerei begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Wie der Senat mit Urteil vom heutigen Tage im Verfahren gegen Hi. (5 StR 485/05) entschieden hat, gebot die Treupflicht vorliegend nicht das Zuwarten auf die Insolvenz Z.s, um hierdurch möglicherweise zu einem noch günstigeren Preis abzuschließen. Auf die Frage, ob der Angeklagte in der hier vorliegenden Sachverhaltskonstellation mit Blick auf seine Stellung als Prokurist überhaupt zu weitergehender Intervention gegenüber dem Aufsichtsrat verpflichtet war, kommt es demnach nicht an.

Die Sache ist insoweit im Sinne des § 354 Abs. 1 StPO entscheidungsreif. Es ist nicht zu erwarten, dass ein neues Tatgericht in Bezug auf das Projekt B.-Brauerei zu tragfähigen Schuldfeststellungen gelangen kann. Mit dem Freispruch entfällt auch der Verfall von Wertersatz.

III. Zur Revision der Staatsanwaltschaft:

Soweit die Bundesanwaltschaft die Revision vertritt, hat diese Erfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet.

1. Hinsichtlich des Freispruchs vom Vorwurf der Steuerhinterziehung in zwei Fällen leidet das Urteil, wie die Bundesanwaltschaft umfassend und zutreffend in ihrem Terminsantrag ausgeführt hat, an einem durchgreifenden sachlichrechtlichen Mangel. Das Landgericht hatte mit Eröffnungsbeschluss vom 13. Dezember 2002 auch die Anklageschrift vom 9. September 2002 zur Hauptverhandlung zugelassen. Danach liegt dem Angeklagten zur Last, in den Jahren 1996 und 1998 von K. erhaltene Zuwendungen nicht als Einkünfte gemäß § 22 Nr. 3 EStG in den zugehörigen Einkommensteuererklärungen angegeben und hierdurch Steuern verkürzt zu haben. Die nach § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO für einen Freispruch notwendigen Feststellungen enthält das angefochtene Urteil nicht. Die Urteilsgründe verhalten sich - offenbar aufgrund eines versehentlichen Unterlassens - weder dazu, ob der Angeklagte die in der Anklageschrift bezeichneten Zuwendungen erhalten, noch was der Angeklagte in seinen Einkommensteuererklärungen angegeben hat und wie er von seinem Finanzamt veranlagt wurde. Auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist nicht ausreichend deutlich zu entnehmen, dass der Angeklagte hinsichtlich der Zuwendungen K.s keine Einkommensteuerhinterziehung begangen hat, insbesondere auch nicht den Feststellungen des Landgerichts zum Charakter von Zuwendungen in vorangegangenen Jahren. Die Sache bedarf daher insoweit neuer tatrichterlicher Verhandlung und Entscheidung, sofern nicht angesichts des verbleibenden möglichen Schuldumfangs eine Einstellung des Verfahrens erfolgt.

2. Die weitergehende, auf den Freispruch vom Vorwurf der Untreue in den Komplexen H.-Stiftung (Fall II. 2 der Urteilsgründe) und D.-Stiftung (Fall II. 4 der Urteilsgründe) gerichtete Revision kann aus den Gründen der Antragsschrift der Bundesanwaltschaft keinen Erfolg haben.

Zu einem Eingreifen des Revisionsgerichts berechtigende Rechtsfehler in der Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils zeigt die Staatsanwaltschaft nicht auf; sie sind auch sonst nicht erkennbar.

Vorinstanz: LG Wuppertal, vom 26.05.2004