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BGH - Entscheidung vom 04.05.2006

V ZB 130/05

Normen:
ZPO § 519 Abs. 2 Nr. 1

Fundstellen:
FamRZ 2006, 1117

BGH, Beschluß vom 04.05.2006 - Aktenzeichen V ZB 130/05

DRsp Nr. 2006/18593

Anforderungen an die Bezeichnung des angefochtenen Urteils in der Berufungsschrift

Die fehlerhafte Angabe des Aktenzeichens der erstinstanzlichen Entscheidung in der Berufungsschrift hat dann keine ausschlaggebende Bedeutung, wenn das Rechtsmittelgericht und der Prozessgegner den Fehler erkennen und sie aufgrund der Angaben im Übrigen keinen Zweifel haben können, welches Urteil angefochten wird. Das angefochtene Urteil ist hinreichend bezeichnet, wenn die Parteien, das Verkündungs- und das Zustellungsdatum genannt sind.

Normenkette:

ZPO § 519 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe:

I. Das Landgericht hat die auf Rückzahlung von 20.000 DM gerichtete Klage abgewiesen. Gegen das am 16. Februar 2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 15. März 2005 per Fax ohne Übersendung einer Kopie des Urteils Berufung eingelegt. In der Berufungsschrift ist das Aktenzeichen des ersten Rechtszugs mit "... C 5.../03 des Landgerichts Berlin" angegeben. Der Originalsschriftsatz mit einer Urteilskopie, die das zutreffende Aktenzeichen ausweist, ist bei dem Kammergericht am 17. März 2005 eingegangen. Mit weiterem bei dem Kammergericht bereits am 16. März 2005 eingegangen Fax, das von einem nicht bei einem Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet worden ist, hat die Klägerin das zutreffende Aktenzeichen mitteilen lassen. Das Kammergericht hat die Berufung als unzulässig verworfen und hierzu ausgeführt, das Rechtsmittel sei nicht formgerecht eingelegt worden. Wegen der fehlerhaften Angabe des Geschäftszeichens sei das angefochtene Urteil nicht identifizierbar gewesen. Innerhalb der Berufungsfrist sei der Fehler nicht durch einen postulationsfähigen Anwalt berichtigt worden. Gegen die Verwerfung der Berufung als unzulässig wendet sich die Klägerin mit der Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen.

II. 1. Das Rechtsmittel ist nach §§ 574 Abs. 1 Nr. 1 , 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (vgl. dazu Senat, BGHZ 151, 221 , 227 f.) erforderlich (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ).

2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet, weil das Berufungsgericht die Anforderungen an eine zulässige Berufung überspannt hat (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip). Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung des Verfahrens an das Berufungsgericht.

Nach § 519 Abs. 2 Nr. 1 ZPO muss die Berufungsschrift die Bezeichnung des Urteils enthalten, gegen das die Berufung gerichtet wird. Das Gesetz bestimmt nicht, auf welche Weise das angefochtene Urteil bezeichnet werden muss. Da die Berufungsschrift als bestimmender Schriftsatz form- und fristgebunden einen neuen Verfahrensabschnitt einleitet und die Einlegung der Berufung den Eintritt der Rechtskraft des angefochtenen Urteils aufschiebt, dürfen im Interesse der Rechtsklarheit an die Urteilsbezeichnung keine zu geringen Anforderungen gestellt werden. Es ist daher anerkannt, dass eine vollständige Bezeichnung die Angabe der Parteien, des Gerichts, das das angefochtene Urteil erlassen hat, des Verkündungsdatums und des Aktenzeichens erfordert. Allerdings führt nicht jede Ungenauigkeit, die eine Berufungsschrift bei einzelnen Angaben enthält, zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels. Fehlerhafte oder unvollständige Angaben schaden nicht, wenn aufgrund der sonstigen erkennbaren Umstände für Gericht und Prozessgegner nicht zweifelhaft bleibt, welches Urteil angefochten wird (BVerfG, NJW 1991, 3140 ; BGH, Beschl. v. 24. April 2003, III ZB 94/02, NJW 2003, 1950 m.w.N.; Beschl. v. 11. Januar 2006, XII ZB 27/04, NJW 2006, 1003 f.).

So liegt es hier. Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass der fehlerhaften Angabe des Aktenzeichens der erstinstanzlichen Entscheidung keine ausschlaggebende Bedeutung zukommt, wenn das Rechtsmittelgericht und der Prozessgegner den Fehler erkennen und sie aufgrund der Angaben im Übrigen keinen Zweifel haben können, welches Urteil angefochten wird (Beschl. v. 25. Februar 1993, VII ZB 22/92, NJW 1993, 1719 , 1720). Wie das Berufungsgericht selbst ausführt, war das in der Berufungsschrift angegebene Aktenzeichen ersichtlich falsch. Jedoch konnte aufgrund der im Übrigen zutreffenden Angaben in der Berufungsschrift kein objektiv begründeter Zweifel über die Identität des angefochtenen Urteils bestehen. Dass ein Urteil des Landgerichts Gegenstand der Berufung war, folgt ohne weiteres aus der Einlegung des Rechtsmittels bei dem Kammergericht und des an zwei Stellen mit "Landgericht Berlin" bezeichneten (erstinstanzlichen) Gerichts. Vor diesem Hintergrund hätte das Berufungsgericht die Prozessakten ohne Verwechslungsgefahr auch ohne Aktenzeichen unter Hinweis auf die Parteien, das Verkündungs- und das Zustellungsdatum anfordern können. Die Beklagten als Prozessgegner konnten gleichfalls keine Zweifel haben, dass sich die Berufung der Klägerin gegen das am 26. Januar 2005 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin richtete, weil nicht ersichtlich ist, dass zwischen den Parteien vor diesem Gericht ein weiterer - zumal am selben Tag durch Urteil entschiedener - Rechtsstreit anhängig war.

3. Die Entscheidung über die Nichterhebung der Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 21 Abs. 1 S. 1 GKG .

Vorinstanz: KG, vom 29.06.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 19 U 16/05
Vorinstanz: LG Berlin, vom 26.01.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 3 O 554/03
Fundstellen
FamRZ 2006, 1117