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BGH - Entscheidung vom 19.10.2005

XII ZR 224/03

Normen:
BGB § 539 (a.F.) § 242

Fundstellen:
BGHReport 2006, 286
MDR 2006, 562
NJ 2006, 177
NJW 2006, 219
NZM 2006, 58
WM 2006, 977
ZMR 2006, 107
ZfIR 2006, 486

BGH, Urteil vom 19.10.2005 - Aktenzeichen XII ZR 224/03

DRsp Nr. 2005/21519

Nachforderung von Mietzins bei widerspruchslos über längere Zeit hingenommener Mietminderurng

»§ 539 BGB a.F. kann nicht analog auf einen Mietzinsrückstand angewandt werden, der aus einer vom Vermieter über längere Zeit widerspruchslos hingenommenen Mietminderung herrührt. Ob der Vermieter mit solchen Nachforderungen ausgeschlossen ist, beurteilt sich nach den allgemeinen Voraussetzungen der Verwirkung.«

Normenkette:

BGB § 539 (a.F.) § 242 ;

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt aus abgetretenem Recht von der Beklagten rückständige Miete für die Zeit von Januar 1998 bis Dezember 2000 aus einem am 15. September 1992 zwischen der Beklagten, die damals als K.-I. Warenhandelsgesellschaft mbH firmierte, und dem damaligen Eigentümer des Mietobjekts abgeschlossenen Mietvertrag über Gewerberäume. Dieser verkaufte das Mietobjekt an eine GbR, deren Gesellschafter der Ehemann der Klägerin und die Eigentümergemeinschaft "A. S. ", bestehend aus dem Ehemann der Klägerin und der T.-GmbH (ab 10. März 1995: T.-AG), waren. Zur Sicherung eines am 30. Januar 1995 aufgenommenen Kredits trat die GbR die Mietzinsansprüche gegen die Beklagte an die I. bank (im Folgenden: I. Bank) ab. Im Jahr 1998 zahlte die Beklagte an die I. Bank auf die vereinbarte Miete von 207.879,55 DM nur 90.675,70 DM.

Mit Vertrag vom 28. September 1998 trat die Eigentümergemeinschaft "A. S. ", vertreten durch den Ehemann der Klägerin, unter Hinweis darauf, dass die bereits erfolgte Abtretung an die I. Bank bei einem Verkauf des Objekts an die Klägerin demnächst aufgehoben werde, und weiteren Hinweis auf bestehende Mietrückstände von ca. 90.000 DM sämtliche Mietzinsansprüche aus dem Mietvertrag an die Klägerin ab.

Nachdem mit Beschluss des Amtsgerichts vom 8. Dezember 1998 auf Betreiben der I. Bank die Zwangsverwaltung des Mietgrundstücks angeordnet worden war, zahlte die Beklagte ab 1. Januar 1999 bis zur Aufhebung der Zwangsverwaltung am 14. September 2000 an den Zwangsverwalter im Jahr 1999 eine um 15 % und danach bis September 2000 eine in unterschiedlicher Höhe gekürzte Miete.

Die I. Bank teilte der Generalbevollmächtigten der Beklagten mit Schreiben vom 9. Oktober 2000 mit, dass sie "per 14.9.2000 (Aufhebung der Zwangsverwaltung durch das Gericht)" keine Rechte aus der Abtretung der Mietforderungen mehr herleite. Mit Schreiben vom 30. Oktober 2000 bestätigte sie diese Erklärung gegenüber den Bevollmächtigten der Klägerin.

Die Klägerin, die mit notariellem Kaufvertrag vom 12. Mai 2000 das Mietgrundstück erworben hatte und am 7. März 2001 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen worden ist, forderte die Beklagte, vertreten durch ihren Ehemann, mit Schreiben vom 20. Dezember 2000 und 20. November 2001 zur Zahlung der mit der Klage geltend gemachten behaupteten rückständigen Miete auf.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb ohne Erfolg. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht führt im Wesentlichen aus:

Die Klägerin habe durch die widerspruchslose Hinnahme der gekürzten Miete über einen längeren Zeitraum ihr Nachforderungsrecht auf die volle Miete gemäß § 539 BGB a.F. analog "verwirkt". Die Partner eines Mietverhältnisses könnten in der Regel davon ausgehen, dass laufend zu erfüllende Ansprüche zeitnah geltend gemacht würden. Deshalb sei es - zumindest für die Zeit vor Inkrafttreten des Mietrechtsreformgesetzes am 1. September 2001 - herrschende Meinung gewesen, dass der Mieter in analoger Anwendung des § 539 BGB a.F. sein Recht zur Minderung verliere, wenn er den Mietzins vorbehaltlos und ungemindert über einen Zeitraum von sechs Monaten gezahlt habe. Die Gewährleistungsrechte seien dann für die Vergangenheit und die Zukunft ausgeschlossen gewesen, ohne dass es eines weiteren Vertrauenstatbestands auf Seiten des Vermieters bedurft hätte. Diese Grundsätze seien spiegelbildlich auch auf den hier vorliegenden Fall anzuwenden, in dem der Vermieter über einen längeren Zeitraum widerspruchslos die restliche Miete nicht verlange. Ob für den Verlust des Nachforderungsrechts ebenfalls eine Frist von sechs Monaten ausreichend sei, bedürfe für den vorliegenden Fall keiner abschließenden Entscheidung. Die Beklagte habe ab Januar 1998 den Mietzins nicht mehr in voller Höhe gezahlt. Die erste dokumentierte Reaktion der Vermieterseite sei das Schreiben des Zwangsverwalters vom 20. Januar 2000 gewesen. Unabhängig davon, ob es sich bei diesem Schreiben überhaupt um eine Aufforderung zur Zahlung des Mietrückstandes handele, sei eine Frist von zwei Jahren jedenfalls ausreichend. Ein Nachforderungsanspruch sei somit im Januar 2000 "verwirkt" gewesen.

Dies gelte auch für die weiter bis Dezember 2000 geltend gemachten Nachforderungen. Denn ein einmal verwirktes Forderungsrecht könne jedenfalls so lange nicht geltend gemacht werden, wie sich an den Umständen nichts verändert habe. Ebenso wie das Minderungsrecht des Mieters auch für die nach Eintritt der Verwirkung entstehenden, künftigen Mietzinsansprüche ausgeschlossen sei, könne auch ein Nachforderungsrecht des Vermieters nicht neu entstehen. Der Anspruch sei vielmehr insgesamt "verwirkt".

Eine Neuentstehung komme in Anlehnung an die Senatsentscheidung vom 26. Februar 2003 (- XII ZR 66/01 - NJW-RR 2003, 727 , 728) zudem erst ab dem Zeitpunkt in Betracht, in dem ein auf Seiten des Mieters bestehender Vertrauenstatbestand wieder entfallen sei. Dafür reiche ein einfaches Aufforderungsschreiben des Vermieters zur Zahlung nicht aus. Vielmehr sei zu fordern, dass der Vermieter den Mieter mit der Zahlung des vollen Mietzinses in Verzug setze, dem Mieter die gerichtliche Geltendmachung androhe und im Falle der Nichtzahlung zeitnah die gerichtliche Geltendmachung auch betreibe. Dies sei hier jedenfalls bis Dezember 2000 nicht geschehen, so dass auch diese Ansprüche verwirkt seien.

Das Berufungsgericht hat die Revision zur Klärung der Frage, unter welchen konkreten Voraussetzungen ein Nachforderungsrecht des Vermieters auf Zahlung rückständiger Miete verwirkt werden bzw. nachträglich wieder aufleben kann, zugelassen.

II. Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer rechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.

1. Das Berufungsurteil leidet allerdings entgegen der Annahme der Revision nicht an einem Verfahrensmangel. Zwar enthält es keine wörtliche Wiedergabe der Berufungsanträge. Aus dem Zusammenhang ergibt sich jedoch, daß die Klägerin mit der Berufung ihren unveränderten Sachantrag gegen das ihre Klage abweisende erstinstanzliche Urteil weiterverfolgt. Das genügt den Anforderungen des § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO (BGHZ 154, 99 , 100 f.).

2. Das Berufungsgericht ist auch entgegen der Annahme der Revisionserwiderung in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, daß die Klägerin aufgrund des Abtretungsvertrages vom 28. September 1998 berechtigt ist, Mietnachforderungen auch für die Zeit vor deren Rückübertragung von der I. Bank an die GbR am 9. Oktober 2000 geltend zu machen. Die Auslegung der Erklärung der I. Bank dahin, dass sie bezüglich sämtlicher offenen Mietforderungen (und nicht etwa nur solcher, die nach der Aufhebung der Zwangsverwaltung entstanden sind) keine Rechte aus der Abtretung mehr herleite, begegnet keinen Bedenken.

3. Zu Recht wendet sich die Revision aber gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, § 539 BGB a.F. könne analog auf rückständige Mietzinsansprüche des Vermieters angewandt werden, die aus einer über längere Zeit widerspruchslos hingenommenen Kürzung der Miete herrühren (gegen Analogie: Wichert ZMR 2000, 65, 68; Kandelhard NZM 2005, 43 ff.; Kraemer in Bub/Treier Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete 3. Aufl. Kap. III Rdn. 1367; Blank/Börstinghaus Miete 2. Aufl. § 536 Rdn. 77; für Analogie: OLG Hamburg WuM 1999, 281 ; Ventsch/Storm NZM 2003, 577, 579 f.; differenzierend: Timme NZM 2003, 508, 509).

Die Klägerin hat nicht bereits dadurch, dass sie über einen längeren Zeitraum einen Mietabzug der Beklagten widerspruchslos hingenommen hat, ihren Anspruch auf rückständige Miete gemäß § 539 BGB a.F. analog verwirkt.

Die ständige Rechtsprechung und überwiegende Kommentarliteratur haben zwar bis zum Inkrafttreten des Mietrechtsreformgesetzes vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1149) am 1. September 2001 angenommen, dass der Mieter das Recht zur Mietminderung wegen eines nachträglich eingetretenen oder ihm bekannt gewordenen Mangels der Mietsache in entsprechender Anwendung des § 539 BGB a.F. verliert, wenn er die Miete ungekürzt über einen längeren Zeitraum und ohne Vorbehalt weiter zahlt. Dabei wurde eine Frist von sechs Monaten im Regelfall als "längerer Zeitraum" angesehen (vgl. hierzu: BGHZ 155, 380 , 385 m.w.N.). Diese für die neue Gesetzeslage vom Bundesgerichtshof aufgegebene Rechtsprechung (BGHZ aaO.; Senatsbeschluß vom 16. Februar 2005 - XII ZR 24/02 - DWW 2005, 153) kann jedoch auch für die Zeit vor Inkrafttreten des Mietrechtsreformgesetzes nicht auf die Nachforderungsansprüche des Vermieters, der die Kürzung der Miete über längere Zeit widerspruchslos hingenommen hat, übertragen werden.

Insoweit fehlt es schon an der für eine Analogie erforderlichen planwidrigen Regelungslücke (vgl. dazu BGHZ 155, 380 , 389; 149, 165, 174). Das Gesetz enthält mit der Verjährungsvorschrift des § 197 BGB eine Regelung für den Fall, dass der Vermieter seine Ansprüche auf Miete längere Zeit nicht geltend macht. Die Fälle, in denen ausnahmsweise bereits vor Ablauf der Verjährungsfrist die Nachforderung von Miete infolge längeren Zeitablaufs und weiterer vertrauensbildender Umstände nach Treu und Glauben ausgeschlossen ist, werden von dem aus § 242 BGB entwickelten Rechtsinstitut der Verwirkung erfasst.

Eine analoge Anwendung des § 539 BGB a.F. kommt auch deshalb nicht in Betracht, weil der auf Gewährleistungsansprüche des Mieters gerichtete Normzweck des § 539 BGB a.F. nicht mit dem Anspruch des Vermieters auf Zahlung von Miete vergleichbar ist (vgl. Wichert aaO.).

4. Die Klägerin kann die geltend gemachte rückständige Miete daher nur dann nicht verlangen, wenn neben dem Zeitmoment auch die weiteren Voraussetzungen der Verwirkung vorliegen (vgl. Senatsurteil vom 26. Februar 2003 - XII ZR 66/01 - aaO.).

a) Der Rechtsgedanke der Verwirkung, der auch im Miet- und Pachtrecht gilt, ist ein Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung aufgrund widersprüchlichen Verhaltens (BGH Urteil vom 29. Februar 1984 - VIII ZR 310/82 - NJW 1984, 1684 ; Gramlich in Bub/Treier aaO. Kap. VI Rdn. 101; Blank/Börstinghaus aaO. § 548 Rdn. 64). Danach ist ein Recht verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten auch darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (Senatsurteile BGHZ 84, 280, 281; BGHZ 105, 290 , 298; BGH Urteil vom 14. November 2002 - VII ZR 23/02 - NJW 2003, 824 ; MünchKomm/Roth 4. Aufl. § 242 BGB Rdn. 464 m.w.N.).

Die Annahme einer Verwirkung setzt somit neben dem Zeitablauf (sog. Zeitmoment) das Vorliegen besonderer, ein Vertrauen des Verpflichteten begründender Umstände voraus (sog. Umstandsmoment). Zwischen diesen Umständen und dem erforderlichen Zeitablauf besteht eine Wechselwirkung insofern, als der Zeitablauf um so kürzer sein kann, je gravierender die sonstigen Umstände sind, und dass umgekehrt an diese Umstände desto geringere Anforderungen gestellt werden, je länger der abgelaufene Zeitraum ist (BGHZ 146, 217, 224 f.). Ob eine Verwirkung vorliegt, richtet sich letztlich nach den vom Tatrichter festzustellenden und zu würdigenden Umständen des Einzelfalls (MünchKomm/Roth § 242 BGB Rdn. 469 m.w.N.; Schmidt-Futterer/Gather Mietrecht 8. Aufl. § 548 Rdn. 19).

b) Das Berufungsgericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - lediglich zum Zeitablauf Feststellungen getroffen, nicht aber zu den Umständen, die den Schluss rechtfertigen könnten, die Beklagte habe bereits darauf vertrauen können, dass die Klägerin die Forderung nicht mehr geltend mache, und sie sich hierauf auch eingerichtet habe.

Zum Zeitablauf hat das Berufungsgericht festgestellt, dass zwischen dem Beginn der gekürzten Mietzahlung, dem 1. Januar 1998, und der ersten - allerdings nicht die Mietrückstände betreffenden - Reaktion von Vermieterseite, einem Schreiben des Zwangsverwalters vom 20. Januar 2000, zwei Jahre liegen. Die Revisionserwiderung weist insoweit zu Recht darauf hin, daß die erste Aufforderung zur Zahlung der rückständigen Miete mit Schreiben der Klägerin vom 20. Dezember 2000 erfolgt ist.

Dieser Zeitraum, innerhalb dessen die GbR als Vermieterin, die I. Bank als Zessionarin und der Zwangsverwalter die Mietkürzung widerspruchslos hingenommen haben, reicht grundsätzlich aus, um das für die Annahme einer Verwirkung erforderliche Zeitmoment als erfüllt anzusehen.

Die Klägerin muss sich als Zessionarin diese Zeit der Untätigkeit gemäß § 404 BGB auch entgegenhalten lassen. Nach § 404 BGB kann die Beklagte der Klägerin die Einwendungen entgegensetzen, die zur Zeit der Abtretung der Forderung gegen die GbR begründet waren. § 404 BGB dient dem Zweck, eine Verschlechterung der Verteidigungsmöglichkeiten des Schuldners infolge der Forderungsabtretung zu verhindern (BGH Urteil vom 23. März 2004 - XI ZR 14/03 - NJW-RR 2004, 1347 , 1348 m.w.N.; MünchKomm/Roth 4. Aufl. § 404 BGB Rdn. 10). Daher umfasst die Vorschrift auch Einwendungen des Schuldners, die zum Zeitpunkt der Abtretung lediglich im Schuldverhältnis angelegt waren und erst später entstanden sind (vgl. BGH aaO.; BGHZ 25, 27, 29; 93, 71, 79).

Hier ist die Abtretung der Mietforderungen von der GbR an die Klägerin (28. September 1998) erst mit dem Verzicht der I. Bank auf ihre Rechte aus der zeitlich früheren Abtretung im Jahr 1995, somit am 9. Oktober 2000, wirksam geworden. Denn durch die frühere Abtretung hatte die GbR ihre Gläubigerstellung und damit die Verfügungsbefugnis verloren. Erst durch die in dem Verzicht der I. Bank zu sehende stillschweigende Rückabtretung der Mietforderungen (vgl. BGH, Urteil vom 21. November 1985 - VII ZR 305/84 - NJW 1986, 977 ) ist die GbR wieder Berechtigte geworden, so dass die Abtretung an die Klägerin durch Konvaleszenz (§ 185 Abs. 2 Satz 1 BGB ) frühestens am 9. Oktober 2000 wirksam geworden ist.

Zu diesem Zeitpunkt konnte sich die Beklagte gegenüber der GbR auf die widerspruchslose Hinnahme der Mietkürzungen durch die I. Bank berufen (§ 404 BGB ). Die GbR musste sich auch gemäß § 242 BGB von der Beklagten die Untätigkeit des für die Dauer der Zwangsverwaltung in die Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag eingetretenen (Böttcher ZVG 4. Aufl. § 152 Rdn. 41) Zwangsverwalters entgegenhalten lassen. Denn ein Wechsel auf Seiten des Berechtigten oder Verpflichteten ist für das Zeitmoment bei der Verwirkung grundsätzlich ohne Bedeutung (MünchKomm/Roth § 242 BGB Rdn. 490; Staudinger/Schmidt BGB 13. Aufl. § 242 Rdn. 570); er kann allenfalls im Rahmen der zu beurteilenden Umstände des Einzelfalls für die Frage der Verwirkung zu berücksichtigen sein.

c) Über den bloßen Zeitablauf hinaus müssen jedoch für die Annahme der Verwirkung weitere Umstände vorliegen, die das Vertrauen der Beklagten begründen, die nicht gezahlten Mieten würden nicht mehr geltend gemacht.

Solche Feststellungen hat das Berufungsgericht nicht getroffen.

Die Beklagte hat substantiiert unter Beweisantritt vorgetragen, sie habe die GbR, vertreten durch den Ehemann der Klägerin, die I. Bank und den Zwangsverwalter wiederholt zur Beseitigung von Mängeln aufgefordert und nach vorherigen Ankündigungen Notreparaturen vorgenommen, deren Kosten sie jeweils mit der Miete verrechnet habe. Diese Behauptungen sind im Hinblick darauf, dass weder die GbR noch die I. Bank noch der Zwangsverwalter auf die Schreiben reagiert haben, für die Beurteilung, ob die Beklagte darauf vertrauen durfte, die Mietkürzungen würden angesichts der gerügten und nicht behobenen Mängel akzeptiert, entscheidungserheblich. Da die Klägerin den Zugang der Schreiben bestritten hat, ist darüber Beweis zu erheben.

5. Der Senat ist deshalb nicht in der Lage abschließend zu entscheiden. Der Rechtsstreit muß an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, damit es, gegebenenfalls nach ergänzendem Parteivortrag und Beweiserhebungen, die erforderlichen Feststellungen zum Umstandsmoment treffen und einer Gesamtwürdigung unterziehen kann.

Vorinstanz: OLG Naumburg, vom 04.11.2003 - Vorinstanzaktenzeichen 9 U 50/03
Vorinstanz: LG Magdeburg, vom 31.03.2003 - Vorinstanzaktenzeichen 4 O 1406/02
Fundstellen
BGHReport 2006, 286
MDR 2006, 562
NJ 2006, 177
NJW 2006, 219
NZM 2006, 58
WM 2006, 977
ZMR 2006, 107
ZfIR 2006, 486