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Zur Mutwilligkeit von Schweigen im PKH-Verfahren

Entscheidungsbesprechung: Wenn ein anwaltlich nicht vertretener Antragsgegner relevante Einwendungen erst mit der Klageerwiderung und nicht schon im Rahmen der Anhörung zu dem gegnerischen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorbringt, handelt er nicht mutwillig.

OLG Oldenburg, Beschl. v. 17.02.2009 - 13 WF 24/09, DRsp Nr. 2009/3989

Darum geht es:

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Ehegatten- und Kindesunterhalt in Anspruch. Zu ihrem PKH-Gesuch gab der Beklagte keine Stellungnahme ab. Nachdem das Familiengericht der Klägerin PKH bewilligt hatte, erwiderte der nunmehr anwaltlich vertretene Beklagte auf die zugestellte Klage, dass er aufgrund der Steuerklassenänderung über ein deutlich geringeres Einkommen verfüge. Hiervon verbleibe ihm aufgrund von Schuldtilgungen kein seinen Selbstbehalt übersteigender Betrag. Das Familiengericht hat seinen Antrag auf Bewilligung von PKH zur Rechtsverteidigung als mutwillig abgelehnt, weil der Beklagte im PKH-Verfahren nicht Stellung genommen habe. Seine Beschwerde hatte Erfolg. Das OLG Oldenburg sah das Verhalten des Beklagten nicht als mutwillig an.

Wesentliche Entscheidungsgründe:

Mutwillig handelt eine Partei nur dann, wenn sie bei der prozessualen Verfolgung ihrer Rechte einen Weg einschlägt, den eine Partei, die selbst für die Kosten aufkommen müsste, nicht wählen würde (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 114 Rdnr. 30). Dies wird teilweise auch dann angenommen, wenn sie auf einen PKH-Antrag zunächst nicht reagiert und relevante Einwendungen erst nach Klagezustellung vorbringt. Eine verständige, ihre finanziellen Interessen wahrende Partei nehme die Gelegenheit wahr, unbegründeten Ansprüchen durch ihre Sachdarstellung schon im Vorfeld entgegenzutreten (z.B. OLG Brandenburg, FamRZ 2008, 70 für eine anwaltlich vertretene Partei; OLG Düsseldorf, FamRZ 1997, 1017 für eine nicht anwaltlich vertretene Partei). Nach anderer Ansicht ist der Gegner eines Prozesses nicht verpflichtet, im PKH-Verfahren überhaupt eine Stellungnahme abzugeben. Unterlasse er eine Erwiderung, könne ihm dies nicht zum Nachteil gereichen (u.a. OLG Hamm, Beschl. v. 07.12.2006 — 2 WF 194/06, FamRZ 2008, 1264; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 29.08.2001 — 5 WF 133/01, DRsp Nr. 2002/5746 = FamRZ 2002, 1132; Benkelberg, FamRZ 2006, 869).

Nach beiden Meinungen muss Prozesskostenhilfe jedenfalls insoweit bewilligt werden, als Einwendungen von Amts wegen zu berücksichtigen waren. Hier hätte das Familiengericht den bevorstehenden Steuerklassenwechsel des Beklagten bereits bei der Entscheidung über das Gesuch der Klägerin berücksichtigen müssen. Dass dies unterblieben ist, kann sich nicht zu Lasten des Beklagten auswirken.

Im Hinblick auf die weiteren Einwendungen folgt das OLG für den hier zu entscheidenden Fall eines anwaltlich nicht vertretenen Antragsgegners der zweiten Auffassung, die eine Mutwilligkeit verneint. Dafür spricht zunächst, dass dem in diesem Stadium noch nicht am Verfahren beteiligten Antragsgegner rechtliches Gehör zur Wahrung seiner in Art. 103 Abs. 1 GG verbürgten Rechte gewährt wird (BVerfG, Beschl. v. 11.10.1966 — 2 BvR 252/66, DRsp Nr. 1996/7734 = BVerfGE 20, 280 (282)), nicht aber, um ihm später seinerseits Rechte abzuschneiden. Auf eine derart einschneidende Rechtsfolge wird der Antragsgegner bei der formlosen Anhörung — der gesetzlichen Regelung des § 118 Abs. 1 S. 1 ZPO entsprechend — regelmäßig nicht hingewiesen. Im vorliegenden Fall enthielt das Anschreiben an den Beklagten den üblichen Textbaustein, das Gesuch werde „mit Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von zwei Wochen nach Zugang dieses Schreibens" übersandt. Weiter heißt es: „Nach Fristablauf kann auch ohne Ihre Stellungnahme über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe entschieden werden". Eine verständige — nicht mutwillige — Partei muss dieses Anschreiben nicht so verstehen, dass sie in jedem Fall reagieren und ihre Einwendungen vorbringen muss, um keine finanziellen Nachteile zu erleiden.

Das OLG führt weiter aus, von dem anwaltlich nicht vertretenen Antragsgegner könne nicht erwartet werden, dass er im Unterhaltsverfahren angesichts der komplexen Berechnungsmethoden die relevanten Einwendungen selbst erkennt und zutreffend vorbringt (siehe dazu Gottwald, FamRZ 2008, 71).

Letztlich verweist das OLG Oldenburg darauf, dass vom Antragsgegner nicht die Beauftragung eines Rechtsanwalts verlangt werden könne. Denn im PKH-Verfahren findet gem. § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO keine Kostenerstattung statt; PKH für das Bewilligungsverfahren selbst kann nicht (BGH, Beschl. v. 30.05.1984 — VIII ZR 298/83, BGHZ 91, 311) und Beratungshilfe nur unter den eingeschränkten Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 BerHG bewilligt werden. Das bedeutet, dass der bedürftige Antragsgegner, der die Notwendigkeit zur Stellungnahme erkennt, einen Anwalt im Ergebnis auf eigenes Kostenrisiko beauftragen müsste.

Weiterführende Informationen zu diesem Thema in rechtsportal.de/familienrecht:

Bibliothek, Handbücher, Praxishandbuch Familiensachen, „Prozesskostenhilfe/Mutwilligkeit“ (Schnellsuche: D5721_14049944 )