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Wechselmodell bei uneinigen Eltern

Zwar kann ein Gericht das Wechselmodell auch gegen den Willen eines Elternteils anordnen. Wenn das Verhältnis der Eltern aber erheblich konfliktbelastet ist, kann die Anordnung eines paritätischen Wechselmodells den Interessen des Kindes widersprechen. Auch weit auseinander liegende Wohnorte der Eltern können ein Hinderungsgrund sein. Das hat das OLG Bremen entschieden.

Sachverhalt

2011 kamen die Kindeseltern zusammen. 2015 wurde die Tochter geboren. 2016 erfolgte die Eheschließung. 2017 trennten sich die Eltern bereits wieder. Die Kindesmutter zog aus der gemeinsamen Ehewohnung aus und zu ihren Eltern an einen anderen Ort. Die Eltern streiten sich seither erbittert um den Lebensmittelpunkt der Tochter. Die Mutter ist teilzeitbeschäftigt, der Vater Pilot in Vollzeitbeschäftigung auf Langstreckenflügen. Der Kindesvater wollte gerichtlich die Etablierung des Wechselmodells erreichen

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Der Vater hatte mit seinem Begehren keinen Erfolg. Im Verfahren ging es im Wesentlichen um die Regelung des Aufenthalts des Kindes und damit um eine gerichtliche Anordnung, welchem der Elternteil in welchem Umfang das Aufenthaltsbestimmungsrecht zusteht. Dazu, so das OLG, hat eine doppelte Kindeswohlprüfung stattzufinden.

Zunächst ist zu prüfen, ob die elterliche Sorge überhaupt von den Eltern gemeinsam ausgeübt werden kann (erste Stufe). Wird diese Frage verneint, ist zu klären, welchem Elternteil sie zuzusprechen ist (zweite Stufe).

Die gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge setzt eine gewisse elterliche Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft voraus. Fehlt diese, widerspräche es dem Kindeswohl, wenn die Eltern die elterliche Sorge gemeinsam ausüben. Die elterliche Kooperationsfähigkeit und –bereitschaft ist gegeben, wenn die Eltern in Sorgeangelegenheiten von erheblicher Bedeutung ein Mindestmaß an Übereinstimmung zeigen.

Liegt dagegen eine nachhaltige Einigungsunfähigkeit vor, die sich negativ auf die Entwicklung und das Wohl des Kindes auswirkt, ist die Kooperation nicht gewährleistet. Im zur Entscheidung anstehenden Fall wurden die Kooperationsfähigkeit wie -bereitschaft eindeutig verneint.

Damit stellte sich die Frage, ob dem Vater oder der Mutter die elterliche Sorge zuzusprechen ist. Unter Beachtung der Fragen, bei welchem Elternteil das Kind besser gefördert wird, an wen es die engere Bindung hat, bei wem zu leben dem Kind mehr Kontinuität im Leben verschafft und wie es um den Kindeswillen bestellt ist, übertrug das Gericht das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf die Kindesmutter

Folgerungen aus der Entscheidung

Nach pflichtgemäßem Ermessen überträgt das Gericht die elterliche Sorge und bestimmt den Umfang des Umgangs der Eltern mit seinem Kind bzw. den Kindern. Es kann dabei ein Wechselmodell auch gegen den Willen der Eltern bzw. eines Elternteils anordnen.

Das Wechselmodell ist aber - was das OLG in seiner Entscheidung in einem Nebensatz ausdrücklich festhält – keinesfalls der Regelfall. Da ein unter Beachtung des Kindeswohls sinnvoll gelebtes Wechselmodell von den Beteiligten einen erheblichen Einsatz abverlangt,  ist es eher ausnahmsweise anzuordnen.

Praxishinweis

Im zur Entscheidung anstehenden Fall lagen die Wohnorte der Kindeseltern (nach dem Umzug der Kindesmutter) so weit auseinander, dass das Kind bei einem Wechselmodell verschiedene Betreuungsstätten, Schulen etc. hätte besuchen müssen. Schon das – so das Gericht – hätte im Ergebnis dazu geführt, dass die Anordnung auch dann nicht erfolgt wäre, wenn die Eltern besser miteinander kooperiert hätten bzw. dazu in der Lage gewesen wären.

OLG Bremen, Beschl. v. 16.08.2018 – 4 UF 57/18