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Voraussetzungen eines Nottestaments

Beim Nottestament müssen drei Zeugen bewusst und willentlich Verantwortung für die zutreffende schriftliche Niederlegung des Erblasserwillens übernehmen. Weitere Voraussetzung: Ein Notar kann aufgrund der nahen Todesgefahr nicht mehr hinzugezogen werden. Das Kammergericht Berlin hat in einer Entscheidung die formalen Voraussetzungen des Dreizeugentestaments nach § 2250 BGB erläutert.

Sachverhalt

Die Erblasserin ist ledig und ohne Kinder verstorben. Da die Eltern und die Geschwister ebenfalls kinderlos vorverstorben sind, gibt es nur weitläufige Verwandte. Einer dieser hier beteiligten Verwandten macht geltend, neben weiteren Verwandten gesetzlicher Miterbe geworden zu sein. Die 2013 verstorbene Erblasserin litt an Lungenkrebs. Am Samstag, den 02.11.2013 (25 Tage vor ihrem Todestag) wurde zugunsten der hier ebenfalls Beteiligten ein sogenanntes Nottestament mit folgendem Inhalt errichtet:

„Nottestament für die Patientin …
Hiermit möchte ich … welche sich derzeit in Behandlung im Klinikum … befindet ein Testament aufsetzen, um Frau … als Alleinerbin einsetzen. Die Patientin befindet sich derzeit im schlechten Allgemeinzustand und kann bei körperlicher Schwäche und Blindheit die Unterschrift nicht selbst leisten, weshalb 1 Arzt und eine Pflegefachkraft als Zeugen eingesetzt werden. Die Patientin ist zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung zeitlich, örtlich, zur Person und situativ orientiert. Der Patientin wurde das Testament vor Unterzeichnung vorgelesen.
Unterschrift Zeuge 1, Unterschrift Zeuge 2.“

Nach Einreichen des Testaments beim Nachlassgericht und anwaltlicher Beratung erschien die testamentarisch als Alleinerbin Eingesetzte zusammen mit einem bei der Errichtung des Nottestaments Anwesenden nochmals beim Nachlassgericht. Dieser Zeuge setzte dort folgenden Vermerk auf dem zu diesem Zwecke vom Nachlassgericht ausgehändigten Originaltestament:
„Nachtrag der Unterschrift des 3. Zeugen welcher während des Nottestaments von Frau … anwesend war. Datum, Unterschrift.“

Zudem reichte die Beteiligte eine eidesstattliche Versicherung des Mannes ein, in der dieser bestätigt, dass er sich während des gesamten Vorgangs der Testamentserrichtung am Krankenbett befunden hätte.

Der auf Grundlage des Nottestaments von der Beteiligten beantragte Erbschein wurde vom Nachlassgericht erteilt. Das Nachlassgericht ist der Ansicht, dass das Nottestament den formellen Anforderungen entspricht und die Erblasserin sich auch in Todesgefahr befunden habe. Gegen diesen Beschluss legte der gesetzliche Miterbe Beschwerde ein.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Die statthafte Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Das Testament ist kein formwirksames Dreizeugentestament i.S.d. § 2250 BGB, sondern lediglich ein formunwirksames Zweizeugentestament.

Das Mitwirken eines dritten Zeugen gehört zum Errichtungsakt und ist Formvoraussetzung. Denn die drei Zeugen übernehmen die Beurkundungsfunktion. Das Testament wird vor diesen selbst errichtet und die drei Zeugen übernehmen quasi die Rolle des Notars. Damit müssen alle drei Zeugen das Bewusstsein und den Willen gehabt haben, für den Vorgang als Zeugen mitverantwortlich zu sein.

Hieran fehlte es vorliegend beim dritten Zeugen. Dies ergibt sich aus dem Inhalt des Testaments, den Erklärungen der Beteiligten und der eingereichten eidesstattlichen Versicherung. Der Dritte war demnach zwar bei der Errichtung des Nottestaments anwesend, jedoch war ihm keine für die formwirksame Errichtung notwendige Funktion teilgeworden.

Nicht mehr entscheidungserheblich war damit, dass das Beschwerdegericht zudem noch Zweifel an der notwendigen Todesgefahr i.S.d. § 2250 Abs. 2 BGB hatte.

Folgerungen aus der Entscheidung

Ein Nottestament ist nur formwirksam errichtet, wenn drei Zeugen bewusst und willentlich Verantwortung für die zutreffende schriftliche Niederlegung des Erblasserwillens gehabt haben. Weiterhin ist erforderlich, dass allen drei Zeugen zumindest korrespondierend bewusst sein muss bzw. sie sich darüber sogar mündlich ausgetauscht haben müssen, dass der Erblasser sich angesichts der aktuellen objektiven Sachlage in einer nahen Todesgefahr befindet und die Hinzuziehung eines Notars nicht (mehr) möglich oder erheblich erschwert ist. Die Zeugen müssen davon ausgehen, dass die Errichtung eines Nottestaments notwendig ist, da ansonsten zu befürchten ist, dass der Erblasser vor Eintreffen des Notars oder Bürgermeisters (§ 2249 BGB, Nottestament vor dem Bürgermeister) sterben könnte.

Praxishinweis

Vor der Errichtung eines Nottestaments sollte immer zunächst versucht werden, kurzfristig einen Notar zu erreichen und diesen für die Beurkundung eines Testaments ans Krankenbett einzubestellen.

Nach Ansicht des Kammergerichts soll es in Berlin sogar problemlos möglich sein, auch an einem Samstag einen Notar zu erreichen und zu einer kurzfristigen auswärtigen Beurkundung zu bewegen. Ob dies selbst an einem Samstag tatsächlich so einfach ist, wie dies das Kammergericht in der vorliegenden Entscheidung ausführt, mag bezweifelt werden. Nichts desto trotz sollte die Errichtung eines Nottestament immer die letzte Ausnahmemöglichkeit darstellen.

KG Berlin, Beschl. v. 29.12.2015 – 6 Wx 93/15