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VBL-Startgutschriften und Verfahrensaussetzung

Entscheidungsbesprechung mit Praxishinweis: Die in §§ 78, 79 Abs. 1 Satz 1 VBL-Satzung i.V.m. § 18 Abs. 2 BetrAVG enthaltene Übergangsregelung für rentenferne Versicherte ist unwirksam.

BGH - Beschluss vom 05.11.2008 (XII ZB 53/06)

Verfügt ein den rentenfernen Jahrgängen zugehöriger Ehegatte über ein Anrecht bei der VBL, dessen Ehezeitanteil eine zum 01.01.2002 gutgebrachte Startgutschrift enthält, ist das Verfahren zum Versorgungsausgleich grundsätzlich entsprechend § 148 ZPO bis zu einer Neuregelung der Berechnungsgrundlage auszusetzen (im Anschluss an BGHZ 174, 127 ff.).

Darum geht es:

Die Träger der Zusatzversorgungen des öffentlichen Dienstes haben in ihren Satzungen die Regelungen über die Festlegung des Startguthabens (sogenannte Startgutschrift) des Versicherten zum 01.01.2002 bundeseinheitlich neu geregelt. Enthalten ist eine Übergangsregelung, nach der in jedem Jahr der Pflichtversicherung lediglich 2,25 % der Vollrente erworben werden. Diese Übergangsregelung hat der BGH (grundlegend BGH, Urt. v. 14.11.2007 — IV ZR 74/06, FamRZ 2008, 395 = DRsp Nr. 2007/22795) für die Gruppe der sogenannten rentenfernen Versicherten für unwirksam erklärt. Nun stellt sich die Frage, wie weiter mit diesen Versorgungen, die derzeit nicht bewertet werden können, zu verfahren ist.

Vorliegend haben die Ehegatten folgende Versorgungsanrechte erworben:

Ehemann

Ehefrau

gesetzliche Rentenversicherung/West

- €

109,85 € 

Beamten/Soldatenversorgung

1.595,28 €

1.216,36 € 

Versorgungsanstalt Bund/
Länder (= VBL)

- €

15,76 €

Die Ehefrau zählt zum Kreis der sogenannten rentenfernen Versicherten bei der VBL. Hierzu bestätigt der BGH seine jüngste Rechtsprechung, wonach die bei der VBL erworbenen Anrechte der Ehefrau wegen Verfassungswidrigkeit der Übergangsregelung der Höhe nach nicht abschließend bestimmt werden.

Wesentliche Entscheidungsgründe:

Die Neuregelung der VBL-Satzung sei abzuwarten, eine Durchführung auf Grundlage der erteilten Auskünfte zur VBL scheide aus (a.A. OLG Zweibrücken, Beschl. v. 25.02.2008 - 2 UF 166/07, FamRZ 2008, 1083 = DRsp Nr. 2008/15687). Ob dies auch dann gilt, wenn der Ausgleichsberechtigte bereits Rentenleistungen bezieht oder ein Rentenbezug unmittelbar bevorsteht und er auf den Wertausgleich unter Einbeziehung des VBL-Anrechts angewiesen sei (OLG Nürnberg, Beschl. v. 21.01.2008 — 9 UF 1640/07, FamRZ 2008, 1087 f. = DRsp Nr. 2008/5418), hat der BGH ausdrücklich offengelassen, da ein Rentenbezug der ausgleichsberechtigten Ehefrau nicht abzusehen war.

Das Verfahren sei in entsprechender Anwendung von § 148 ZPO mangels einer anderweitigen Bestimmung auszusetzen. § 53c FGG als Sondervorschrift für die Fälle, in denen unter den Beteiligten Streit über den Bestand oder die Höhe einer Anwartschaft bzw. einer Aussicht auf Versorgung bestehe, greife nicht ein.

Praxishinweis:

Die Startgutschriftenproblematik betrifft allein die rentenfernen Versicherten der Zusatzversorgungen des öffentlichen Dienstes (wobei dies weitaus die Mehrzahl der Fälle betrifft). Betroffen sind Versicherte, die am 01.01.2002 noch keine 55 Lebensjahre alt gewesen sind. Zu den Einzelheiten vgl. Götsche, FamExpress 2009, 12, 14.

Für die übrigen Versicherten hat der BGH dagegen die Satzung und die enthaltenen Übergangsbestimmungen für wirksam erklärt (vgl. zuletzt für die rentennahen Versicherten BGH, Urt. v. 24.09.2008 — IV ZR 134/07, FamRZ 2009, 36 = DRsp Nr. 2008/20018; ferner OLG Saarbrücken, Beschl. v. 19.03.2008 - 9 UF 123/07, FamRZ 2008, 1865 = DRsp Nr. 2008/12727).

Die Frage, auf welcher Norm die Aussetzung beruht, mag nur auf den ersten Blick von untergeordneter Bedeutung sein. Je nach angewandter Norm ergeben sich für das weitere Verfahren unterschiedliche Folgen (Welches Rechtsmittel ist statthaft? Wann ist die Wiederaufnahme möglich?). Der Festlegung auf § 148 ZPO, wie durch den BGH ausgeführt, sollte deshalb gefolgt werden, um spätere Unklarheiten zu vermeiden. Der Praktiker sollte auf entsprechende Klarstellung im Aussetzungsbeschluss hinwirken.