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Unterhaltsansprüche: BGH ändert Rechtsprechung zum Abänderungsverfahren

Ein Herabsetzungsantrag des Unterhaltsschuldners kann nach einem vorangegangenen erfolglosen Antrag des Gläubigers auf Erhöhung des Unterhalts ggf. auch auf solche Tatsachen gestützt werden, die schon im vorherigen Verfahren zu berücksichtigen gewesen wären. Das hat der BGH entschieden und damit seine Rechtsprechung zur Präklusion im unterhaltsrechtlichen Abänderungsverfahren geändert.

Sachverhalt

1997 wurde der geschiedene Ehemann zu Unterhaltszahlungen verurteilt. Auf Abänderungsklage der Ehefrau wurde der laufende Unterhalt 2003 vom OLG Düsseldorf erhöht. In einem weiteren Abänderungsverfahren hat das AG Geldern 2009 den Unterhalt von August 2007 bis Januar 2010 erhöht, für die nachfolgende Zeit wurde die Abänderungsklage der Ehefrau abgewiesen.

Der Ehemann begehrt jetzt die Abänderung des Urteils des OLG Düsseldorf dahingehend, dass er keinen Unterhalt mehr zu zahlen hat. Die Ehefrau wendet Präklusion ein.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Bei mehreren vorausgegangenen (Abänderungs-)Entscheidungen ist auf die im letzten Abänderungsverfahren ergangene Entscheidung abzustellen. Die Zulässigkeit des Abänderungsantrags wegen tatsächlicher Änderungen setzt den Vortrag von grundsätzlich unterhaltsrelevanten Tatsachen voraus, die erst nach Schluss der Tatsachenverhandlung des letzten Verfahrens eingetreten sind.

Erweist sich das Vorbringen des Antragstellers als unrichtig oder ist die sich daraus ergebende Änderung nur unwesentlich, ist der Abänderungsantrag unbegründet.

Ist das Abänderungsverfahren eröffnet, ermöglicht es weder eine freie, von der bisherigen Höhe unabhängige Neufestsetzung des Unterhalts noch eine abweichende Beurteilung derjenigen Verhältnisse, die bereits in der Vorentscheidung eine Bewertung erfahren haben.

Darüber hinaus bleiben auch solche entscheidungserheblichen Umstände unberücksichtigt, die seinerzeit von den Beteiligten nicht vorgetragen oder vom Gericht übersehen wurden. Denn auch eine Korrektur von Fehlern der rechtskräftigen Entscheidung ist im Abänderungsverfahren nicht zulässig.

Wenn also eine Herabsetzung bzw. zeitliche Begrenzung des Ehegattenunterhalts gem. § 1578b BGB bereits im Ausgangsverfahren hätte geltend gemacht werden können, ist ein mit dem gleichen Ziel erhobener Abänderungsantrag bei gleich gebliebenen Verhältnissen wegen § 238 Abs. 2 FamFG regelmäßig bereits unzulässig.

Die Entscheidung, einen Unterhaltsanspruch aus Billigkeitsgründen herabzusetzen oder zu befristen, setzt dabei nicht voraus, dass die hierfür maßgeblichen Umstände bereits eingetreten sind. Soweit die betreffenden Gründe schon im Ausgangsverfahren entstanden oder jedenfalls zuverlässig vorauszusehen waren, mussten sie auch im Ausgangsverfahren berücksichtigt werden.

Die Entscheidung über eine Unterhaltsbegrenzung kann dann im Rahmen eines Abänderungsverfahrens grundsätzlich nicht nachgeholt werden (BGH, Beschl. v. 15.07.2015 – XII ZB 369/14, FamRZ 2015, 1694 Rn. 22 mwN; vgl. BGH BGHZ 183, 197 = FamRZ 2010, 111 Rn. 59 mwN).

Die Präklusion von sogenannten Alttatsachen setzt allerdings voraus, dass die Umstände schon für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens erheblich waren, also bereits im Ausgangsverfahren zu einer abweichenden Entscheidung hätten führen müssen. Eine solche Lage besteht jedoch nicht, wenn der Unterhaltsschuldner im Vorverfahren als Gegner des Abänderungsverlangens hinsichtlich des laufenden Unterhalts voll obsiegt hat, es also auf die weiteren Einwendungen gegen den Unterhaltsanspruch nicht ankam.

Folgerungen aus der Entscheidung

In früheren Entscheidungen hatte der BGH auch eine Präklusion angenommen, wenn der Gegner eines auf Unterhaltserhöhung gerichteten Abänderungsverlangens bereits im Vorverfahren Abänderungswiderklage hätte erheben können, um damit eine gerichtliche Klärung des Unterhalts nach beiden Seiten hin zu erwirken.

Diese Rechtsprechung gibt der BGH auf. Denn die Grenzen der Abänderbarkeit einer gerichtlichen Entscheidung ergeben sich vorwiegend aus deren materieller Rechtskraft. Soweit die begehrte Unterhaltserhöhung oder -herabsetzung nicht Gegenstand des Vorverfahrens gewesen ist, steht die Rechtskraft einem auf den nicht streitgegenständlichen Teil gerichteten Abänderungsantrag grundsätzlich nicht entgegen (vgl. BGH, Beschl. v. 29.05.2013 – XII ZB 374/11, FamRZ 2013, 1215 Rn. 18).

Ist also der vorausgegangene Abänderungsantrag vollständig abgewiesen worden, besagt die Rechtskraft dieser Entscheidung nur, dass ein höherer als der titulierte Unterhaltsanspruch nicht besteht, sodass eine spätere, auch auf unveränderter Tatsachengrundlage beruhende Herabsetzung des Unterhalts dazu nicht im Widerspruch stünde.

Praxishinweis

Die Problematik einer späteren Präklusion stellt sich nicht nur bei der Unterhaltsbegrenzung nach § 1578b BGB, sondern bei allen für die Unterhaltsfestsetzung im Ausgangsverfahren maßgeblichen Gründe, soweit diese schon seinerzeit bestanden oder jedenfalls zuverlässig vorauszusehen waren.

Als relevante Beispiele sind hier eine vorhersehbare Veränderung des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens durch Erreichen des Rentenalters, ein Wegfall von Verbindlichkeiten oder eine Erhöhung von vorrangigen Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern durch Wechsel in eine höhere Altersstufe zu nennen.

Sind diese Änderungen hinsichtlich Zeitpunkt und Höhe sicher vorhersehbar, müssen sie bereits im Ausgangsverfahren vorgetragen werden. Hier liegt ein erhebliches Haftungsrisiko für den im Ausgangsverfahren tätigen Anwalt.

BGH, Beschl. v. 11.04.2018 – XII ZB 121/17