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Sorgerecht: Wie sind Ansprüche der Kinder gegenüber einem Elternteil durchsetzbar?

Sind Eltern gemeinsam sorgeberechtigt, kann ein Elternteil nicht nach § 1628 BGB zur gerichtlichen Durchsetzung eines zivilrechtlichen Anspruchs des Kindes gegen den anderen Elternteil ermächtigt werden. In solchen Fällen muss ein Ergänzungspfleger bestellt werden. Das hat das OLG Celle entschieden. Im Streitfall ging es um einen Anspruch auf Darlehenszinsen gegenüber dem Vater.

Sachverhalt

Die geschiedenen Eltern sind für ihre Kinder gemeinsam sorgeberechtigt. Im Oktober 2012 hat der Vater laut schriftlicher Vereinbarung von seinen Kindern einen Kredit über 20.000 € inklusive 5 % Zinsen erhalten. Die Kindesmutter machte den Anspruch auf Darlehenszinsen im Namen der Kinder geltend.

Das Familiengericht übertrug ihr - nach Anhörung der Kindeseltern und eines bestellten Verfahrensbeistandes – sodann die alleinige Entscheidungsbefugnis über die Durchsetzung des Anspruches. Hiergegen legt der Kindesvater Beschwerde ein.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Die Beschwerde ist begründet, denn das AG hat der Kindesmutter die alleinige Befugnis, über die gerichtliche Durchsetzung der hier gegenständlichen Zinsansprüche gegen den Kindesvater zu entscheiden, zu Unrecht eingeräumt.

Gemeinsam sorgeberechtigte Eltern können bei Streitigkeiten über Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung, die sie gem. § 1687 Satz 1 BGB gemeinsam zu entscheiden haben, eine gerichtliche Entscheidung gem. § 1628 BGB herbeiführen. Hierdurch soll bei Uneinigkeit der Eltern eine zugunsten des Kindeswohls wirkende Entscheidung ermöglicht werden.

Voraussetzung für die gerichtliche Befugnis, in einer einzelnen Angelegenheit eine Verteilung der elterlichen Sorge vorzunehmen, ist jedoch die gemeinsame Entscheidungsbefugnis beider Elternteile in der fraglichen Angelegenheit. Das Gericht soll im vorliegenden Sachverhalt eins der Elternteile als vorrangig auswählen, die konkrete Entscheidung alleine zu treffen.

Eine solche Entscheidungslage ist hier jedoch nicht gegeben, denn die Kindesmutter begehrt die alleinige Entscheidungsbefugnis, um einen behaupteten Anspruch der Kinder gegen den Kindesvater durchzusetzen. Dafür gilt § 1628 BGB nicht.

Zwar begründet die Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf einen Elternteil auch dessen alleinige Vertretungsmacht nach außen (vgl. § 1629 Abs. 1 Satz 3 BGB), sodass die begehrte Alleinvertretungsmacht auch über § 1628 BGB als Reflex der Entscheidungszuständigkeit herbeigeführt werden kann.

Das wiederum setzt aber voraus, dass beide Kindeseltern in einem Rechtsstreit zwischen Kind und einem Elternteil grundsätzlich entscheidungs- und vertretungsbefugt sind, was hier jedoch nicht der Fall ist. Das Gericht kann also keinen Elternteil auswählen, dem die alleinige Vertretungsmacht zugewiesen werden kann.

Angesichts dessen besteht - unabhängig von der Frage des Bestehens des Anspruchs - keine Möglichkeit, die Entscheidungsbefugnis zur Durchsetzung des behaupteten Anspruches auf die Kindesmutter zu übertragen. Der Beschluss des Familiengerichts ist daher aufzuheben und der Antrag insgesamt zurückzuweisen.

Folgerungen aus der Entscheidung

§ 1628 BGB ist auf die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche gegen einen Elternteil im Grundsatz nicht anwendbar; hierfür bedarf es zwingend der Bestellung eines Ergänzungspflegers.

Das Gericht arbeitet darüber hinaus deutlich heraus, dass grundsätzlich die Bestellung eines Ergänzungspflegers erforderlich ist. Denn auch nach § 1629 Abs. 1 Satz 1 BGB vertreten gemeinsam sorgeberechtigte Elternteile die Interessen ihres Kindes gemeinschaftlich. So wird für Rechtsgeschäfte, bei denen ein Vormund von der Vertretung ausgeschlossen wäre, nach § 1629 Abs. 2 BGB die Vertretungsmacht der Eltern bzw. eines Elternteiles verneint.

Dazu gehört auch die gerichtliche Durchsetzung einer Forderung gegen den Vormund, sodass der in Anspruch genommene Elternteil das Kind im Verfahren nicht vertreten kann.
Der Kindesvater wird somit bereits kraft Gesetzes von der Vertretung der Kinder ausgeschlossen, was also zum Ausschluss der von § 1628 BGB geforderten gemeinsamen Entscheidungsbefugnis führt.

Der Ausschluss des Kindesvaters von der Vertretung des Kindes im beabsichtigten Verfahren aufgrund des gemeinsamen Sorgerechts erfasst zeitgleich aber auch die Vertretungsmacht der Kindesmutter. Denn im Falle eines von der gemeinschaftlichen Vertretungsbefugnis nach den §§ 1629 Abs. 2 Satz 1, 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB ausgeschlossen Elternteils erstarkt die zuvor nur gemeinschaftliche Vertretungsmacht des anderen Elternteiles nicht zur Alleinvertretungsmacht.

Vielmehr sind beide Eltern von der Vertretung ausgeschlossen, sodass nach § 1909 Abs. 1 Satz 1 BGB ein Ergänzungspfleger zu bestellen ist.

Außerdem kann die Entscheidungsbefugnis darüber, ob ein Elternteil in Anspruch genommen werden soll, wegen des entstehenden Interessenkonflikts von vorneherein nicht auf den in Anspruch zu nehmenden Elternteil übertragen werden. Wäre nach einer Kindeswohlprüfung die Entscheidungsbefugnis nicht der Mutter sondern dem Vater zu übertragen, müsste diesem entsprechend § 1796 BGB aufgrund seines Interessenkonfliktes nach § 1796 Abs. 2 BGB die elterliche Sorge dafür entzogen werden.

Folge wäre nach § 1680 Abs. 1 und 3 BGB, dass die Alleinsorge des anderen Elternteiles dann entgegen der auf Grundlage der nach § 1628 BGB getroffenen Entscheidung auf diesem Wege einträte.

Vor diesem Hintergrund bedarf es für die Durchsetzung einer Forderung gegen einen sorgeberechtigten Elternteil in jedem Falle der Bestellung eines Ergänzungspflegers, der sowohl über die Durchsetzung als solche zu entscheiden als auch das Kind ggf. im Verfahren zu vertreten hat.

Praxishinweis

Zur Durchsetzung eines möglichen Anspruchs eines Kindes gegen einen sorgeberechtigten Elternteil bedarf es der Bestellung eines Ergänzungspflegers. Durch diese Bestellung werden den sorgeberechtigten Eltern zur Entspannung der streitigen Situation Teile des Sorgerechts entzogen. Der Ergänzungspfleger fungiert als „objektiver Außenstehender“ und ist kraft Amtes zur Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Kindes verpflichtet. Da er ohne Interessenkonflikt agieren kann, sollte die Bestellung als Hilfestellung und Entlastung zur Lösung des aktuellen Problems angesehen werden.

OLG Celle, Beschl. v. 06.07.2018 – 17 UF 64/18