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Schlüsselgewalt: Wann greifen Verträge und Kündigungen für beide Ehepartner?

Ehepartner können Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs mit Wirkung für den anderen Ehegatten tätigen (sog. Schlüsselgewalt). Rechte und Pflichten gelten dann für beide Ehegatten. Auch die Kündigung einer Kfz-Vollkaskoversicherung kann ein solches „Geschäft“ darstellen. Das hat der BGH entschieden. Dabei kommt es insbesondere auf den Bezug zum Familienunterhalt an.

Sachverhalt

Bei der Beklagten bestand eine Haftpflicht- und Vollkaskoversicherung für ein auf den Ehemann der Klägerin zugelassenes Fahrzeug, wobei die Vollkaskoversicherung zum 01.01.2015 schriftlich vom Ehemann am 22.12.2014 gekündigt wurde. Im Januar 2015 wurde das Fahrzeug bei einem selbst verschuldeten Unfall erheblich beschädigt.

Die Klägerin widerrief die Kündigung mit Schreiben vom 14.01.2016 und nimmt die Beklagte auf Leistung aus dem Vollkaskoversicherungsvertrag in Anspruch. Sowohl die Klage als auch die Berufung wurden unter Bezugnahme abgewiesen; die zugelassene Revision ist nicht erfolgreich.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Das OLG hat zu Recht erkannt, dass der Ehemann die Vollkaskoversicherung gem. § 1357 Abs. 1 BGB auch mit Wirkung für die Klägerin wirksam gekündigt hat. Damit die Kündigung der Vollkaskoversicherung in den Anwendungsbereich des § 1357 BGB fällt, muss deren Abschluss ein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie i.S.v. § 1357 Abs. 1 Satz 1 BGB sein.

Danach ist jeder Ehegatte berechtigt, Geschäfte zur angemessenen Deckung des familiären Lebensbedarfs auch mit Wirkung für den anderen Ehegatten zu besorgen. Versicherungsverträge können nicht pauschal aus dem Anwendungsbereich des § 1357 BGB herausgenommen werden. Entscheidend bleibt der Bezug des in Rede stehenden Geschäfts zum Lebensbedarf der jeweiligen Familie.

Der Abschluss einer Vollkaskoversicherung kann der Vorschrift unterfallen, wenn ein ausreichender Bezug zum Familienunterhalt bejaht wird. Anerkannt ist, dass je nach Vermögens- und Einkommensverhältnissen der Ehegatten auch Aufwendungen zu Anschaffung und Betrieb eines Pkw oder die Kfz-Haftpflichtversicherung zum angemessenen Familienunterhalt gehören können wie auch die Reparatur des von der Familie genutzten Pkw und Verträge zu dessen Unterhaltung der Vorschrift unterfallen.

Der Pkw ist das einzige Fahrzeug der fünfköpfigen Familie, dessen monatlicher Versicherungsbeitrag von 144,90 € sich bezogen auf die Bedarfsdeckung in einem angemessenen finanziellen Rahmen der Familie bewegte, weshalb eine vorherige Verständigung der Ehegatten über deren Abschluss nicht nötig war.

Auch die Kündigung der Vollkaskoversicherung ist nach dem OLG vom § 1357 Abs. 1 BGB umfasst. Nach überwiegender Ansicht führt § 1357 Abs. 1 BGB zu Mitverpflichtung und -berechtigung des jeweils anderen Ehegatten. Die Mitverpflichtung zieht eine gesamtschuldnerische Haftung der Eheleute nach sich, die Mitberechtigung begründet deren Stellung als Gesamtgläubiger.

So wie es Eheleuten ermöglicht wird, für und gegen ihre jeweiligen Partner Rechte und Pflichten zu begründen, muss es ihnen spiegelbildlich erlaubt sein, sich hiervon auch mit Wirkung für und gegen den anderen zu lösen.

Dies gilt unabhängig davon, ob der das Gestaltungsrecht ausübende Ehegatte auch derjenige gewesen ist, der die eingegangene Verpflichtung über § 1357 Abs. 1 BGB ursprünglich begründet hat.

Das OLG ist zu Recht von einer wirksamen Kündigung der Versicherung ausgegangen – mit Wirkung auch für die Klägerin. Ferner konnte die Klägerin die durch ihren Ehemann ausgesprochene Kündigung nicht wirksam widerrufen. Sie hat als rechtsgestaltende empfangsbedürftige Willenserklärung die Beendigung des Versicherungsverhältnisses zum vertraglich vereinbarten Zeitpunkt zur Folge; einseitige Rücknahme oder Widerruf ist nicht möglich.

Folgerungen aus der Entscheidung

In Bestätigung der Urteile der Vorinstanzen hat der Senat entschieden, dass § 1357 BGB auch für die Kündigung einer Vollkaskoversicherung gelten kann. Denn danach ist jeder Ehegatte berechtigt, Geschäfte zur angemessenen Deckung des familiären Lebensbedarfs mit Wirkung auch für den anderen Ehegatten zu besorgen. Das auf den Ehemann zugelassene Fahrzeug ist das einzige Fahrzeug in der Familie; die vertraglich anfallenden Beiträge von knapp 145 € monatlich sind im Rahmen und bezogen auf dem Familienunterhalt tragbar.

Daher war auch bei Abschluss des Versicherungsvertrags im Vorfeld keine Abstimmung der Ehegatten notwendig. Die Klägerin konnte die durch ihren Ehemann ausgesprochene Kündigung nicht wirksam widerrufen; sie hat als rechtsgestaltende empfangsbedürftige Willenserklärung das Versicherungsverhältnis zum Jahresende beendet. Eine einseitige Rücknahme oder ihr Widerruf ist nicht möglich.

Praxishinweis 

Jeder Ehegatte ist berechtigt, Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie zu tätigen – auch mit Wirkung für den anderen Ehegatten. Für den Abschluss eines Vertrages, der sich ebenfalls in diesem Rahmen bewegt, ist die Abstimmung mit dem anderen Ehepartner im Vorfeld nicht erforderlich.

BGH, Beschl. v. 28.02.2018 – XII ZR 94/17