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Prozesskostenhilfe für Prozesskostenhilfe-Verfahren

Urteilsanmerkung mit Praxishinweis: Im Falle eines Vergleichs im Erörterungstermin gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO kann PKH nur für den Vergleich selbst und nicht für das gesamte PKH-Verfahren bewilligt werden.

OLG Hamm - Beschluss vom 03.07.2008 (10 WF 77/08)

Parteien schließen des öfteren noch während des PKH-Prüfungsverfahrens einen Vergleich, durch den Sie den bevorstehenden Rechtsstreit ganz oder teilweise erledigen. Das Gesetz setzt die Möglichkeit eines solchen Vergleichs im Erörterungstermin in § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO voraus. Hinsichtlich des erledigten Teils bzw. des geschlossenen (Teil-)Vergleichs stellt sich dann die Frage, ob insoweit Prozesskostenhilfe gewährt werden kann.

Der Bewilligung steht im Grundsatz entgegen, dass
•nach Verfahrensbeendigung eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe regelmäßig nicht mehr in Betracht kommt und
•dass Prozesskostenhilfe für das Prozesskostenhilfe-Bewilligungsverfahren nicht bewilligt werden kann.

Darum geht es:

Die Parteien streiten um die Abänderung eines Titels über Trennungsunterhalt. Beide Parteien haben für ihre Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung Prozesskostenhilfe beantragt. Im Prozesskostenhilfe-Prüfungsverfahren haben die Parteien einen Vergleich geschlossen und das Verfahren insgesamt für erledigt erklärt. Vor Abschluss des Vergleichs hat das Amtsgericht beiden Parteien Prozesskostenhilfe für den Abschluss dieses Vergleichs bewilligt. Dagegen richtete sich die sofortige Beschwerde des Klägers, der die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht nur für den Vergleich, sondern für das gesamte Prozesskostenhilfe-Verfahren begehrt.
Das OLG hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

Wesentliche Entscheidungsgründe:

Das OLG begründet seine Entscheidung unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BGH (Beschl. v. 08.06.2004 - VI ZB 49/03, FamRZ 2004, 1708, 1709). Danach kann im Falle eines Vergleichs im Erörterungstermin gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO nur für den Vergleich selbst und nicht für das gesamte PKH-Verfahren, für das grundsätzlich keine Prozesskostenhilfe in Betracht komme, Prozesskostenhilfe bewilligt werden. Prozesskostenhilfe solle es nach ihrem Sinn und Zweck der minderbemittelten Partei ermöglichen, ihr Recht vor Gericht zu verfolgen oder sich in einem Rechtsstreit zu verteidigen. Sie diene nicht dazu, eine Partei für ihre Vergleichsbereitschaft mit einem Kostenerstattungsanspruch "zu belohnen".

Anmerkung von Richter am OLG Frank Götsche:

Grundsatz:

Keine Prozesskostenhilfe für das Prozesskostenhilfe-Verfahren selbst
Nach allgemeiner Ansicht kommt eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Prozesskostenhilfe-Bewilligungsverfahren in aller Regel nicht in Betracht. § 114 Satz 1 ZPO spricht von den Kosten der Prozessführung und setzt damit ein beabsichtigtes oder bereits eingeleitetes gerichtliches Hauptsacheverfahren voraus. Das Bewilligungsverfahren der Prozesskostenhilfe stellt im Verhältnis lediglich ein Vorverfahren dar.
Es kann auch nicht für eine sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung der beantragten Prozesskostenhilfe (§ 127 Abs. 2, Abs. 3 ZPO) Prozesskostenhilfe gewährt werden. Wenn für die Hauptsache (das PKH-Bewilligungsverfahren) keine Prozesskostenhilfe gewährt werden kann, dann auch nicht für das Rechtsmittelverfahren.

Ausnahme:

Prozesskostenhilfe bei Vergleichsabschluss während des PKH-Bewilligungsverfahrens
Schließen die Parteien während der Prüfung gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO einen Vergleich, kommt nach allgemeiner Ansicht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe in Betracht.

Umstritten ist der Umfang der zu gewährenden Prozesskostenhilfe:

•nach der wohl h. M. ist dann für diesen Vergleich – aber auch nur für diesen – Prozesskostenhilfe zu gewähren (BGH, Beschl. v. 08.06.2004 - VI ZB 49/03 - FamRZ 2004, 1708; OLG Hamm in der hiesigen Entscheidung).
•nach einer starken Gegenauffassung (OLG Zweibrücken, Beschl. v. 05.11.2007 - 2 WF 165/07, OLGR 2008, 534; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 28.11.2007 - 18 WF 289/07 - FamRZ 2008, 1354; OLG Braunschweig, Beschl. v. 28.03.2006 - 1 WF 74/06 - FamRZ 2006, 961) ist in diesem Fall sogar für das gesamte Prüfungsverfahren Prozesskostenhilfe zu gewähren, soweit schwierige Rechts- und Tatsachenfragen erörtert worden sind (noch weiter gehend Fischer, MDR 2008, 477 f.).

Für die Gegenauffassung spricht, dass bei nicht vollständiger Bewilligung die Parteien vielfach mit ihrer Einigung bis zum Hauptsacheverfahren warten würden. Bei Abschluss eines Vergleichs erst im Hauptsacheverfahren sind die Gebühren aus dem vorangegangenen Prozesskostenhilfe-Verfahren auf die vollen Gebühren gemäß §§ 15 Abs. 2, 16 Nr. 2 RVG) anzurechnen und nunmehr von der Staatskasse zu zahlen. Dies liefe der Beschleunigung des Verfahrens, der beabsichtigten Kostendämpfung und damit dem Sinn und Zweck des Verfahrens nach § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO zuwider.

Dieser Argumentation setzt der BGH aber entgegen, dass die mittellose Partei nicht sicher sein könne, ob der im Prozesskostenhilfe-Verfahren in Aussicht genommene Vergleich später noch zu Stande komme. Zudem trage sie im Falle des Unterliegens oder Teilunterliegens im Hauptsacheverfahren das Kostenrisiko hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Gegenseite, da § 122 Abs. 1 Nr. 2 nur von der Verpflichtung zur Tragung der Prozesskosten und § 122 Abs. 1 Nr. 3 nur von der Verpflichtung zur Tragung der eigenen Rechtsanwaltskosten befreit.

Praxishinweis: Folgerungen für Ihre Beratung

Die Parteien sollten im Erörterungstermin (§ 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO) vor Vergleichsabschluss die Auffassung des Gerichts zum Umfang einer Prozesskostenhilfe-Bewilligung erfragen. Zumindest für den Vergleichsabschluss selbst ist Prozesskostenhilfe durch das Gericht zu gewähren. Natürlich setzt auch dies voraus, dass die übrigen Voraussetzungen eines erfolgreichen Prozesskostenhilfe-Antrags  (Erfolgsaussichten, Bedürftigkeit, keine Mutwilligkeit) vorliegen.

Im Übrigen sollte bedacht werden, dass
•der Rechtsanwalt seine Partei darüber aufklären muss, dass auch im Prozesskostenhilfe-Verfahren Rechtsanwaltskosten entstehen; anderenfalls scheidet die Kostenfestsetzung aus (vgl. nur HK-FamR/Nickel, 2008, § 114 ZPO Rn. 7 m.w.N. in Fn. 9)
•Vergleiche nach § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO ohne Beachtung des Rechtsanwaltszwangs wirksam geschlossen werden können (OLG Zweibrücken, Beschl. v. 15.02.1994 - 5 WF 78/93 - FamRZ 1994, 1399, 1400), wohingegen im Hauptsacheverfahren ein bestehender Anwaltszwang berücksichtigt werden muss
•für einen während des Verfahrenskostenhilfe-Prüfungsverfahrens außergerichtlich (also nicht gem. § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO) geschlossenen Vergleich keine Verfahrenskostenhilfe gewährt werden kann.

Weiterführende Informationen zu diesem Thema in rechtsportal.de:

•Bibliothek, Prüfschemata, Familienrecht per Mausklick, "PKH schon für das PKH-Prüfungsverfahren?"