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Nachehelicher Krankheitsunterhalt (§ 1572 BGB)

Urteilsbesprechung mit Praxishinweis: OLG Celle zur Befristung eines nachehelichen Unterhaltsanspruchs wegen Krankheit.

OLG Celle - Urteil vom 28.05.2008 (15 UF 277/07)

Die Entscheidung setzt sich mit der Frage auseinander, unter welchen Voraussetzungen ein nachehelicher Unterhaltsanspruch wegen Krankheit nach dem seit 01.01.2008 geltenden § 1578b BGB befristet werden kann.

Darum geht es:

Die am 13.09.1991 geschlossene Ehe der Parteien, aus der ein am 08.01.1991 geborener Sohn hervorgegangen ist, wurde durch rechtskräftiges Urteil vom 06.11.1996 geschieden. Im Scheidungstermin hatte der Ehemann sich vergleichsweise zur Zahlung nachehelichen Unterhalts in Höhe von 720,41 € verpflichtet. In einem Vergleich vom 19.01.2000 hatten die Parteien den nachehelichen Unterhalt auf 498,00 € reduziert. Spätestens seit der gemeinsame Sohn der Parteien das 15. Lebensjahr vollendet hatte und nach der alten Rechtslage ein Betreuungsunterhaltsanspruch nach § 1570 BGB nicht mehr bestand, war die Ehefrau aufgrund verschiedener Erkrankungen nur noch teilweise erwerbsfähig. Für die Zeit bis zum 31.12.2007 verblieb es im Ergebnis bei dem titulierten Unterhalt. Aufgrund des zum 01.01.2008 in Kraft getretenen Gesetzes zur Änderung des Unterhaltsrechts hat das OLG Celle den nachehelichen Unterhaltsanspruch der Ehefrau bis zum 31.12.2010 befristet.

Wesentliche Entscheidungsgründe:

Bedeutung der Entscheidung für die anwaltliche Praxis

Die Entscheidung ist wegen der ausführlichen Billigkeitsabwägung zu der Befristung eines nachehelichen Krankheitsunterhaltsanspruchs sehr lesenswert. Deutlich wird dabei nicht nur, dass in Zukunft Unterhaltsprozesse aufwendiger werden, sondern auch dass gerade bei der Befristung eines nachehelichen Krankheitsunterhaltsanspruchs die Billigkeitsabwägung sehr schwierig ist.In diesen Fällen wird das Spannungsverhältnis zwischen einer fortwirkenden Verantwortung der Ehegatten füreinander und dem Grundsatz der Eigenverantwortung besonders deutlich.

Ehebedingte Nachteile beim Krankheitsunterhalt

Weiter wird die Abwägung in diesen Fällen dadurch erschwert, dass nach § 1578b BGB insbesondere ehebedingte Nachteile für die Dauer einer Befristung ausschlaggebend sein sollen. Beim Krankheitsunterhalt kommt man mit ehebedingten Nachteilen jedoch meist nicht sehr weit bei der Abwägung. Denn es ist allgemein anerkannt, dass die eine Erwerbstätigkeit ursächlich ausschließende Krankheit zu den jeweiligen Einsatzzeitpunkten des Unterhaltsanspruchs zwar bestehen muss, sie muss aber nicht zwingend ehebedingt sein.

Grund für den nachehelichen Krankheitsanspruch

Erschwert wird die Abwägung in diesen Fällen ferner dadurch, dass ein Grund für einen nachehelichen Krankheitsunterhaltsanspruch nicht klar definiert ist. Soweit auf eine nachwirkende eheliche Pflicht, eine fortwirkende personale Verantwortung oder eine fortbestehende nacheheliche Pflicht verwiesen wird, führt das OLG Celle zutreffend aus, dass diese Erwägungen nicht praktikabel sind, da daraus weder die Voraussetzungen eines nachehelichen Unterhaltsanspruchs noch dessen Umfang abgeleitet werden können. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber durch die Befristungsmöglichkeit eines Unterhaltsanspruchs wegen Krankheit bewusst in Kauf genommen, dass die aus diesen Gründen resultierende Bedürftigkeit eines Ehegatten im Zweifel durch sozialstaatliche Leistungen von der Allgemeinheit getragen werden muss.

Anmerkung:

Auch wenn in dem entschiedenen Fall die Befristung des nachehelichen Unterhaltsanspruches bis zum 31.12.2010 nachvollziehbar begründet ist, hätte genauso gut eine Befristung bis zum 31.12.2009 oder 2011 begründet werden können. Darüber hinaus wird bei einer Ehedauer von rund fünf Jahren die „nacheheliche Solidarität“ durch einen rund 14 Jahre dauernden nachehelichen Unterhaltsanspruch schon überstrapaziert. Die Entscheidung ist daher auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass erst seit dem 01.01.2008 eine Befristung eines nachehelichen Unterhalts wegen Krankheit möglich ist.

Diese Ausführungen verdeutlichen, dass in Zukunft die anwaltliche Beratung schon aufgrund der notwendigen Ermittlung des Sachverhalts aufwendiger werden wird. Hinzu kommt, dass Billigkeitsabwägungen wie nach § 1578b BGB nur bedingt im Rahmen einer Revision überprüfbar sind. Eine einheitliche Rechtsprechung wird beim Umfang der Befristung daher kaum erreichbar sein. Es wird vielmehr meist auf den Einzelfall ankommen.

Praxistipp:

Bei allen nachehelichen Unterhaltsansprüchen ist von Anfang an auch an eine Befristung zu denken. Auch insoweit ist der Sachverhalt mit den Mandanten umfassend zu klären, d.h. es sind alle Tatsachen zu ermitteln, die für die Billigkeitsabwägung erforderlich sein könnten.
Dies sind insbesondere:
• Dauer der Ehe
• Ausbildung und Erwerbstätigkeiten der Ehegatten, wie diese sich tatsächlich gestaltet haben und wie diese sich ohne die Ehe gestaltet hätten
• Aufteilung der Erwerbstätigkeit, Kinderbetreuung und Haushaltsführung in der Ehe
• Kinderbetreuung nach der Trennung
• Art und Grund einer Erkrankung
• Höhe der jeweiligen Einkommen
• Erwerbsmöglichkeiten der Ehegatten im Hinblick auf ihr Alter und ihren Lebenslauf

Weiterführende Informationen zu diesem Thema in rechtsportal.de:

• Bibliothek, Lexika, Lexikon des Unterhaltsrechts, „Zeitliche Begrenzung von Ehegattenunterhalt"