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Kommission schlägt klarere güterrechtliche Regelung für die 16 Mio. internationalen Paare in Europa vor

Wer bekommt bei einer Scheidung das Haus, wenn die Ehegatten nicht dieselbe Staatsangehörigkeit haben? Was passiert mit einem gemeinsamen Bankkonto, wenn der Ehegatte stirbt? Wie sind diese Dinge geregelt, wenn beide Ehegatten zwar die gleiche Staatsangehörigkeit haben, aber über Eigentum oder ein Bankkonto im Ausland verfügen? In Europa leben rund 16 Mio. internationale Paare. Jedes Jahr sind mindestens 650 000 von ihnen mit Fragen dieser Art konfrontiert, wenn ihre Ehe oder Partnerschaft endet.

Vorschläge der Europäischen Kommission

Herausfinden zu müssen, welches Recht anwendbar und welches Gericht zuständig ist, kostet Bürger viel Zeit und Geld. Die Unterschiede in den Rechtsordnungen der 27 EU-Mitgliedstaaten verleiten außerdem zum sogenannten „Forum shopping“ oder zum „Wettlauf zu den Gerichten“. Davon spricht man, wenn beispielsweise ein (in der Regel der wohlhabendere) Ehepartner versucht, dem anderen mit einer Klage zuvorzukommen, und zwar bei dem Gericht, von dem er sich eine für ihn günstigere Regelung erwartet. Die Europäische Kommission schlägt jetzt eine EU-weit gültige, klare güterrechtliche Regelung für Ehen und eingetragene Partnerschaften mit internationalem Bezug vor. Die beiden vorgeschlagenen Verordnungen sollen klären helfen, welches Recht auf den Güterstand des Paares anzuwenden und welches Gericht zuständig ist. Darüber hinaus sehen die Verordnungen ein in allen EU-Mitgliedstaaten einheitliches Verfahren zur Anerkennung und Vollstreckung von güterrechtlichen Entscheidungen vor. Die Vorschläge sind die ersten Folgemaßnahmen des Berichts der Kommission über die Unionsbürgerschaft vom Oktober 2010 ( IP/10/1390 und MEMO/10/525), in dem 25 konkrete Hindernisse aufgezählt wurden, auf die Europäer nach wie vor in ihrem Alltag stoßen. Die heute vorgelegten Vorschläge sind der logische nächste Schritt nach der raschen Einigung im letzten Jahr über die EU-Verordnung zur Bestimmung des auf Scheidungen internationaler Ehen anwendbaren Rechts (IP/10/347 und MEMO/10/695).

Klare Regeln

Die Bürger erwarten Regeln, die klar festlegen, welches Gericht für ihre Angelegenheiten zuständig ist und welches Recht auf ihre Vermögensverhältnisse anwendbar ist. Mit den heutigen Vorschlägen möchte die Kommission internationalen Paaren im Alltag Rechtssicherheit geben. Nachdem die neuen EU-Vorschriften, die internationalen Ehepaaren die Wahl des auf ihre Scheidung anzuwendenden Rechts überlassen, im letzten Jahr angenommen wurden, besteht der nächste Schritt in einer klaren Regelung der vermögensrechtlichen Verhältnisse internationaler Paare.

Die Kommission legt zwei getrennte Verordnungsvorschläge zum Güterrecht internationaler Paare vor: einen für verheiratete Paare und einen für eingetragene Partnerschaften. Die Ehe ist ein Rechtsinstitut, das in allen 27 EU-Mitgliedstaaten anerkannt ist. Fünf Länder kennen sowohl die heterosexuelle als auch die gleichgeschlechtliche Ehe (die Niederlande seit 2001, Belgien seit 2003, Spanien seit 2005, Schweden seit 2009 und Portugal seit 2010). Das Rechtsinstitut der eingetragenen Partnerschaft ist relativ neu. Es ist in 14 EU-Mitgliedstaaten geregelt (Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Irland, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Schweden1, Slowenien, Tschechische Republik, Ungarn und Vereinigtes Königreich). Während alle 14 Länder gleichgeschlechtlichen Paaren die Eintragung ihrer Partnerschaft ermöglichen, können heterosexuelle Paare ihre Partnerschaft nur in Belgien, Frankreich, Luxemburg und den Niederlanden eintragen lassen.

Beide heute vorgelegte Vorschläge sind in Bezug auf das Geschlecht und die sexuelle Ausrichtung neutral. So wird beispielsweise eine nach portugiesischem Recht geschlossene gleichgeschlechtliche Ehe im Vorschlag über das Ehegüterrecht genauso behandelt wie eine heterosexuelle Ehe. Ebenso gilt die eingetragene Partnerschaften betreffende Verordnung auch für heterosexuelle Partnerschaften, die in Frankreich eingetragen wurden, was dort unter den gleichen Bedingungen möglich ist wie für gleichgeschlechtliche Partnerschaften.

Erleichterung güterrechtlicher Fragen

Die beiden Vorschläge bewirken weder eine Harmonisierung des materiellen Eherechts der Mitgliedstaaten oder ihrer Vorschriften über eingetragene Partnerschaften noch deren Änderung. Vielmehr sollen sie Paaren, die in einen anderen EU-Mitgliedstaat umziehen oder die aus unterschiedlichen Ländern kommen und im Ausland Vermögenswerte besitzen, die Regelung güterrechtlicher Fragen erleichtern.

Die Kommission wird mit ihren Vorschlägen

  • internationalen Ehepaaren die Wahl des Rechts ermöglichen, das beim Tod eines Ehepartners oder bei der Scheidung auf ihr gemeinsames Vermögen angewandt werden soll;
  • die Rechtssicherheit eingetragener Partnerschaften mit internationaler Dimension verbessern, indem festgelegt wird, dass auf das Vermögen dieser Partnerschaften grundsätzlich das Recht des Landes anzuwenden ist, in dem die Partnerschaft eingetragen wurde;
  • internationalen Paaren (ob verheiratet oder in einer eingetragenen Partnerschaft lebend) durch ein kohärentes Regelwerk Rechtssicherheit bieten; darin sind objektive Anknüpfungspunkte vorgegeben, nach denen sich bestimmt, welches Gericht zuständig ist und welches Recht anzuwenden ist;
  • durch die Vereinfachung der Verfahren zur EU-weiten Anerkennung von Urteilen, Entscheidungen und Urkunden für mehr Planungssicherheit für internationale Paare sorgen. Das erspart ihnen Zeit und Geld – durchschnittlich 2 000 bis 3 000 Euro, weil verschiedene Gerichtsverfahren zu einem Verfahren zusammenfasst werden können. So können in Scheidungs  oder Trennungsverfahren vor dem gleichen Gericht gleichzeitig auch Vermögensansprüche geregelt werden.

Hintergrund

Immer mehr Europäer leben in einem anderen Land als ihrem Heimatland. Somit steigt auch die Zahl internationaler Paare, die in der EU inzwischen 16 Mio. beträgt. Von den 2,4 Mio. Ehen, die 2007 geschlossen wurden, hatten 13 % (310 000) eine internationale Dimension. Bei den eingetragenen Partnerschaften ist die Situation ähnlich: 41 000 der 211 000 Partnerschaften, die 2007 in der EU eingetragen wurden, hatten eine internationale Komponente.

Viele dieser internationalen Paare besitzen Vermögen – beispielsweise Immobilien oder ein Bankkonto – in mehr als einem Land. Diese Paare sind mit einer unsicheren Rechtslage und Zusatzkosten konfrontiert, wenn sie bei einer Scheidung, einer Trennung ohne Beendigung des Ehebands oder nach dem Tod des Partners dieses Vermögen aufteilen müssen. Bisher war es für internationale Paare alles andere als einfach herauszufinden, welche Gerichte für ihre Angelegenheiten zuständig sind und welches Recht für ihre Lebens- und Vermögensverhältnisse gilt. Die Regeln sind von Land zu Land sehr unterschiedlich und kollidieren. Parallelverfahren in verschiedenen Ländern, komplexe Verfahren und die damit verbundenen Kosten werden auf 1,1 Mrd. € im Jahr geschätzt. Mit den beiden heute vorgelegten Vorschlägen ließen sich ein Drittel dieser Kosten einsparen. Für deren Annahme bedarf es der einstimmigen Zustimmung des Ministerrats nach Anhörung des Europäischen Parlaments.