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Kindeswohl vor Sorgerecht

Ausländische Sorgerechtsentscheidungen müssen entsprechend dem Europäischen Sorgerechtsübereinkommen von deutschen Gerichten grundsätzlich respektiert werden. Das gilt jedoch nicht, wenn das Kindeswohl gefährdet ist.

VG Berlin, Urt. v. 01.09.2009 - VG 21 K 126.09 V

Darum geht es:

Die fünf Kinder eines türkischen Ehepaares lebten bei der Mutter in der Türkei. Das Paar war durch eine so genannte „Imam-Ehe“ verheiratet, die Mutter hatte das alleinige Sorgerecht. Nach seinem Umzug nach Deutschland 2001 heiratete der Vater eine 14 Jahre ältere Frau und erhielt so das hiesige Aufenthaltsrecht. Bei einem türkischen Gericht erwirkte er dann das Sorgerecht für seine Kinder.
Die Richter des Verwaltungsgerichts Berlin erklärten die Weigerung der deutschen Botschaft in Ankara, Visa für die Kinder auszustellen, für gerechtfertigt.

Wesentliche Entscheidungsgründe:

Sorgerechtsentscheidungen anderer Länder müssten zwar nach dem Europäischen Sorgerechtsübereinkommen – das zwischen Deutschland und der Türkei angewendet werde – grundsätzlich anerkannt werden. Das gelte jedoch nicht, wenn wie im vorliegenden Fall das Kindeswohl gefährdet sei.
Das türkische Gericht habe weder begründet, warum die Mutter nicht mehr für ihre Kinder sorgen könne, noch warum der Vater dazu besser geeignet sei. Dies sei ohnehin kaum nachzuvollziehen, da der Vater Vollzeit arbeite und mit seinen Kindern so gut wie keinen Kontakt habe, seit er in Deutschland lebe. Der Vater sei zwar finanziell besser gestellt als die Mutter, aber er könne den Unterhalt schließlich weiter in die Türkei überweisen. Deswegen bräuchten die Kinder nicht aus ihrer gewohnten Umgebung herausgerissen zu werden.