Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0

Kindesunterhalt beim Wechselmodell und Beschwerderecht

Praktizieren die Eltern bei der Betreuung ihres Kindes ein echtes Wechselmodell, steht keinem Elternteil gegen die Anordnung der Ergänzungspflegschaft zur Geltendmachung von Kindesunterhalt ein Beschwerderecht zu. Das hat das OLG Hamm entschieden. Das paritätische Wechselmodell hat insoweit zur Folge, dass keiner der Eltern Kindesunterhaltsansprüche gegen den anderen geltend machen kann.

Sachverhalt

Die Eheleute leben getrennt. Die zwei ehelichen Söhne betreuen sie in einem paritätischen Wechselmodell. Die Antragstellerin macht Kindesunterhalt geltend und hat beantragt, den Kindern einen Ergänzungspfleger zu bestellen. Das AG hat für den Aufgabenkreis „Geltendmachung von Kindesunterhalt“ eine Ergänzungspflegschaft angeordnet.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Das OLG Hamm hat die Beschwerde des Antragsgegners als unzulässig zurückgewiesen. Zwar steht den sorgeberechtigten Eltern gegen die Anordnung der Ergänzungspflegschaft grundsätzlich ein eigenes Beschwerderecht zu, weil dadurch in ihr Sorgerecht eingegriffen wird. Im konkreten Fall üben jedoch die Eltern das paritätische Wechselmodell aus. Daher steht dem Antragsgegner als Vater hier ohnehin nicht das Recht zu, die Kinder nach § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB zu vertreten.

Jetzt gratis anfordern

Denn beim Wechselmodell fehlt es verfahrensrechtlich an einer „Obhut“ i.S.v. § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB . Dies hat zur Folge, dass keiner der Eltern Kindesunterhaltsansprüche gegen den anderen geltend machen kann (vgl. u.a.: BGH BGH, Urt. v. 21.12.2005, XII ZR 126/03, FamRZ 2006, 1015). Folglich greift die erfolgte Anordnung der Ergänzungspflegschaft nicht in eine Rechtsposition des Antragsgegners ein.

Folgerungen aus der Entscheidung

Liegt dagegen kein echtes Wechselmodell vor, kann das Kind wirksam durch den betreuenden Elternteil nach § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB  vertreten werden. In diesem Fall liegen die Voraussetzungen für die Anordnung der Ergänzungspflegschaft zur Vertretung der Kinder im Unterhaltsverfahren nach den §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1795 Abs. 1 Ziffer 3, 1909 BGB  nicht vor. Gegen die unzulässige Bestellung eines Ergänzungspflegers kann der betreuende Elternteil Beschwerde einlegen (vgl. OLG Köln, Beschl. v. 23.05.2016, II-10 UF 5/16).

Die Konsequenz ist, dass die streitige Frage, ob ein echtes paritätisches Wechselmodell vorliegt oder lediglich ein Residenzmodell mit erweitertem Umgang, im Verfahren zur Bestellung des Ergänzungspflegers entschieden wird.

Beim echten Wechselmodell kann der Elternteil, der Barunterhaltsansprüche des Kindes gegen den anderen Elternteil gerichtlich geltend machen will, auch einen Antrag nach § 1628 BGB stellen, ihm alleine die Entscheidung über die Geltendmachung von Kindesunterhalt zu übertragen (OLG Frankfurt/Main, Beschl. v. 17.10.2016, 6 UF 242/16). Das Wahlrecht zwischen diesen beiden Möglichkeiten ist nicht durch besondere Kautelen eingeschränkt (OLG Hamburg Beschl. v. 27.10.2014, 7 UF 124/14, NZFam 2015, 31,32 unter Hinweis auf BGH Urt. v. 21.12.2005, XII ZR 126/03, NJW 2006, 2258 ff.). Dagegen gehen Götz, FF 2015, 146, 149, Seiler, FamRZ 2015, 1845, 1850, Seiler FF 2017, 117,118 davon aus, dass zur Vermeidung von Interessenkonflikten immer ein Ergänzungspfleger einzusetzen sei.

Praxishinweis

Die Rechtsprechung geht allerdings nur dann von einem echten Wechselmodell bei vollständig gleichwertigen Betreuungsanteilen der Eltern aus (BGH, Urt. v. 12.03.2014, XII ZB 234/13; OLG Frankfurt Beschl. v. 03.04.2013, 2 UF 394/12).

Hierzu müssen die Elternteile nicht nur annähernd gleichwertige zeitliche Anteile an der Betreuung haben, es muss auch die Verantwortung für die Sicherstellung einer Betreuung gleichermaßen bei beiden Eltern liegen. Dabei kommt der zeitlichen Komponente lediglich eine Indizwirkung zu (BGH Urt. v. 21.12.2005, XII ZR 126/03; BGH Urt. v. 28.02.2007, XII ZR 161/04).

Relevant sind auch bedeutsame organisatorische Aufgaben der Kindesbetreuung wie die Beschaffung von Kleidung und Schulutensilien sowie die Regelung der Teilnahme an außerschulischen Aktivitäten wie Sport- oder Musikunterricht (vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 18.08.2014, 18 WF 277/13; OLG Frankfurt, Beschl. v. 06.03.2013, 2 UF 394/12 bestätigt vom BGH, Beschl. v. 12.03.2014, XII ZB 234/13; OLG Köln, Beschl. v. 23.05.2016, 10 UF 5/16; OLG Nürnberg, Beschl v. 20.12.2016, 11 UF 673/16).

Behauptet ein Elternteil im gerichtlichen Unterhaltsverfahren ein Wechselmodell, ist ein ausreichender Sachvortrag zu den tatsächlichen Betreuungszeiten und auch zu den sonstigen Belangen der Kinderbetreuung geboten. Die Darlegungs- und Beweislast trägt der Elternteil, der sich auf die überwiegende Betreuung beruft (OLG Köln, Beschl. v. 21.03.2014, 4 UF 1/14, FamRZ 2015, 859 m.w.N.; vgl. auch OLG Brandenburg, Beschl. v. 13.07.2015, 3 UF 155/14).

Zur Haftungsverteilung zwischen den Eltern beim Wechselmodell siehe auch (BGH, Beschl. v. 20.04.2016, XII ZB 45/15; BGH, Beschl. v. 05.11.2014, XII ZB 599/13; BGH, Urt. v. 12.03.2014, XII ZB 234/13) und zur Kindergeldverrechnung beim Wechselmodell siehe ebenso (BGH, Entsch. v. 11.01.2017, XII ZB 565/15 FamRZ 2017, 437 = NJW 2017, 1676 mwN.

OLG Hamm, Beschl. v. 07.06.2017 – 10 UF 68/17