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Gesamtschuldnerausgleich zwischen getrennt lebenden Ehegatten

„Unter welchen Voraussetzungen kann ein Ehegatte nach der Trennung vom anderen Ehegatten Ausgleichsansprüche nach § 426 Abs. 1 S. 1 BGB beanspruchen?“

Diese in der Praxis immer wieder relevante Frage hat der BGH mit Urteil vom 26.09.2007 in einer häufigen Fallgestaltung nunmehr endgültig geklärt.

BGH - Urteil vom 26.09.2007 (XII ZR 90/05)

Darum geht es:

Der Kläger begehrte von der Beklagten, seiner geschiedenen Ehefrau, die hälftige Erstattung von ihm allein erbrachter Rückzahlungen auf Darlehensverbindlichkeiten für die die ehemaligen Ehegatten gesamtschuldnerisch hafteten. Die Beklagte begehrte die Abweisung der Klage unter anderem mit der Begründung, dass bei der Verurteilung des Klägers zur Zahlung von Kindesunterhalt die vollständigen Zahlungen des Klägers auf die Darlehensverbindlichkeiten einkommensmindernd berücksichtigt wurden.

Wesentliche Entscheidungsgründe:

Auch wenn der BGH die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen hat, ergibt sich aus der Entscheidung eindeutig, dass die Berücksichtigung einer vom Unterhaltsschuldner getragenen Gesamtschuld bei der Bemessung des Kindesunterhalts grundsätzlich keine anderweitige Bestimmung im Sinne des § 426 Abs. 1 S. 1 BGB darstellt.

Auszugehen ist zunächst davon, dass auch Ehegatten, die für Darlehensverbindlichkeiten als Gesamtschuldner haften, nach dem in § 426 Abs. 1 S. 1 BGB enthaltenen Grundsatz im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet sind, soweit nicht ein anderes bestimmt ist.

Sind Ehegatten Gesamtschuldner, stellt sich in der Praxis immer wieder die Frage, wann liegt eine anderweitige Bestimmung vor. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist für eine anderweitige Bestimmung im Sinne dieser Vorschrift keine Vereinbarung der Gesamtschuldner erforderlich, sie kann sich vielmehr aus dem Sinn und Zweck eines zwischen den Gesamtschuldnern bestehenden Rechtsverhältnisses oder aus der Natur der Sache ergeben, also aus der besonderen Gestaltung des tatsächlichen Geschehens.

Solange die eheliche Lebensgemeinschaft besteht, ist ein Ausgleichsanspruch in der Regel ausgeschlossen. Die eheliche Lebensgemeinschaft und die darauf beruhende Handhabung der Tilgung gemeinsamer Verbindlichkeiten begründet grundsätzlich eine anderweitige Bestimmung im Sinne des § 426 BGB. Mit der endgültigen Trennung der Ehegatten fällt diese anderweitige Bestimmung weg, so dass sich für die ab diesem Zeitpunkt erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen immer wieder die Frage eines Gesamtschuldnerausgleichs stellt.

Ob der eine Gesamtschuld tilgende Ehegatte auch nach der Trennung an der bisherigen Handhabung festgehalten werden muss, wurde insbesondere dann angenommen, wenn bei der Berechnung des unterhaltsrechtlich maßgebenden Einkommens die Zins- und Tilgungsleistungen in vollem Umfang einkommensmindernd berücksichtigt wurden. Für den Ehegattenunterhalt ist dies zweifellos richtig. Sobald die Aufwendungen einkommensmindernd berücksichtigt werden, beteiligt sich der unterhaltsberechtigte Ehegatte durch einen entsprechend gekürzten Unterhaltsanspruch an den Zins- und Tilgungsleistungen. Diese Reduzierung führt sogar meist zu einer dem hälftigen Schuldenabtrag nahezu entsprechenden mittelbaren Beteiligung des Unterhaltsberechtigten am Schuldenabtrag. Ein Ausgleichsanspruch nach § 426 BGB würde in diesem Fall also zu einer ungerechtfertigten doppelten Inanspruchnahme des Unterhaltsberechtigten führen. Dies bedeutet aber auch, dass im Einzelfall zu prüfen ist, inwieweit sich die Unterhaltslast tatsächlich durch die Tilgung gemeinsamer Verbindlichkeiten reduziert hat.

Aber auch für den Fall, dass die gemeinsamen Darlehensbelastungen der Ehegatten nur beim Kindesunterhalt berücksichtigt wurden, wurde vielfach ein Gesamtschuldnerausgleich verneint (vgl. z.B. OLG Celle in: FamRZ 2001, 1071). Dem ist der BGH mit der vorliegenden Entscheidung mit einer überzeugenden Begründung entgegengetreten. Zum einen handelt es sich insoweit nicht um wechselseitige Ansprüche der Ehegatten. Während einem Ehegattenunterhaltsanspruch ein etwaiger Ausgleichsanspruch unmittelbar gegenübersteht, handelt es sich bei Kindesunterhaltsansprüchen eben um Ansprüche der Kinder und nicht um einen Anspruch des betreuenden Elternteils. Darüber hinaus wird durch eine Berücksichtigung der Darlehensverbindlichkeiten bei der Berechnung des Kindesunterhalts auch eine nahezu hälftige Aufteilung der Schuldentilgung unter den Ehegatten offensichtlich nicht erreicht. Eine einkommensmindernde Berücksichtigung von Darlehensverbindlichkeiten bei der Berechnung des Kindesunterhalts führt allenfalls zu einer Eingruppierung des Unterhaltsschuldners in eine niedrigere Gruppe der Unterhaltstabellen und somit nur in geringem Maße zu einem reduzierten Kindesunterhalt. Ein angemessenes Äquivalent für die alleinige Belastung mit der Gesamtschuld gegenüber dem anderen Ehegatten stellt dies in der Regel daher nicht dar. Auch ist eine Beteiligung des betreuenden Elternteils an der Darlehenstilgung nicht ersichtlich, wenn dieser eine Unterhaltskürzung nicht hinnehmen muss, weil z.B. ein Ehegattenunterhaltsanspruch nicht besteht. Auch einen reduzierten Kindesunterhalt hat der betreuende Elternteil grundsätzlich nicht auszugleichen. Nach § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB ist er in der Regel nicht barunterhaltspflichtig.

Praxistipp:

Die Berücksichtigung von Zins- und Tilgungsleistungen beim Kindesunterhalt stellt keine anderweitige Bestimmung im Sinne des § 426 Abs. 1 S. 1 BGB dar. Sie steht daher einem Gesamtschuldneraus-gleich zwischen gesamtschuldnerisch haftenden, getrenntlebenden Ehegatten nicht entgegen. Der Unterhaltsschuldner, der alleine Zins- und Tilgungsleistungen erbringt, kann daher von seinem von ihm getrennt lebenden Ehegatten im Rahmen eines Gesamtschuldnerausgleichs die Hälfte der seit der Trennung erbrachten Leistungen erstattet verlangen, es sei denn der Ausgleich ist aus einem anderen Grund ausgeschlossen.

Die Berücksichtigung von Zins- und Tilgungsleistungen beim Ehegattenunterhalt schließt in der Regel jedoch einen Gesamtschuldnerausgleich zwischen den Ehegatten aus.

Weitere Informationen zu diesem Thema im Rechtsportal:

• BGH, Urt. v. 26.09.2007 – XII ZR 90/05