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Familienstreit nach Erbfall: Barabhebungen bei Vorsorgevollmacht

Hebt eine Tochter mit der von einem Elternteil erteilten General- und Vorsorgevollmacht Bargeld ab, ist regelmäßig das Auftragsrecht anwendbar. Die Beweislast dafür, dass die abgehobenen Gelder auftragsgemäß verwendet wurden, trägt der Auftragnehmer. Das hat das OLG Karlsruhe entschieden. Das Gericht entschied auch über die Beweislast bei Geldbeträgen als Gegenleistung für Pflege und Betreuung.

Sachverhalt

Nach dem Tod der Mutter im Jahr 2012 wurde der hier klagende Bruder Alleinerbe. Er macht Zahlungsansprüche gegen seine hier beklagte Schwester geltend. Seine Schwester hatte zu Lebzeiten der Mutter verschiedene Geldbeträge von dieser erhalten. Nachdem die Mutter pflegebedürftig wurde, wohnte diese ab 1986 bis 2004 bei ihrem Sohn. Dieser pflegte und versorgte seine Mutter zusammen mit seiner Ehefrau.

Die Mutter übertrug daraufhin im Jahr 2001 ihren Erbteil von ½ nach dem vorverstorbenen Ehemann gegen vergangene und zukünftige Pflegeleistungen auf ihren Sohn. Als die Ehefrau ebenfalls krank wurde, zog die Mutter im Jahr 2004 in den Haushalt der Tochter und wurde bis 2010 von dieser gepflegt. Von November 2010 bis zu ihrem Tod wohnte sie in einem Pflegeheim.

Im Zeitraum vom 04.01.2010 bis 08.11.2012 ließ sich die beklagte Schwester in verschiedenen Teilbeträgen insgesamt 7.100 € vom Konto der Mutter in bar auszahlen. Die Auszahlungen erfolgten aufgrund von der Mutter unterschriebenen Schecks oder aufgrund einer der Tochter erteilten General-und Vorsorgevollmacht.

Der klagende Bruder ist der Ansicht, seine Schwester hätte diese Beträge zu Unrecht einbehalten und sie daher an ihn herauszugeben. Das LG hat die Zahlungsklage mit der Begründung abgewiesen, dass zwischen Mutter und Tochter lediglich ein Gefälligkeits- und kein Auftragsverhältnis bestand. Hiergegen legte der Bruder Berufung ein.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Die Berufung ist nicht begründet. Dem erbenden Bruder steht weder ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung noch aus dem bestehenden Auftragsverhältnis zu. Bargeldbeträge i.H.v. 5.920 € wurden an die Schwester aufgrund von durch die Mutter unterschriebenen Schecks und damit mit Rechtsgrund ausbezahlt.

Die Schwester konnte einen handschriftlichen Vertrag vorlegen, nach diesem sie von der Mutter für die Pflege eine monatliche „Aufwandsentschädigung“ i.H.v. 1.000 € erhalten sollte. Aus diesem Grund bestand diesbezüglich auch kein Auftragsverhältnis. Der Bruder konnte zudem nicht beweisen, dass die Auszahlungen nicht vom handschriftlichen Vertrag gedeckt waren.

Den weiteren Barabhebungen der Schwester – insgesamt vier Teilbeträge von je 200 € – lag dagegen entgegen der Ansicht des Gerichts ein Auftragsverhältnis zugrunde. Die Schwester konnte jedoch zur Überzeugung des Gerichts nachweisen, dass diese Beträge an die Erblasserin wieder herausgegeben worden sind.

Auch den verschiedenen Barabhebungen während des Heimaufenthaltes von insgesamt 380 € lag Auftragsrecht zugrunde. Die Schwester konnte jedoch auch hier nachweisen, dass diese Gelder allein für die Erblasserin verwendet wurden.
Deshalb hatte die Berufung keinen Erfolg.

Folgerungen aus der Entscheidung

Ob Bargeldabhebung aufgrund einer General-und Vorsorgevollmacht ein Auftragsverhältnis zugrunde liegt, richtet sich in erster Linie danach, ob ein Rechtsbindungswille vorliegt oder lediglich ein Gefälligkeitsverhältnis.

Grundsätzlich ist dann von einem bestehenden Rechtsbindungswillen und damit von einem Auftragsverhältnis auszugehen, wenn der Auftraggeber ein wesentliches Interesse an der Durchführung des Auftrages hat. Ob ein wesentliches Interesse an der Durchführung des Auftrages vorliegt, unterliegt einer Einzelfallprüfung. Ein persönliches Vertrauensverhältnis unter Familienangehörigen spricht i.d.R. nicht gegen ein Auftragsverhältnis.

Praxishinweis

Lediglich bei Eheleuten ist nach Ansicht des BGH (Urt. v. 29.01.1986, IVb ZR 11/85; Urt. v. 5.7.2000, XII ZR 26/98) i.d.R. im Innenverhältnis einer General- und Vorsorgevollmacht kein Auftragsrecht anzuwenden. Es liegt nach dem BGH nur dann ein Auftragsverhältnis zwischen den Eheleuten vor, wenn ein Ehepartner dem anderen die komplette Vermögensverwaltung (vgl. § 1423 BGB) überlässt.

Ob diese Rechtsprechung immer zu passenden Ergebnissen führt, sei dahingestellt. Insbesondere ist diese Problematik dann besonders virulent, wenn ein Ehepartner nochmals spät heiratet und die erbenden Kinder nach dem Tod gegen den bevollmächtigten zweiten Ehepartner vorgehen wollen.

Wenn lediglich die regelmäßig in einer Ehe normalerweise auszuführenden Rechtsgeschäfte vom Bevollmächtigten vorgenommen werden, ist diese Rechtsprechung nachvollziehbar. Verkauft jedoch ein Ehepartner z.B. ein Grundstück oder überträgt größeres Vermögen, sollte ggf. auch bei Ehepartnern ein Rechtsbindungswille unterstellt und ein Auftragsverhältnis angenommen werden. Dies sieht der BGH jedoch derzeit wohl noch anders.

OLG Karlsruhe, Urt. v.16.05.2017 – 9 U 167/15