Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0

Erbschaftsausschlagung: Folgen bei Fristversäumnis

Bei der Anfechtung der Versäumung der Ausschlagungsfrist einer Erbschaft muss das Nachlassgericht nur bezüglich der auch in der Anfechtungserklärung genannten Anfechtungsgründe im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht ermitteln. Das hat der BGH entschieden und damit mehr Klarheit beim notwendigen Inhalt und Umfang einer Anfechtungserklärung und der dort genannten Anfechtungsgründe geschaffen.

Sachverhalt

Der Sohn des im Januar 2013 verstorbenen Erblassers war zuerst verstorben. Durch notarielles Testament aus dem Jahr 2007 setzte der Erblasser daher seinen minderjährigen Enkel als Alleinerben ein. Für den Fall, dass dieser vorverstirbt oder die Erbschaft ausschlägt, sollte die Mutter des Enkels, seine frühere Schwiegertochter, Alleinerbin werden. Durch ein ergänzendes Testament aus dem Jahr 2008 änderte er die Vermächtnisse zugunsten seiner Lebensgefährtin inhaltlich ab und ordnete zudem Testamentsvollstreckung an.

Im März 2013 hat die frühere Schwiegertochter die Erbschaft für den minderjährigen Enkel des Erblassers mit notarieller Urkunde ausgeschlagen. Die Ausschlagung wurde bis zur Voll-jährigkeit des Enkels am 28.09.2013 nicht durch das Familiengericht genehmigt. Die Schwiegertochter beantragte im Dezember 2013 einen Erbschein, der sie als Alleinerbin ausweisen soll. Nach dem Hinweis des Gerichts, dass eine Ausschlagungserklärung nicht vorläge, ging dort Mitte Januar eine notariell beglaubigte Erklärung des Enkels ein. Er nimmt in dieser auf eine an das Nachlassgericht gerichtete Genehmigungserklärung vom 01.10.2013 Bezug.

Weiter teilte er mit, dass diese nur irrtümlich nicht an das Nachlassgericht weitergeleitet worden sei und die Erklärung lediglich auf seine Veranlassung an seine Mutter weitergereicht wurde. Ihm und seiner Mutter sei nicht bekannt gewesen, dass die Genehmigungserklärung an das Nachlassgericht hätte weitergeleitet werden müssen. Er fechte aus diesem Grund die Versäumung der Ausschlagungsfrist an und schlage die Erbschaft nach seinem Großvater aus.

Das AG gab dem Antrag der Schwiegertochter durch Beschluss statt. Hiergegen legte der Testamentsvollstrecker Beschwerde ein. Das Beschwerdegericht hob den Beschluss nach der Vernehmung des Notars und weiteren Zeugen auf.

Zunächst hatte das Beschwerdegericht klargestellt, dass weder die von der Schwiegertochter für den Enkel abgegebene Ausschlagungserklärung noch die Anfechtung der Annahme der Erbschaft durch die Erklärung des Enkels wirksam geworden sind. Zudem hätte dem Nach-lassgericht die gegenüber der Mutter abgegebene Genehmigung der Ausschlagung durch den Enkel nach Erreichen von dessen Volljährigkeit zugehen müssen.

Die Anfechtung der Annahme der Erbschaft wegen Versäumung der Ausschlagungsfrist greift deswegen nicht, weil der einzige in Betracht kommende Irrtum nicht Inhalt der Anfech-tungserklärung wurde. Der in der Erklärung genannte Anfechtungsgrund, es sei nicht bekannt gewesen, dass die Anfechtungserklärung dem Nachlassgericht zugehen muss, ist nicht sachlich identisch mit dem tatsächlich in Betracht kommenden Anfechtungsgrund, der Notar würde von sich aus die genehmigte Anfechtungserklärung an das Nachlassgericht weiterleiten.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Nach Ansicht des BGH halten die Ausführungen des Beschwerdegerichts einer rechtlichen Nachprüfung stand. Rechtsfehlerfrei hat das OLG festgestellt, dass die Ausschlagung für den Minderjährigen unwirksam war und dessen Genehmigung zu deren Wirksamkeit dem Nach-lassgericht hätte zugehen müssen. Weiter wurde rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die An-fechtung wegen Versäumung der Ausschlagungsfrist nicht durchgreift. Das Beschwerdegericht hat den Auslegungsstoff vollständig berücksichtigt und die allgemein anerkannten Auslegungsregeln, Denkgesetze sowie Erfahrungssätze nicht verletzt. Zudem konnte der BGH keine Verfahrensfehler erkennen.

Folgerungen aus der Entscheidung

Bei der Prüfung einer Anfechtungserklärung ist das Nachlassgericht im Rahmen seiner Amts-ermittlungspflicht gem. § 26 FamFG lediglich angehalten, die vom Anfechtenden genannten Anfechtungsgründe zu prüfen. Es hat nicht von sich selbst aus sämtliche überhaupt in Betracht kommende Anfechtungsgründe zu erforschen und seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Trägt der Anfechtende im Nachlassverfahren weitere, in der Anfechtungserklärung bisher nicht erwähnte Anfechtungsgründe vor, ist darin eine neue Anfechtungserklärung zu sehen. Diese muss dann jedoch frist- und formgerecht beim Nachlassgericht eingehen.

Praxishinweis

Der Berater ist bei dem Entwurf einer Anfechtungserklärung angehalten, dass sich diese auf sämtliche in Betracht kommende Anfechtungsgründe stützt. Selbst wenn sich möglicherweise bestimmte Anfechtungsgründe denknotwendig gegenseitig ausschließen, sollte der sorgsame Berater versuchen, sämtliche Irrtumssachverhalte in seiner Anfechtungserklärung unterzubringen bzw. zumindest thematisch anzureißen. Denn nur eine fristgerechte und umfassende Darstellung sämtlicher Irrtumssachverhalte lässt dem Nachlassgericht die Mög-lichkeit, diese auch bei seiner Ermittlungstätigkeit und der darauf beruhenden Entscheidung tatsächlich zu berücksichtigen.

BGH, Beschl. v. 02.12.2015 – IV ZB 27/1