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Einigungsgebühr bei Umgangsvereinbarung

In Umgangsstreitigkeiten entsteht eine Einigungsgebühr bereits, wenn die Vereinbarung Regelungen zum Umgang enthält, sich also nicht in einer prozessualen Zwischenlösung erschöpft, und familiengerichtlich gebilligt wird. Das OLG Dresden hat entschieden, dass dabei unerheblich ist, ob die Vereinbarung das gesamte Verfahren erledigt oder eine gerichtliche Entscheidung entbehrlich macht.

Sachverhalt

Der Antragsteller hat die Regelung des Umgangs mit seiner Tochter beantragt. Bisher gab es keinen Umgang. Die Antragsgegnerin, die Mutter, hat die Zurückweisung des Antrags und die Aussetzung des Umgangs für mindestens zwei Jahre beantragt. Dem Antragsteller ist Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten bewilligt worden. Im Rahmen eines protokollierten Teilvergleichs haben sich die Beteiligten dahin gehend geeinigt, dass der Umgang angebahnt werden und einmal wöchentlich in Begleitung einer Umgangspflegerin stattfinden soll. Diese Umgangsregelung sollte bis zum nächsten Gerichtstermin gelten.

Das Amtsgericht hat die bewilligte Verfahrenskostenhilfe auf diesen gerichtlichen Teilvergleich erstreckt und auf § 89 FamFG hingewiesen. Der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers hat die Festsetzung von Gebühren und Auslagen unter Einbeziehung einer Einigungsgebühr aus dem vorläufig festgesetzten Verfahrenswert von 3.000 € beantragt, insgesamt 921,54 €. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat die zu zahlende Vergütung auf 658,55 € festgesetzt. Dabei hat sie außer dem Abwesenheitsgeld auch die Einigungsgebühr abgesetzt, weil es sich bei dem Teilvergleich nur um eine Zwischeneinigung handele, die einen vorläufigen Zustand regele.

Dagegen hat der Verfahrensbevollmächtigte Erinnerung eingelegt; eine abschließende Erledigung des Rechtsstreits sei keine Bedingung für das Entstehen einer Einigungsgebühr. Der Erinnerung ist nicht abgeholfen worden. Es sei lediglich eine vorübergehende Vereinbarung geschlossen worden, die den Streit der Beteiligten über ein Rechtsverhältnis nicht beseitigt habe. Dagegen hat der Verfahrensbevollmächtigte Beschwerde eingelegt. Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Die Beschwerde ist teilweise begründet. Die Festsetzung der dem Verfahrensbevollmächtigten zustehenden Gebühren und Auslagen auf 658,55 € war rechtswidrig. Die geltend gemachte Einigungsgebühr steht ihm dem Grunde nach zu. Die Berechnung war allerdings nicht aus dem festgesetzten Verfahrenswert von 3.000 €, sondern aus einem von 1.500 € zu berechnen. In Kindschaftssachen entsteht auch für die Mitwirkung am Abschluss eines gerichtlich gebilligten Vergleichs eine Einigungsgebühr von 1,0 gem. Nr. 1003 Abs. 2 erste Alternative RVG-VV. Erzielen die Beteiligten Einigkeit über den Umgang oder die Herausgabe eines Kindes, ist gem. § 156 Abs. 2 FamFG die einvernehmliche Regelung als Vergleich aufzunehmen, wenn das Gericht diese billigt.

Nach ausführlicher Erörterung der Umgangsanbahnung und der konkreten Ausgestaltung des Umgangsrechts haben sich die Beteiligten auf ausdrückliches Anraten des Amtsgerichts entsprechend geeinigt. Das Amtsgericht hat den Teilvergleich zwar nicht ausdrücklich gebilligt, aber im Beschluss auf § 89 FamFG hingewiesen, was als familiengerichtliche Billigung auszulegen ist. Denn dieser Hinweis ist nur dann sinnvoll, wenn es sich bei dem Teilvergleich um einen Vollstreckungstitel handelt, was wiederum voraussetzt, dass er gerichtlich gebilligt worden ist, § 86 Abs. 1 Nr. 2 FamFG.

Die Frage, ob bereits die Protokollierung eines Umgangsvergleichs eine Billigung darstellt, kann dahinstehen. Auch die zeitliche Begrenzung der Geltungsdauer des Teilvergleichs rechtfertigt keine andere Entscheidung. Denn § 156 Abs. 2 FamFG unterscheidet nicht danach, ob die Beteiligten eine vorläufige oder eine endgültige Regelung treffen. Sein Ziel ist es, die gütliche Einigung der Eltern über das Sorge- und Umgangsrecht zu fördern. Der Anwendungsbereich des familiengerichtlich gebilligten Vergleichs ist erheblich erweitert worden. Vor dem Hintergrund, dass durch eine vorläufige einvernehmliche Regelung dem Gericht zudem die Erörterung oder der Erlass einer einstweiligen Anordnung erspart werden, spricht auch dies für eine generelle Zulassung.

Umstritten ist jedoch, ob der Verfahrensbevollmächtigte für seine Mitwirkung am Abschluss der Zwischenverfügung im Hauptsacheverfahren eine Einigungsgebühr erhält. Teilweise wird vertreten, dass keine Einigungsgebühr entstehe, weil keine Erledigung des Rechtsstreits insgesamt erzielt wird und ein prozessualer Schwebezustand keine Gebühr auslöst. Andererseits wird vertreten, dass eine Einigungsgebühr aus einem geringeren Verfahrenswert entstehen soll, wenn durch eine Zwischenvereinbarung ein Verfahren über einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung entbehrlich geworden ist.

Eine dritte Auffassung verweist auf die Rechtslage bei Zivilprozessen. Dort lässt ein Teilvergleich eine Einigungsgebühr aus dem geringeren Verfahrenswert entstehen (Kammergericht, Beschl. v. 04.09.2003 – 19 WF 222/03 und Beschl. v. 03.07.2013 – 3 WF 10/13). Das OLG folgt im Ergebnis dieser dritten Auffassung.

Treffen die Beteiligten einvernehmlich eine materielle Umgangsregelung, die sich nicht in einer prozessualen Zwischenlösung erschöpft und vom Familiengericht gebilligt wird, wird der Streit über das Umgangsrecht zumindest teilweise, insoweit aber endgültig beseitigt, und es entsteht eine Einigungsgebühr aus dem entsprechenden, i.d.R. geringeren Verfahrenswert. Die Lösung des gesamten Konflikts oder die Entbehrlichkeit einer gerichtlichen Entscheidung sind weder nach dem Wortlaut noch nach der Systematik die Voraussetzung für die Einigungsgebühr.

Der Sinn und Zweck sprechen dafür, auch den Abschluss einer Vereinbarung wie der vorliegenden zu vergüten. Der zweite Halbsatz von Abs. 2 („wenn hierdurch …“), mit dem eine solche Voraussetzung begründet werden könnte, bezieht sich nicht auf den gerichtlich gebilligten Umgangsvergleich, sondern nur auf die – sonstigen – Vereinbarungen gem. Nr. 1003 Abs. 2 zweite und dritte Alternative RVG-VV, über deren Gegenstand vertraglich nicht verfügt werden kann. Daher ist keine Entscheidung darüber zu treffen, mit welcher Wahrscheinlichkeit eine einstweilige Anordnung bevorgestanden hätte.

Die Bedingung einer endgültigen Konfliktlösung wird Nr. 1000 Abs. 1 Nr. 1 RVG-VV entnommen. Fraglich ist aber bereits, ob diese Vorschrift neben Nr. 1003 Abs. 2 erste Alternative RVG-VV anzuwenden ist oder ob jene die Voraussetzungen für eine Einigungsgebühr abschließend regelt. Ursprünglich regelte Nr. 1003 RVG-VV allein, dass im Fall der Anhängigkeit eines gerichtlichen Verfahrens insbesondere die Gebühren 1000 bis 1003 auf 1,0 ermäßigt werden. Der neu angefügte Abs. 2 zu Nr. 1003 RVG-VV regelt seinem Wortlaut zufolge aber die Voraussetzungen nicht der Ermäßigung, sondern des Entstehens einer Einigungsgebühr.

Das Entstehen der Einigungsgebühr auch für die Mitwirkung an einer solchen Vereinbarung spricht für eine abschließende Regelung durch Nr. 1003 Abs. 2 RVG-VV. Die Befürchtung, der Rechtsanwalt könne durch den Abschluss mehrerer Zwischenvergleiche mehrere Einigungsgebühren erzielen, ist unbegründet. Denn selbst wenn mehrere Einigungsgebühren entstehen, können die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal gefordert werden, § 15 Abs. 2 RVG. Die Wertfestsetzung orientiert sich an dem Wert für ein Einstweilige-Anordnung-Verfahren, vgl. §§ 41, 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG.

Folgerungen aus der Entscheidung

Die Beteiligten können im Rahmen eines Verfahrens über die Regelung des Umgangs auch eine Vereinbarung darüber abschließen. Wenn diese nicht nur eine prozessuale Zwischenlösung darstellt und darüber hinaus vom Gericht gebilligt worden ist, entsteht gem. Nr. 1003 Abs. 2 RVG-VV eine Einigungsgebühr. Unerheblich ist, ob die Vereinbarung das gesamte gerichtliche Verfahren erledigt oder eine gerichtliche Entscheidung entbehrlich macht. Weist das Familiengericht im Beschluss auf § 89 FamFG hin, ist dies bereits als Billigung zu werten.

Praxishinweis

Das OLG stellt klar, dass dem Verfahrensbevollmächtigten, wenn sich die Beteiligten im Umgangsverfahren auf einen im Protokoll bezeichneten Teilvergleich einigen, gem. Nr. 1003 Abs. 2 RVG-VV eine Einigungsgebühr zusteht, die nach der Geltendmachung nach dem RVG zu vergüten ist.

OLG Dresden, Beschl. v. 21.12.2015 – 18 WF 86/15