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Corona-Schutz an Schulen: Welches Gericht ist zuständig?

Für die Entscheidung über Anordnungen gegenüber einer Schule gemäß § 1666 BGB wegen geltender Corona-Schutzmaßnahmen verbleibt es bei der Zuständigkeit der Amtsgerichte bzw. Familiengerichte. Das hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden. Die gerichtliche Zuständigkeit war – etwa im Zusammenhang mit der Maskenpflicht für Schüler – unter mehreren Gerichten umstritten.

Darum geht es

Die Eltern minderjähriger Schüler hatten beim Amtsgericht Tecklenburg die Einleitung eines Verfahrens gem. § 1666 Abs. 1 und 4 BGB zur Beendigung der von ihnen befürchteten nachhaltigen Gefährdung des Kindeswohls angeregt, die sich u.a. aufgrund schulinterner Anordnungen zum Tragen eines Mund- und Nasenschutzes sowie zur Einhaltung von Mindestabständen zu anderen Personen ergebe.

Das Amtsgericht hat mit Beschlüssen vom 23.04.2021 den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Münster verwiesen.

Das Verwaltungsgericht Münster wiederum hat mit Beschluss vom 26.05.2021 den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig erklärt und das Bundesverwaltungsgericht zur Bestimmung der Zuständigkeit angerufen.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass das Amtsgericht Tecklenburg trotz der Verweisungsbeschlüsse vom 23.04.2021 zuständig geblieben ist.

Zwar ist eine Verweisung für das Gericht, an das das Verfahren verwiesen worden ist, grundsätzlich bindend. Das gilt jedoch nicht, wenn die Entscheidung bei verständiger Würdigung nicht mehr nachvollziehbar erscheint und offensichtlich unhaltbar ist.

Ein derartig qualifizierter Verfahrensverstoß des Amtsgerichts liegt hier vor. Denn die Eltern hatten sich in ihrem Schreiben an das Amtsgericht ausdrücklich darauf beschränkt, ein familiengerichtliches Tätigwerden gegen die Schule auf der Grundlage des § 1666 Abs. 1 und 4 BGB anzustoßen.

Unterlassungsansprüche gegen die Schule, über die die Verwaltungsgerichte zu entscheiden hätten, haben sie nicht geltend gemacht. Über Maßnahmen gemäß § 1666 BGB entscheidet das Amtsgericht/Familiengericht jedoch selbständig von Amts wegen.

Es hätte keine Verweisung aussprechen, sondern – da familiengerichtliche Anordnungen gegenüber Behörden rechtlich ausgeschlossen sind – entweder auf die Eröffnung eines Verfahrens verzichten oder ein bereits eröffnetes Verfahren einstellen müssen.

Die trotzdem ausgesprochene Verweisung führt zu Brüchen mit den Prozessgrundsätzen der Verwaltungsgerichtsordnung. Diese kennt keine von Amts wegen einzuleitenden Verfahren, sondern überlässt es dem Kläger bzw. Antragsteller, ob und mit welcher Zielrichtung er ein Verfahren einleiten will.

Erwiese sich die Verweisung für das Verwaltungsgericht als bindend, fänden sich die Kinder, für die lediglich bestimmte Maßnahmen angeregt wurden, nunmehr in der Rolle von Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens wieder.

Das entspräche weder ihrem Willen noch ihrer vormaligen Stellung vor dem Amtsgericht. Deshalb erweist sich die Verweisung mit den Prinzipien der Verwaltungsgerichtsordnung als schlechterdings unvereinbar und löst für das Verwaltungsgericht keine Bindungswirkung aus.

BVerwG, Beschl. v. 16.06.2021 – 6 AV 1.21