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Besoldungsrechtlicher Familienzuschlag in Lebenspartnerschaften

Die Richtlinie 2000/78/EG zur Gleichstellung und die geänderte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Gleichstellung von Ehe und eingetragenen Lebenspartnerschaften gebieten es, einer pensionierten, in einer eingetragenen Lebensgemeinschaft eingetragenen Lehrerin einen Familienzuschlag zu gewähren.

Darum geht es

Mit einem den Beteiligten nun zugestellten Urteil hat die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Gießen einer pensionierten, in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebenden Lehrerin aus Marburg einen Familienzuschlag auch für einen Zeitraum vor Inkrafttreten der entsprechenden gesetzlichen Regelung zugesprochen.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Seit dem 01.01.2010 hat der hessische Gesetzgeber die eingetragenen Lebenspartnerschaften den ehelichen Lebensgemeinschaften besoldungsrechtlich im Hinblick auf den hier streitigen Familienschlag ausdrücklich gleichgestellt.

Diese Regelung greift aber nach Auffassung des Gerichts zeitlich zu kurz. Europa- und verfassungsrechtlich sei bereits seit Juli 2009 eine Anpassung geboten gewesen. Im Juli 2009 habe nämlich das Bundesverfassungsgericht durch eine Änderung seiner Rechtsprechung der bis dahin anerkannten Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung von verheirateten und in eingetragener Lebenspartnerschaft lebenden Beamten und Beamtinnen bei der Gewährung des Familienzuschlags der Stufe 1 die Grundlage entzogen.

Das Bundesverfassungsgericht habe im Juli 2009 in einem vergleichbaren Fall entschieden, dass eine unterschiedliche Behandlung der beiden Formen des Zusammenlebens mit dem Argument der Betreuung und Erziehung von Kindern und darauf zurückzuführenden Lücken in der Erwerbsbiografie nicht mehr zu rechtfertigen sei. Denn nicht in jeder Ehe gebe es Kinder, nicht jede Ehe sei auf Kinder ausgerichtet und eine Rollenverteilung, bei der ein Ehegatte deutlich weniger berufsorientiert sei, dürfe nicht unterstellt werden. Vielmehr - so das Bundesverfassungsgericht - entspreche es dem Recht der Ehegatten aus Art. 6 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 2 GG, über die Art und Weise ihres ehelichen Zusammenlebens in gleichberechtigter Weise selbst zu entscheiden.

Diese geänderte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat nach Auffassung der Kammer zur Folge, dass seit diesem Zeitpunkt die europarechtlichten Vorgaben der Richtlinie 2000/78/EG zur Gleichstellung durch das Land Hessen nicht mehr vollständig umgesetzt seien, so dass bis zur entsprechenden gesetzlichen Neuregelung ab April 2010 die Richtlinie selbst unmittelbare Anwendung finde und der Klägerin den Anspruch auf den Familienzuschlag vermittele.

Für den Zeitraum vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Juli 2009 habe die Klägerin dagegen keinen Anspruch. Denn bis dahin habe das Bundesverfassungsgericht mehrfach festgestellt, dass es rechtfertigende Gründe für eine unterschiedliche Behandlung von ehelichen und partnerschaftlichen Lebensgemeinschaften gebe.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können dagegen binnen eines Monats Antrag auf Zulassung der Berufung beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel stellen.

VG Gießen, Urt. v. 01.02.2011, 5 K 1336/09.GI