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Beschwerdebefugnis eines Versorgungsträgers bei Ausschluss wegen Geringfügigkeit

Wird im Versorgungsausgleich durch das Familiengericht ein Wertausgleich in Anwendung von § 18 Abs. 1 oder Abs. 2 VersAusglG ausgeschlossen, ist ein Versorgungsträger jedenfalls dann zur Beschwerde berechtigt, wenn er mit seinem Rechtsmittel geltend macht, dass schon der Anwendungsbereich von § 18 VersAusglG nicht eröffnet ist, weil dem Gericht entweder Bewertungs- oder Berechnungsfehler unterlaufen oder die Rechtsbegriffe der Gleichartigkeit oder der Geringfügigkeit (§ 18 Abs. 3 VersAusglG) von ihm unrichtig beurteilt worden sind.

Darum geht es

Ein Beteiligter einer Versorgungsausgleichssache ist grundsätzlich nur insoweit beschwert und damit beschwerdebefugt, als ihn die Entscheidung in seiner Rechtsstellung beeinträchtigt, § 59 Abs. 1 FamFG. Liegt auch dann eine Rechtsbeeinträchtigung vor, wenn die bei ihm bestehenden Anrechte – hier gem. § 18 VersAusglG – nicht ausgeglichen werden? Während der Ehezeit vom 01.12.1977 bis zum 31.05.2009 (§ 3 Abs. 1 VersAusglG) erwarben beide Ehegatten insbesondere Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung.

Ehefrau:

  • 5,6242 Entgeltpunkte mit einem Ausgleichswert von 2,8121 Entgeltpunkten und einem korrespondierenden Kapitalwert von 17.280,13 €
  • 22,9277 Entgeltpunkte (Ost) mit einem Ausgleichswert von 11,4639 Entgeltpunkten (Ost) und einem korrespondierenden Kapitalwert von 59.356,89 €

Ehemann:

  • 6,9252 Entgeltpunkte mit einem Ausgleichswert von 3,4626 Entgeltpunkten und einem korrespondierenden Kapitalwert von 21.277,40 €
  • 20,3252 Entgeltpunkte (Ost) mit einem Ausgleichswert von 10,1626 Entgeltpunkten (Ost) und einem korrespondierenden Kapitalwert von 52.619,12 €

Entscheidungen der Vorinstanzen

Das AG hat im Scheidungsverbund zugleich den Versorgungsausgleich geregelt. Dabei hat es insbesondere angeordnet, dass hinsichtlich der von beiden Ehegatten in der gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen Anrechte ein Wertausgleich bei der Scheidung nicht stattfindet. Hierbei ist das AG davon ausgegangen, dass alle von den Ehegatten in der gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen Anrechte gleichartig seien und zwischen ihren Ausgleichswerten im Gesamtsaldo nur eine geringfügige Wertdifferenz in Höhe von 2.740,50 € bestehe. Dagegen wendet sich die Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg mit ihrer Beschwerde.

Das OLG hat die Beschwerde als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Deutschen Rentenversicherung, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt, den Versorgungsausgleich entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen durchzuführen.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Der BGH gibt der Rechtsbeschwerde statt. Eine Beschwerdebefugnis des Versorgungsträgers kann sich daraus ergeben, dass ein bei ihm bestehendes Anrecht durch das Gericht eine unrichtige Bewertung erfahren hat, ohne dass es darauf ankäme, ob der Wert des Anrechts zu hoch oder zu niedrig bemessen worden ist (siehe bereits BGH, Beschl. v. 11.04.1984 – IVb ZB 87/83 und Beschl. v. 12.11.1980 – IVb ZB 712/80). Wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass der vom Versorgungsträger mit der Beschwerde angestrebte Ausgleich für ihn wirtschaftlich günstiger ist als die Regelung durch das Familiengericht, ist der Versorgungsträger in seinen Rechten unmittelbar beeinträchtigt.

Anspruch auf gesetzmäßige Durchführung des Wertausgleichs

Weicht die angegriffene Entscheidung vom Gesetz ab, lässt sich i.d.R. zunächst noch nicht feststellen, ob sich diese Entscheidung wirtschaftlich zugunsten oder zulasten des Versorgungsträgers auswirken wird, denn dies hängt typischerweise vom ungewissen künftigen Versorgungsschicksal eines jeden Ehegatten ab. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Familiengericht aufgrund der unrichtigen Bewertung eines Anrechts die Voraussetzungen für einen Ausschluss des Wertausgleichs nach § 18 Abs. 1 oder Abs. 2 VersAusglG annimmt. Auf eine feststellbare wirtschaftliche Mehrbelastung des Versorgungsträgers kommt es unabhängig davon, ob es sich um einen öffentlich-rechtlichen, einen betrieblichen oder einen sonstigen privaten Versorgungsträger handelt, nicht an.

Keine Gleichartigkeit von Anrechten der gesetzlichen Rentenversicherung

Im Übrigen hält der BGH daran fest, dass unterschiedliche Entgeltpunkte der gesetzlichen Rentenversicherung nicht gleichartig gem. § 18 Abs. 1 VersAusglG sind (siehe bereits BGH, Beschl. v. 30.11.2011 – XII ZB 344/10). Deswegen ist die vom Familiengericht vorgenommene Summierung der Entgeltpunkte und der Entgeltpunkte (Ost) verfehlt.

Folgerungen aus der Entscheidung

Bei einem Ausschluss des Versorgungsausgleichs muss für die Frage der Beschwer eines Versorgungsträgers streng danach unterschieden werden, welcher Ausschlussgrund durch das Gericht zugrunde gelegt worden ist. Erfolgt der Ausschluss allein im Hinblick auf die besonderen Verhältnisse der Ehegatten, fehlt es an einer unmittelbaren Beeinträchtigung von Rechten der Versorgungsträger. Daher kann sich ein Versorgungsträger nicht gegen einen vereinbarten Ausschluss nach §§ 6 ff. VersAusglG oder einen Ausschluss wegen grober Unbilligkeit nach § 27 VersAusglG wenden (OLG Stuttgart, FamRZ 2012, 303, 305), wie der BGH ausdrücklich betont.

Beschwerdebefugnis bei Ausschluss oder Nichtausschluss wegen Geringfügigkeit

Eine Verletzung des § 18 VersAusglG hingegen kann nach der Klarstellung des BGH in jedem Fall unabhängig davon gerügt werden, ob die Voraussetzungen des § 18 VersAusglG zu Unrecht bejaht (siehe bereits OLG Saarbrücken, FamRZ 2012, 306, 307; OLG Düsseldorf, FamRZ 2011, 1404, 1405; anderer Auffassung: OLG Bamberg, FamRZ 2011, 1232) oder verneint (insoweit auch OLG Bamberg, a.a.O.) worden sind.

Praxishinweis

Die Beschwerdebefugnis von Versorgungsträgern ist grundsätzlich einheitlich zu bestimmen; es bestehen keine Unterschiede zwischen öffentlich-rechtlichen, betrieblichen und sonstigen privaten Versorgungsträgern.

Die Beschwer eines Versorgungsträgers kann nur den (Nicht )Ausgleich der bei ihm bestehenden Anrechte betreffen; hinsichtlich der Anrechte bei anderen Versorgungsträgern besteht keine Beschwerdebefugnis.

Ehegatten sind stets beschwert, unabhängig davon, welcher Ausschlussgrund eingreift oder ob ein Ausschluss unzutreffend verneint wurde (näher: Götsche in Götsche/Rehbein/Breuers, Versorgungsausgleichsrecht, § 219 FamFG Rdnr. 17). Für Versorgungsträger muss hingegen differenziert werden:

  • Ausschluss durch Vereinbarung der Ehegatten, § 6 VersAusglG: Versorgungsträger sind nicht beschwerdebefugt.
  • Ausschluss/Nichtausschluss wegen Geringfügigkeit, § 18 VersAusglG: Versorgungsträger sind beschwerdebefugt.
  • Ausschluss wegen grober Unbilligkeit, § 27 VersAusglG: Versorgungsträger sind nicht beschwerdebefugt.

Nicht ausdrücklich angesprochen ist der Fall eines Ausschlusses wegen kurzer Ehezeit, § 3 Abs. 3 VersAusglG. Da dieser Ausschlussgrund aber auf besonderen Rahmenbedingungen beruht, scheidet eine Beschwer von Versorgungsträgern eher aus (Götsche, FamRB 2011, 26, 29).

>> weiter zum Volltext: BGH, Beschl. v. 09.01.2013 – XII ZB 550/11, DRsp-Nr. 2013/3963