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Berücksichtigung einer Abfindung beim Zugewinnausgleich

Soweit eine aus der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses erhaltene Abfindung nicht zum Ausgleich des weggefallenen Arbeitsentgelts benötigt wird, ist sie als Vermögensbestandteil anzusehen und als Zugewinn auszugleichen.

Darum geht es

Wird einem Ehegatten im Zusammenhang mit der Kündigung seines Arbeitsverhältnisses eine Abfindung gezahlt, stellt sich die Frage, ob diese Zahlung (anteilig) bei der Bemessung des Unterhalts oder beim güterrechtlichen Zugewinnausgleich zu berücksichtigen ist.

Dem Antragsgegner wurde aus betrieblichen Gründen zum 30.06.2011 gekündigt und eine Abfindung in Höhe von brutto 68.880 € zugesagt, zahlbar im Austrittsmonat.

Das AG hat auf den am 13.05.2011 zugestellten Antrag die Ehe der Beteiligten geschieden und den Antrag der Antragstellerin auf Zahlung eines Zugewinnausgleichs abgewiesen. Dagegen hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Der Antragsgegner hat einen auszugleichenden Zugewinn dadurch erzielt, dass er im Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrags einen Anspruch auf die im Juni 2011 an ihn ausgezahlte Abfindung hatte. Soweit diese Abfindung vom Antragsgegner nicht zum Ausgleich des weggefallenen Arbeitsentgelts benötigt wird, ist sie Bestandteil seines Endvermögens und als Zugewinn auszugleichen.

Eine wie hier nach dem Stichtag ausgezahlte Abfindung ist zu berücksichtigen, soweit zum Stichtag zumindest eine Anwartschaft oder ein entsprechender, nicht mehr von einer Gegenleistung abhängiger Anspruch vorhanden ist.

Bei Abfindungen aus der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses ist umstritten, ob sie im Zugewinnausgleich zu berücksichtigen sind.

Nach der Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 18.04.2012 – XII ZR 66/10, DRsp-Nr. 2012/9710) kann eine Abfindung je nach ihrem arbeitsrechtlichen Hintergrund der zukunftsbezogenen Entschädigung für Lohneinbußen (so bei Sozialplanabfindungen), als Gegenleistung für den Verzicht auf eine Kündigungsschutzklage oder als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes und des damit verbundenen sogenannten sozialen Besitzstands dienen.

Wenn der Unterhaltspflichtige im Anschluss an das beendete Arbeitsverhältnis sogleich eine neue Arbeitsstelle erlangt hat, die ihm ein mit der früheren Tätigkeit vergleichbares Einkommen einbringt, bleibt die Abfindung nach dieser Rechtsprechung für die Bemessung des Unterhaltsbedarfs unberücksichtigt. Kann er hingegen sein früheres Einkommen nicht mehr erzielen, ist die Abfindung grundsätzlich zur Aufstockung des verringerten Einkommens einzusetzen.

Die Abfindung ist jedoch nur teilweise güterrechtlich auszugleichen, weil sie nicht sowohl beim Unterhalt als auch beim Zugewinnausgleich berücksichtigt werden darf, soweit unter dem Gesichtspunkt der Halbteilung Berührungspunkte bestehen („Verbot der Doppelberücksichtigung“).

Vorliegend wird der Antragsgegner auch weiterhin Kindesunterhaltsansprüchen ausgesetzt sein. Die arbeitsrechtliche Abfindung ist zur Aufstockung seines für den Kindesunterhalt maßgeblichen Einkommens ebenso zu verwenden wie für den Ehegattenunterhalt. Darüber hinaus ist die Abfindung aber auch zur Deckung des eigenen Lebensbedarfs einzusetzen.

Der Antragsgegner erhielt eine relativ hohe Abfindung (nahezu zwei Jahresgehälter), die sowohl dazu bestimmt war, den künftigen, erwarteten Verdienstausfall aufzufangen, als auch dazu, den Arbeitnehmer für den Verlust seines Arbeitsplatzes zu entschädigen.

Die mit dem Betriebsrat vereinbarte Sozialabfindung bezweckt ausdrücklich, mit ihrer Zahlung die persönlichen Nachteile der ausscheidenden Arbeitnehmer abzumildern und den Abbau der Arbeitsplätze sozial verträglich zu gestalten, wobei ausdrücklich auf Mitarbeiter mit kleineren und mittleren Einkommen in den Zeiten der Wirtschafts- und Finanzkrise Bezug genommen wird. Damit kommt der Abfindung zumindest auch eine Lohnersatzfunktion zu, soweit der entlassene Arbeitnehmer nicht sogleich eine neue Arbeitsstelle finden oder jedenfalls nicht mehr sein früheres Einkommen erzielen kann oder aber sogar die Gefahr längerer Arbeitslosigkeit besteht.

Der Antragsgegner war nicht nur länger als ein Jahr arbeitslos, sondern musste sogar Leistungen der Grundsicherung annehmen und erzielt nun deutlich niedrigere Einkünfte. Zudem war mit dem Verlust des Arbeitsplatzes die großzügige betriebliche Zusatzversorgung gefährdet. Darüber hinaus ist das neue Arbeitsverhältnis befristet und wird nicht verlängert.

Daher ist der Nettobetrag der ausgezahlten Abfindung auf mehrere Jahre zum Zweck der Einkommensaufstockung zu verteilen und mit einem zu schätzenden Anteil für den Unterhalt, auch für den eigenen, zu verwenden. Bei der Schätzung der Einkommensminderung durch die Kündigung sind die bisherigen Zeiten der Arbeitslosigkeit des Antragsgegners, die Höhe seines jetzigen Verdiensts, eine mögliche weitere Arbeitslosigkeit und der Wegfall der zusätzlichen Altersversorgung in den Blick zu nehmen.

Das OLG hält es für erforderlich, eine Übergangszeit von fünf Jahren nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzusichern, und schätzt den für diesen Zeitraum nach Verlust des Arbeitsplatzes für den künftigen Lebensunterhalt des Antragsgegners aus der Abfindung benötigten Betrag auf 26.000 €. Der verbleibende Betrag von 16.740,95 € (netto 42.740,95 € – 26.000 €) ist in die Zugewinnausgleichsbilanz einzustellen.

Praxishinweis

Im gerichtlichen Verfahren ist ein entsprechender Sachvortrag zu der in Zukunft erforderlichen Verwendung der Abfindung unerlässlich.

Der Unterhaltsberechtige kann im Rahmen seines Auskunftsanspruchs aus § 1605 BGB auch verlangen, Informationen über die zwischen dem Unterhaltspflichtigen und seinem Arbeitgeber im Zusammenhang mit der Abfindung getroffenen Vereinbarungen zu erhalten, denn andernfalls kann er die arbeitsrechtliche Qualifikation der Abfindung nicht nachvollziehen.

In der Praxis sollte man sich von hohen Abfindungsbeträgen nicht blenden lassen, denn anzurechnen ist nur der Nettobetrag, der - wie dieser Fall zeigt - deutlich niedriger ausfällt.

Weiter zum Volltext: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 24.10.2013 – 2 UF 213/12, DRsp-Nr. 2013/23563

Lesen Sie hierzu auch: Checkliste Mandantengespräch: Ansprüche unter Ehegatten