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Ausschluss des Versorgungsausgleichs wegen Kündigung mehrerer Kapitallebensversicherungen

Der Versorgungsausgleich ist gem. § 27 VersAusglG wegen grober Unbilligkeit ausgeschlossen, wenn der Ausgleichsberechtigte nur deshalb anspruchsberechtigt ist, weil er kurz vor Zustellung des Scheidungsantrags ohne vernünftigen Grund drei Kapitallebensversicherungsverträge gekündigt hat.

Darum geht es

In der 15-jährigen Ehezeit erwarb die Antragstellerin im Versorgungsausgleich auszugleichende Versorgungsanrechte.

Der Antragsgegner nahm in der Ehezeit nur geringe Zahlungen in Alterssicherungssysteme vor, die dem gesetzlichen Versorgungsausgleich unterliegen. Demgegenüber investierte er vornehmlich in drei Lebensversicherungsverträge, die er kurz vor der Zustellung des Scheidungsantrags gekündigt hat. Die gekündigten Lebensversicherungen wurden an die vom Antragsgegner betriebene GmbH ausgezahlt. Zumindest zwei der ausgezahlten Lebensversicherungen mit einem Auszahlungsbetrag von insgesamt über 21.000 € hätten dem Versorgungsausgleich unterlegen. Dieser Betrag entspricht etwa der Ausgleichspflicht der Antragstellerin nach Kapitalwerten.

Das Amtsgericht hat hinsichtlich der von der Antragstellerin erworbenen Anrechte den Versorgungsausgleich durchgeführt. Dagegen hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Das OLG schließt den Versorgungsausgleich gem. § 27 VersAusglG aus, weil dessen Durchführung unter Abwägung aller Umstände grob unbillig wäre. Eine grobe Unbilligkeit ergibt sich zunächst daraus, dass der Antragsgegner im Zusammenhang mit der Scheidung und dem damit einhergehenden Versorgungsausgleich treuwidrig seine ehezeitlichen Versorgungsanwartschaften durch die Kündigung von drei Lebensversicherungen geschmälert hat. Die Auflösung der Lebensversicherungen kurz vor der Zustellung des Scheidungsantrags war treuwidrig.

Abgesehen von einer beabsichtigten Versorgungsvereitelung ist ein plausibler Grund für die Kündigung der Lebensversicherungen nicht erkennbar. Der Antragsgegner hat nicht ansatzweise dargetan, dass er rechtlich verpflichtet gewesen sei, das Guthaben aus den Lebensversicherungen kurz vor der zu erwartenden Zustellung des Scheidungsantrags an die von ihm betriebene GmbH auszuzahlen. Die Auszahlung an die GmbH hat zudem zur Folge, dass die Antragstellerin auch über den Zugewinnausgleich keinen Anteil daran hat.

Eine wirtschaftliche Notwendigkeit der Kündigung der Lebensversicherungen ist ebenfalls nicht nachvollziehbar. Dem Antragsgegner verblieb ein Jahresnettoeinkommen aus seiner selbstständigen Tätigkeit von über 43.000 €. Zudem leistet er spätestens seit Mai 2012 – und damit nach Rechtshängigkeit der Scheidung – Beiträge auf neu abgeschlossene Lebensversicherungen, deren Höhe annähernd den während der Ehe geleisteten monatlichen Lebensversicherungsbeiträgen entspricht. Nachhaltige Liquiditätsschwierigkeiten, die eine Auflösung einer bestehenden Altersvorsorge nach der Trennung der Beteiligten rechtfertigen könnten, sind auch insofern nicht plausibel.

Für eine grobe Unbilligkeit sprechen auch die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten. Mit seinem Immobilienvermögen und hieraus erzielten Mieteinkünften ist der Antragsteller auch außerhalb des Versorgungsausgleichs für das Alter abgesichert und bedarf daher nicht der Übertragung der Anrechte der Antragstellerin. Demgegenüber verfügt die Antragstellerin über ein Arbeitseinkommen von lediglich 1.200 €. Immobilien- oder sonstiges Vermögen ist nicht vorhanden. Die Antragstellerin ist daher wirtschaftlich wesentlich schlechter als der Antragsgegner in der Lage, eine Absicherung für das Alter aufzubauen, die über die Grundsicherung hinausgeht.

Der Umstand, dass der Antragsgegner während der Ehe Darlehensverbindlichkeiten der Antragstellerin und deren Eltern bezahlt hat, steht einem Ausschluss des Versorgungsausgleichs nicht entgegen. Ein rechtlicher oder wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der freiwilligen Schuldentilgung durch den Antragsgegner während intakter Ehe und der Durchführung des Versorgungsausgleichs nach dem Scheitern der Ehe besteht nicht. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass sich durch die Schuldentilgung die dem Versorgungsausgleich unterliegende Alterssicherung des Antragsgegners verschlechtert hätte.

Folgerungen aus der Entscheidung

Eine grob unbillige Härte gem. § 27 VersAusglG liegt vor, wenn eine rein schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs unter den besonderen Gegebenheiten des konkreten Falles dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs in unerträglicher Weise widerspräche (BGH, Beschl. v. 18.01.2012 – XII ZB 213/11, DRsp-Nr. 2012/3264). Dabei verbietet sich eine schematische Betrachtungsweise. Die grobe Unbilligkeit muss sich vielmehr wegen des Ausnahmecharakters des § 27 VersAusglG im Einzelfall aus einer Gesamtabwägung der wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Verhältnisse beider Ehegatten ergeben (zum Ganzen auch OLG Köln, Beschl. v. 30.04.2012 – 14 UF 272/11, DRsp-Nr. 2012/23780).

Entzieht ein Ehegatte durch sein Verhalten dem vermögensrechtlichen Ausgleich Anrechte, liegt die Anwendung des § 27 VersAusglG nahe. Gerade die Versilberung einer Versorgung durch deren Kündigung und Auflösung kann eine grobe Unbilligkeit begründen. Auch insoweit muss aber – wie die detaillierte Abwägung des OLG zeigt – der Einzelfall umfassend beleuchtet werden.

Praxishinweis

Die gleichen Grundsätze gelten auch dann, wenn Lebensversicherungen erst nach dem Ehezeitende gekündigt und ausgezahlt werden. Dann darf der Versorgungsträger wegen § 29 VersAusglG allerdings keine Zahlungen vornehmen (eingehend Götsche, FuR 2013, 71, 76 f.).

Stets sollte bedacht werden, dass § 27 VersAusglG ein Ausnahmetatbestand ist. Die Darlegungs- und Beweislast für dessen Anwendung trägt der dadurch begünstigte Ehegatte; insbesondere hat das Gericht nicht von sich aus nach Ausschlussgründen zu suchen (OLG Brandenburg, FamRZ 2011, 902; Götsche in HK-VersAusglR, § 27 Rdnr. 84 m.w.N.). Besondere Fallkonstellationen können jedoch einen Manipulationsverdacht erregen, der zu einer Beweislastumkehr oder einer gestuften Darlegungslast führen kann. Besonders die zeitliche Nähe zum Scheidungsverfahren kann einen Manipulationsverdacht erregen und den verdächtigten Ehegatten zu einem substanziierten Vortrag dazu zwingen, warum er so gehandelt hat – so ist auch die Begründung des OLG zu verstehen.

Wichtig: Bevor § 27 VersAusglG in Betracht kommt, ist zunächst zu klären, ob die ausgezahlte Versorgung durch den Zugewinnausgleich ausgeglichen werden kann, was aber im vorliegenden Fall aufgrund der Auszahlung der Lebensversicherungen an die GmbH (offenbar) nicht möglich war.

OLG Köln, Beschl. v. 02.05.2013 – 4 UF 33/13, DRsp-Nr. 2013/14414

Lesen Sie hierzu auch: Vereinbarung eines Ausschlusses des Versorgungsausgleichs