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Anspruch auf Kita-Platz: 23.000 € Schadensersatz bei fehlendem Angebot

Kinder haben Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder Kindertagespflege. Für den Träger der Jugendhilfe besteht die Amtspflicht jedem anspruchsberechtigten Kind, einen angemessenen Platz nachzuweisen. Nachdem ein solcher Platz nicht rechtzeitig angeboten wurde, hat das OLG Frankfurt einer Mutter für ihren Verdienstausfall rund 23.000 € Schadensersatz zugesprochen.

Darum geht es

Die Klägerin begehrt von dem beklagten Landkreis Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung, da er ihr von März bis November 2018 trotz Bedarfsanmeldung keinen zumutbaren Betreuungsplatz für ihren einjährigen Sohn angeboten habe. Der Beklagte ist Träger der öffentlichen Jugendhilfe.

Das Landgericht hat der Klage in Höhe von gut 18.000 € stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen (Landgericht Darmstadt, Urt. v. 22.11.2019 - 2 O 351/18).

Wesentliche Entscheidungsgründe

Auf die Berufung der Klägerin hat das OLG Frankfurt ihr weiteren Schadensersatz in Höhe von gut 5.000 € zugesprochen. Die Ausgleichssumme beläuft sich damit auf insgesamt gut 23.000 €.

Kinder haben ab Vollendung des ersten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder Kindertagespflege. Daraus ergibt sich die Amtspflicht des Trägers der Jugendhilfe, jedem anspruchsberechtigten Kind, für welches rechtzeitig Bedarf angemeldet wurde, einen angemessenen Platz nachzuweisen.

Der Beklagte hat nach dem OLG Frankfurt die Amtspflicht zur unbedingten Gewährleistung eines Betreuungsplatzes verletzt. Er sei verpflichtet, sicherzustellen, dass eine dem Bedarf entsprechende Anzahl von Betreuungsplätzen vorgehalten werde.

Diese Pflicht bestehe auch nicht etwa nur im Rahmen der vorhandenen, von den Gemeinden geschaffenen Kapazitäten, sondern der beklagte Landkreis sei aufgrund seiner Gesamtverantwortung gehalten, eine ausreichende Anzahl von Betreuungsplätzen selbst zu schaffen oder durch geeignete Dritte bereitzustellen.

Trotz rechtzeitiger Anmeldung des Bedarfs habe er dem Sohn der Klägerin keinen zumutbaren Betreuungsplatz zur Verfügung gestellt. Die Klägerin habe ihren Bedarf unmittelbar nach der Geburt rechtzeitig bei der Gemeinde angemeldet.

Soweit zwar die bloße Anmeldung bei einer Wunscheinrichtung nicht ausreichend sei, habe die Klägerin hier u.a. durch das Ankreuzen aller vorhandenen Kinderbetreuungseinrichtungen und Kindertagespflege deutlich gemacht, dass sie einen umfassenden Betreuungsbedarf geltend mache.

Da die Gemeinde zur Weiterleitung von Bedarfsmeldungen an den Landkreis verpflichtet sei, habe sie den Bedarf auch nicht unmittelbar gegenüber dem Landkreis anmelden müssen.

Der Beklagte habe der Klägerin keinen zumutbaren Platz für den streitgegenständlichen Zeitraum nachgewiesen. Ein Platz müsse dem konkret-individuellen Bedarf des Kindes und seiner Eltern in zeitlicher und räumlicher Hinsicht entsprechen.

Der Nachweis erfordere dabei das aktive Handeln des Beklagten im Sinne eines Vermittelns bzw. Verschaffens. Soweit der Beklagte nur darauf verweise, es seien freie Plätze vorhanden gewesen, genüge dies nicht.

Der von dem Beklagten tatsächlich nachgewiesene Platz in Offenbach sei angesichts der räumlichen Entfernung nicht zumutbar gewesen.

Die Fahrzeit vom Wohnort zum Betreuungsplatz betrüge bereits ohne Berücksichtigung der erheblichen Verkehrsbelastung dieser Strecke in den üblichen Bring- und Abholzeiten 30 Minuten. Bis zum Arbeitsplatz wäre die Klägerin für eine Strecke 56 Minuten unterwegs.

Bei der Zumutbarkeitsprüfung sei neben dem individuellen Bedarf des Kindes auch auf die Bedürfnisse der Eltern einzugehen.

Die Klägerin habe damit Anspruch auf Ersatz des erlittenen Verdienstausfalls, den sie infolge des Fehlens eines Betreuungsplatzes erlitten habe.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig (Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH unter Az. III ZR 91/21).

OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 28.05.2021 – 13 U 436/19