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Anforderungen an die Feststellung des Scheiterns der Ehe bei Demenz eines Ehegatten

Eine Zerrüttung der Ehe lässt sich feststellen, wenn die Ehegatten seit über einem Jahr getrennt leben und die Anhörung des an Demenz erkrankten Antragstellers sowie das übrige Ergebnis der Beweisaufnahme auf den Scheidungswillen schließen lassen.

Darum geht es

Die Demenzerkrankung des ehemaligen Fußballmanagers Rudi Assauer ist durch ihn selbst öffentlich geworden, seine Scheidung nun durch den Beschwerdebeschluss des Oberlandesgerichts. Rechtlich problematisch war, dass seine Betreuerin (seine Tochter) den Scheidungsantrag gestellt hatte, er selbst zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung aber keinen rechtlich relevanten Scheidungswillen mehr äußern konnte und seine Ehefrau die Zerrüttung bestritt.

Zu prüfen war, ob durch die Betreuerin ein wirksamer Scheidungsantrag gestellt worden war und wie sich das Gericht vom Scheitern der Ehe i.S.d. §§ 1565 Abs. 1 und 2 BGB, 1567 BGB überzeugen kann, wenn der Antragsteller demenzbedingt nichts mehr dazu beitragen kann und der Antragsgegner das Scheitern der Ehe bestreitet. Die Ehefrau hat noch vor dem Oberlandesgericht behauptet, dass sie ihren Mann liebe und bis zum letzten Atemzug pflegen wolle. Die Ehegatten waren weniger als drei Jahre verheiratet.

Der Ehemann erteilte seiner Frau im Mai 2011 eine Vorsorgevollmacht. Ende 2011 kam es – unter streitigen Umständen – zur räumlichen Trennung. Im April 2012 ist seine Tochter als gesetzliche Betreuerin eingesetzt worden, u.a. für die „Vertretung in familienrechtlichen Angelegenheiten, insbesondere Scheidungsverfahren“. Die Vorinstanzen haben nicht an der ordnungsgemäßen Bevollmächtigung der Verfahrensvertreter durch die Tochter gezweifelt. Ohnehin wäre die Ehefrau aufgrund der widerstreitenden Interessen der Beteiligten daran gehindert, ihren Ehemann wirksam zu vertreten.

Der Ehemann hat dreimal ausdrücklich bekundet, dass er nicht mehr mit seiner Ehefrau zusammen sein und nicht nur die Trennung, sondern auch die Scheidung wolle. Im Frühjahr 2012 hat er seinen Trennungs- und Scheidungswillen noch hinreichend klar geäußert. Zu diesem Zeitpunkt litt er an einer mittelschweren Demenz.

Die Vorinstanzen haben auch Zeugen vernommen, um festzustellen, welchen Trennungs- und Scheidungswillen der Ehemann geäußert hatte, als er dazu gesundheitlich noch in der Lage war.

Eine Rolle mag auch gespielt haben, dass der Ehemann eine Person des öffentlichen Lebens war und sich auch in der Öffentlichkeit zum Zustand seiner Ehe geäußert hatte.

Die von der Ehefrau beantragte Beobachtung der Interaktion zwischen ihr und ihrem Ehemann durch einen Fachpsychiater hat das Oberlandesgericht für die weitere Sachverhaltsaufklärung für nicht mehr erforderlich gehalten.

Ein nach außen erkennbarer natürlicher Trennungs- und Scheidungswille verlangt keine volle Geschäftsfähigkeit, wenn er willensgesteuert und bewusst ist. Problematisch war hier: Den natürlichen Scheidungswillen hatte der Ehemann außerhalb des Verfahrens geäußert. Bei seiner Anhörung im Verfahren hat ihm ein erkennbar vorhandenes Bewusstsein gefehlt, noch mit seiner Frau verheiratet zu sein, ebenso wie die Fähigkeit, die Bedeutung einer Ehe und einer Scheidung noch sinnvoll einzuordnen. Er hat seine Ehefrau auf einem Foto erkannt und u.a. gesagt: „Die ist doch längst weg.“ Ein geriatrischer Sachverständiger hat dies nicht für einen rechtlich relevanten, klar bekundeten Scheidungswillen gehalten.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Das OLG argumentiert jedoch mit § 128 Abs. 3 FamFG, der vorsieht, dass die Scheidungsvoraussetzungen deutlich vor der abschließenden mündlichen Verhandlung zum letzten Mal sicher festgestellt werden können.

Die Ehefrau hätte zudem die Scheidung verhindern können, indem sie rechtzeitig Verbundanträge gestellt hätte, die noch nicht entscheidungsreif waren. Sie hatte Stufenanträge zum nachehelichen Verbund gestellt (Auskunft, Rechnungslegung und unbezifferte Leistung). Die Auskunft war aus Sicht des Oberlandesgerichts ordentlich erfüllt. Da die Leistungsstufe unbeziffert geblieben ist, liegt kein hinreichend bestimmter Sachantrag i.S.d. §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO vor.

Das OLG führt dennoch aus, warum es es ohnehin für unwahrscheinlich hält, dass der Ehefrau noch nachehelicher Unterhalt zusteht, und äußert die Vermutung, dass die Ehefrau die Scheidung auch aus erbrechtlichen Motiven verzögern wolle.

Folgerungen aus der Entscheidung

Zu diesem Thema passt das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 07.11.2001 (XII ZR 247/00) zur Frage des Scheiterns der Ehe bei Geisteskrankheit eines Ehegatten. Im dortigen Fall hielt der BGH die Scheidungsvoraussetzungen nicht für erfüllt, obgleich die Ehefrau demenzbedingt nicht mehr das Bewusstsein hatte, in einer Ehe zu leben. Jedoch gab es keine einen Scheidungswillen bekundenden Äußerungen, auf die der Bundesgerichtshof zurückgreifen konnte, und in der Interaktion zwischen den Ehegatten war keine Ablehnung durch die demente Ehefrau zu spüren. Den Scheidungsantrag hatte der gesetzliche Betreuer der dementen Frau gestellt, während der Ehemann an der Ehe festhielt.

Praxishinweis

Bei einer fortschreitenden Erkrankung wie einer Demenz ist es wichtig, rechtzeitig Beweise für den Scheidungswillen zu sichern. In Betracht kommt z.B. eine notariell beurkundete Erklärung des Erkrankten, versehen mit einem fachärztlichen Attest über den Grad der Erkrankung und die Fähigkeit zur natürlichen Willensbildung zum Zeitpunkt dieser Erklärung.

Weiter zum Volltext: OLG Hamm, Beschl. v. 16.08.2013 – 3 UF 43/13, DRsp-Nr. 2013/22034