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Abänderung einer Jugendamtsurkunde

Urteilsbesprechung mit Praxishinweis: Zum Umfang der Darlegungslast, wenn der Unterhaltsschuldner die Herabsetzung des in einer Jugendamtsurkunde titulierten Kindesunterhalts begehrt. Mit einer Checkliste zur Darlegung bei Abänderungsklagen.

OLG Dresden - Beschluss vom 11.03.2008 (20 WF 674/07)

Ein Unterhaltsschuldner, der die Herabsetzung von in einer Jugendamtsurkunde tituliertem Kindesunterhalt verlangt, muss mit seiner Abänderungsklage schlüssig darlegen, inwieweit und warum sich sein unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen wesentlich verschlechtert hat. Das gilt auch dann, wenn der Jugendamtsurkunde keine zuvor ausdrücklich getroffene Unterhaltsvereinbarung der Parteien zugrunde liegt.

Darum geht es:

Der Antragsteller hatte in 2004 Jugendamtsurkunden errichten lassen, in denen er eine Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinen drei Kindern i.H.v. jeweils 150 % des Regelbetrags nach § 2 RegelbetragVO anerkannt hatte. Damals erzielte er im Wesentlichen Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit. Zum 01.07.2006 wechselte er in ein Arbeitsverhältnis, wurde zum 01.01.2007 wieder selbständig und bezieht seit 13.07.2007 Leistungen nach dem SGB II. Er macht geltend, sein Einkommen sei jedenfalls seit dem 01.07.2006 nachhaltig niedriger als zuvor, so dass er unterhaltsrechtlich nicht mehr leistungsfähig sei.

Wesentliche Entscheidungsgründe:

Die von Antragsteller begehrte Prozesskostenhilfe wurde ihm mangels hinreichender Erfolgsaussicht (§ 114 ZPO) sowohl durch das Amtsgericht als auch – auf seine sofortige Beschwerde hin – durch das Oberlandesgericht versagt, da er die Veränderung seiner Einkünfte nicht ausreichend dargetan habe.
Ein Unterhaltsschuldner, der mittels der Errichtung einer Jugendamtsurkunde seine Unterhaltsverpflichtung anerkannt hat, kann sich hiervon grundsätzlich nur nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage lösen (vgl. Graba, FamRZ 2005, 678).

Eine Abänderungsklage des Schuldners nach § 323 ZPO, die darauf gestützt werden soll, dass dessen unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit nachgelassen hat oder entfallen ist, verspricht nur dann Erfolg, wenn der Unterhaltsschuldner darlegt, dass sich seine wirtschaftlichen Verhältnisse nach der Errichtung des Titels wesentlich verschlechtert haben. Dazu genügt nicht allein die Schilderung seiner Einkommensverhältnisse zum Zeitpunkt des späteren Abänderungsbegehrens, selbst wenn der Unterhaltsschuldner nach dieser späteren Einkommenslage ganz oder teilweise leistungsunfähig wäre. Notwendig sind Angaben dazu, welche Einkünfte und Aufwendungen der Titulierung zugrunde gelegt worden sind und (im Lichte der gesteigerten Erwerbsobliegenheit gem. § 1603 Abs. 2 BGB) warum der Unterhaltsschuldner jetzt weniger verdient.

Praxistipp: Checkliste zur Darlegung bei Abänderungsklagen

Der Abänderungskläger trägt bei Abänderungsklagen in aller Regel die vollständige Darlegungs- und Beweislast für die Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse (BGH, FamRZ 2004, 1179, 1180). Es ist ein Vergleich zwischen der alten und der neuen Tatsachenlage herzustellen. Zu folgenden Punkten sollte daher vorgetragen werden (vgl. Götsche, ZFE 2007, 207, 214):

frühere Verhältnisse

* Vorlage des abzuändernden Titels
* früheres Einkommen des Unterhaltspflichtigen
* besondere persönliche Umstände auf Seiten des Unterhaltspflichtigen (Alter, Erwerbstätigkeit, weitere Unterhaltspflichten usw.)
* früheres Einkommen des Unterhaltsberechtigten
* besondere persönliche Umstände auf Seiten des Unterhaltsberechtigten (Alter, Erwerbstätigkeit, weitere Unterhaltspflichten usw.)
* Rechenweg des früheren Unterhalts

veränderte bzw. aktuelle Verhältnisse

* verändertes bzw. aktuelles Einkommen des Unterhaltspflichtigen
* besondere persönliche Umstände auf Seiten des Unterhaltspflichtigen (Alter, Erwerbstätigkeit, weitere Unterhaltspflichten usw.)
* verändertes bzw. aktuelles Einkommen des Unterhaltsberechtigten
* besondere persönliche Umstände auf Seiten des Unterhaltsberechtigten (Alter, Erwerbstätigkeit, weitere Unterhaltspflichten usw.)
* Berechnung des neuen Unterhalts

Praxishinweis: Besonderheiten bei Jugendamtsurkunden

Bei Jugendamtsurkunden sollte danach differenziert werden, ob diese mit oder ohne eine Vereinbarung der Unterhaltsparteien errichtet worden ist. Zwar ist in beiden Fällen § 323 ZPO anzuwenden (vgl. insb. BGH FamRZ 2004, 24; OLG Düsseldorf NJW-RR 2006, 946; Götsche, ZFE 2007, 207, 213; teilweise a.A. Graba, FamRZ 2005, 678, 679). Keine Unterschiede bestehen auch insoweit, als die Voraussetzungen des § 323 Abs. 2 und Abs. 3 ZPO (Präklusion, Verbot rückwirkender Abänderung) auf Jugendamtsurkunde nicht anwendbar sind. Jedoch kann in materieller Hinsicht ein ohne zugrundeliegende Parteivereinbarung errichteter Titel  ohne Bindung frei an die zum jeweiligen Zeitpunkt bestehenden Verhältnisse angepasst werden (BGH FamRZ 2004, 24). Lediglich bei einem mit Parteivereinbarung errichteten Titel müssen die Grundlagen der Vereinbarung bei der materiell-rechtlichen Anpassung gem. §§ 242, 313 BGB gewahrt bleiben (BGH FamRZ 2003, 304). Davon weicht die Entscheidung des OLG München – ohne dies näher auszuführen – ab.

Weiterführende Informationen zu diesem Thema im Rechtsportal:

* Ullrich, Erläuterungen zur Unterhaltsabänderungsklage: Voraussetzungen einer Abänderungsklage