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Straßenbauarbeiten: Keine Haftung

Das Landgericht Coburg hat die Klage eines an einer Straßenbaustelle gestürzten Radfahrers gegen die in diesem Bereich verantwortliche Baufirma abgewiesen. Nach dem schwerwiegenden Sturz wollte der Radler Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen unterlassener Absicherung der Baustelle. Der genaue Unfallhergang und eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht konnte aber nicht festgestellt werden.

Darum geht es

Der Kläger befuhr als Radfahrer im Sommer 2014 in einer Gemeinde des Coburger Landkreises eine Straße, deren Belag über eine Breite von 80 cm zumindest 4 cm tief aufgefräst war. Eine Absperrung der Baustelle war nicht erfolgt. Links neben dem aufgefrästen Streifen verblieb ein Fahrweg von 2,75 m Breite. Der Kläger stürzte und zog sich dabei so erhebliche Verletzungen zu, dass er mehrere Tage stationär im Krankenhaus behandelt werden und sich anschließend einer mehrwöchigen Reha-Maßnahme unterziehen musste. Die mit der Aufgrabung beauftragte Baufirma und deren verantwortlichen Bauleiter nahm der Kläger daraufhin auf Schmerzensgeld im fünfstelligen Bereich und weitere Schadensersatzpositionen in Anspruch.

Der Kläger konnte sich zwar an die Einzelheiten des Unfallhergangs nicht mehr erinnern, hatte aber behauptet, er sei aufgrund der nicht abgesicherten Auffräsung gestürzt. Bei einer ordnungsgemäßen Absicherung wäre das nicht geschehen.
Die Beklagten bestreiten, dass der Unfall durch die Baustelle verursacht worden sei. Ebenso gut könne der Kläger einen Schwächeanfall erlitten haben oder durch die Einwirkung Dritter zu Fall gekommen sein. Jedenfalls träfe den Kläger ein überwiegendes Mitverschulden, weil die Baustelle und die Auffräsung bei den zur Unfallzeit besten Wetter- und Sichtbedingungen gut erkennbar gewesen seien.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Das Gericht hat die Klage kostenpflichtig abgewiesen.

Die Frage, ob durch die unterlassene Absperrung der Baustelle eine Verkehrssicherungspflicht verletzt wurde, hat das Gericht zwar offengelassen, zugleich hieran jedoch erhebliche Zweifel geäußert, weil der Kläger die aufgefräste Fahrbahnoberfläche rechtzeitig erkannt und sich trotzdem zum Weiterfahren entschieden hatte. Der Verkehrssicherungspflichtige muss danach aber nur diejenigen Gefahren ausräumen, vor denen ein verständiger und sorgfältiger Benutzer sich nicht selbst schützen kann, weil die Gefahrenlage völlig überraschend eintritt oder aber nicht ohne weiteres erkennbar ist.

Beides war nach der Auffassung des Gerichts hier nicht der Fall. Angesichts der geringen Tiefe der Auffräsung von 4 cm hielt das Gericht auch eine Absturzsicherung nicht für erforderlich. Der Kläger hätte sich vielmehr auf die von ihm erkannte Auffräsung einstellen und notfalls vom Rad absteigen müssen.

Weiterhin war das Gericht nicht davon überzeugt, dass der Sturz des Klägers überhaupt auf die Baustelle zurückzuführen ist, weil es andere lebensnahe Unfallmöglichkeiten nicht hinreichend sicher ausschließen konnte. Sowohl der Kläger, der an den Unfallhergang keine Erinnerung mehr hatte, als auch sein Fahrrad, waren neben der Auffräsung gefunden worden. Auch sonstige Spuren, die darauf hätten schließen lassen können, dass der Kläger in der Auffräsung gestürzt war, gab es nicht. Die Beweislast hierfür trägt aber der Kläger als derjenige, der einen Schadensersatzanspruch geltend macht.

Die Entscheidung des Landgerichts zeigt erneut, dass sich Rechtsstreitigkeiten nicht selten an der Frage der Beweislast entscheiden. Kann eine Partei die ihr günstigen Umstände nicht zur Überzeugung des Gerichts nachweisen, geht dies regelmäßig zu ihren Lasten. Weiterhin zeigt das Landgericht nochmals die Grenzen der Verkehrssicherungspflicht auf. Danach können insbesondere Straßenverkehrsteilnehmer nicht eine Straße erwarten, die schlechthin gefahrlos und frei von allen Mängeln ist. Vielmehr müssen sich die Verkehrsteilnehmer den gegebenen Verhältnissen anpassen und die Straßen so hinnehmen, wie sie sich ihnen erkennbar darbieten.

Landgericht Coburg, Urt. v. 11.02.2015 – 12 O 522/14