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Schockschaden: Schmerzensgeld für Unfallhelfer

Ein Unfallhelfer, der einen tödlichen Verkehrsunfall seiner Lebensgefährtin mitansehen musste, bekommt vom Unfallverursacher bzw. dessen Versicherung ein Schmerzensgeld von insgesamt 13.500 €. Vor dem Landgericht Ansbach haben die Parteien einen entsprechenden Vergleich geschlossen. Schmerzensgeld wird Angehörigen von Unfallopfern nur unter besonderen Voraussetzungen gewährt.

Darum geht es

Am 31.07.2004 geriet ein bei der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung versicherter Pkw mit Anhänger aus Schleswig-Holstein auf der BAB 7 in südlicher Fahrtrichtung (Gemeindegebiet Diebach) infolge einer ungleichmäßigen Beladung seines Fahrzeugs und seines Anhängers ins Schleudern, wodurch der einachsige Anhänger abriss.

Während der Pkw nach rechts von der Autobahn abkam und in die Böschung fuhr, stürzte der Anhänger auf der linken Fahrspur auf die Seite und blieb liegen. Der Kläger und seine Lebensgefährtin hielten an der Unfallstelle an, um Hilfe zu leisten. Die Lebensgefährtin des Klägers kümmerte sich auf dem Bankett neben dem Seitenstreifen um die Insassen des verunfallten Fahrzeugs, der Kläger versuchte den nachfolgenden Verkehr auf das Unfallgeschehen aufmerksam zu machen und zum Langsamfahren zu veranlassen.

Unter dem nachfolgenden Verkehr befand sich auch ein Motorradfahrer, der sich mit einer Geschwindigkeit von 180 bis 190 km/h der Unfallstelle näherte. Als er den Anhänger auf der linken Spur erkannte, bremste er und versuchte auszuweichen. Er konnte sein Fahrmanöver jedoch nicht mehr kontrollieren und kam nach rechts von der Fahrbahn ab, wo er mit der Lebensgefährtin des Klägers kollidierte und diese ca. 20 m durch die Luft schleuderte. Diese verstarb an ihren erheblichen Verletzungen.

Die in Anspruch genommene Haftpflichtversicherung des Pkw bezahlte außergerichtlich Beerdigungskosten von 12.200 € sowie einen Schmerzensgeld von 3.500 € an den Kläger, der geltend machte, durch den Verlust seiner Lebensgefährtin jede Lebensfreude verloren zu haben. Er sei durch das miterlebte Geschehen psychisch sehr belastet, was zu Alpträumen und auch körperlichen Reaktionen wie Herz-Rhythmus-Störungen geführt habe.

Er sei fünf Wochen arbeitsunfähig gewesen und habe sich längere Zeit in psychotherapeutischer Behandlung befunden. Insgesamt sei seine körperliche und psychische Belastbarkeit stark gesunken, weshalb ein Schmerzensgeld von weiteren 75.000 € angemessen sei. Erst nun nach etwa zehn Jahren sei er an einem Punkt, der für ihn wieder akzeptabel sei. Ferner machte er Schadenersatz für verschiedene weitere Schadenspositionen geltend.

Zu den – von der Versicherung bestrittenen – Behauptungen des Klägers holte das Gericht ein psychiatrisches Sachverständigengutachten ein und hörte den Hausarzt des Klägers als Zeugen.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass der Kläger durch den miterlebten Verlust seiner Lebensgefährtin an einer posttraumatischen Belastungsstörung gelitten habe, deren genaue Dauer sich nicht mehr sicher rekonstruieren lasse, die aber spätestens seit Anfang des Jahres 2013 abgeklungen war.

Ob die körperlichen Reaktionen unfallbedingt seien, sei ohne weitere Sachverständigengutachten nicht sicher festzustellen. Zur Vermeidung einer weiteren, langdauernden Beweisaufnahme schlug das Gericht die Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes von 10.000 € vor. Dem haben die Parteien nun übereinstimmend zugestimmt.

Zum Hintergrund:

Schmerzensgeld wird nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung Angehörigen eines tödlich Verunglückten nur dann zuerkannt, wenn über die üblicherweise mit einem Todesfall eines Angehörigen verbundenen seelischen Erschütterungen wie Trauer und seelischer Schmerz eine Beeinträchtigung von Krankheitswert, etwa eine posttraumatische Belastungsstörung oder durch die seelische Belastung ausgelöste somatische Erkrankungen, vorliegt. Dies liegt insbesondere dann nahe, wenn der Betroffene selbst an dem Unfallgeschehen beteiligt war bzw. dieses miterlebt hat.

Strafrechtlich wurde der Unfall jeweils wegen fahrlässiger Tötung mit Geldstrafen von 60 Tagessätzen für den Führer des Pkw und 120 Tagessätzen für den Motorradfahrer durch das Amtsgericht Ansbach geahndet.

Landgericht Ansbach, Beschl. v. 12.10.2015 – 2 O 4/12