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BGH - Entscheidung vom 21.02.2017

X ZR 1/15

Normen:
PatG § 3 Abs. 1
PatG § 4 S. 1
PatG § 116 Abs. 2
PatG § 117

BGH, Urteil vom 21.02.2017 - Aktenzeichen X ZR 1/15

DRsp Nr. 2017/4751

Streitpatent betreffend einen Schmutzsauger; Ausrüstung von Schmutzsaugern mit einem geteilten Ringfilter; Neuheit des Gegenstands des Patentanspruchs

Der Gegenstand eines Patentanspruchs ist patentfähig, wenn er neu ist und dem Fachmann nicht durch den Stand der Technik nahegelegt war. Der Fachmann ist nach dem Gegenstand des Streitpatents zu bestimmen. Danach ist zuständiger Fachmann für ein einen Schmutzsauger betreffendes Streitpatent ein Maschinenbauingenieur, der Kenntnisse mit der Konstruktion von Sauggeräten für Reinigungszwecke hat.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 16. September 2014 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Das deutsche Patent 101 01 219 wird dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass in Patentanspruch 1 das Wort "nun" durch die Wendung "der Luftstrom nun als stoßartiger Reinigungsluftstrom von dem Gebläse (21)" ersetzt wird und dass sich die Patentansprüche 2, 9, 10 und 11 auf die so geänderte Fassung rückbeziehen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 9/10 der Klägerin und zu 1/10 der Beklagten auferlegt.

Normenkette:

PatG § 3 Abs. 1 ; PatG § 4 S. 1; PatG § 116 Abs. 2 ; PatG § 117 ;

Tatbestand

Die Beklagte ist Inhaberin des am 12. Januar 2001 angemeldeten deutschen Patents 101 01 219 (Streitpatents), das einen Schmutzsauger betrifft. Patentanspruch 1, auf den zehn weitere Patentansprüche zurückbezogen sind, lautet:

"Schmutzsauger mit einem mindestens in zwei Filterteile (3, 4) geteilten Filter (2), welcher an/in einem Schmutzsaugerbehälter (1) angeordnet ist und welche Filterteile (3, 4) einzeln mit einem Luftstrom eines Gebläses (21) beaufschlagbar sind, und mit zwei Ventilen zur getrennten Steuerung der Abreinigung der Filterteile (3, 4) des Filters (2), dadurch gekennzeichnet, dass im Normalbetrieb die mindestens zwei Filterteile (3, 4) von dem schmutzbehafteten Luftstrom radial von außen nach innen durchsetzt sind, und dass jedem der mindestens zwei Filterteile (3, 4) ein Drei-Wege-Ventil zugeordnet ist, welche in der Reinigungsstellung schlagartig umschalten, so dass bei dem jeweiligen Filterteil (3 oder 4) der Luftstrom umgekehrt wird und nun von radial innen nach radial außen die radial außen befindlichen Schmutzpartikel abreinigt, während das/die andere/n Filterteil/e (4 oder 3) nach wie vor in Funktion bleibt/en, weil das dort angeordnete Drei-Wege-Ventil in seiner Betriebsstellung verbleibt."

Die Klägerin hat das Streitpatent im Umfang des Patentanspruchs 1 sowie der darauf rückbezogenen Patentansprüche 2, 9, 10 und 11 angegriffen. Sie hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei insoweit weder patentfähig noch so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann ihn ausführen könne. Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten Fassung und hilfsweise in zwölf geänderten Fassungen verteidigt.

Das Patentgericht hat das Streitpatent im angegriffenen Umfang für nichtig erklärt. Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie das Streitpatent zuletzt mit einem neuen Hauptantrag in der Fassung des zweitinstanzlichen Hilfsantrags IA und mit 13 Hilfsanträgen in der erteilten und in der Fassung der erstinstanzlichen Hilfsanträge verteidigt. In Patentanspruch 1, auf dessen geänderte Fassung sich die weiteren mit der Nichtigkeitsklage angegriffenen Patentansprüche 2, 9, 10 und 11 rückbeziehen sollen, soll nach der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung das Wort "nun" durch die Wendung "der Luftstrom nun als stoßartiger Reinigungsluftstrom von dem Gebläse (21)" ersetzt werden. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage, soweit sie sich gegen die im Berufungsverfahren verteidigte Fassung des Streitpatents richtet.

I. Das Streitpatent betrifft einen Schmutzsauger.

1. Nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift ist bekannt, Schmutzsauger mit einem geteilten Ringfilter auszurüsten, so dass, während die eine der beiden Filterhälften abgereinigt wird, die andere weiterhin in Betrieb bleiben kann.

In der Streitpatentschrift werden unterschiedliche im Stand der Technik bekannte Filteranordnungen beschrieben, die so gestaltet sind, dass die Filter bei laufendem Betrieb abgereinigt werden können. Die deutsche Patentschrift 41 38 223 (D5) betrifft ein Sauggerät für Reinigungszwecke mit einer Filteranlage mit zwei separaten Filtern, von denen wahlweise der eine oder der andere mit einem Ventilschieber geschlossen oder geöffnet werden kann, so dass stets ein Filter in Betrieb bleibt, während der andere abgereinigt wird. Die Streitpatentschrift bezeichnet es als nachteilig, dass bei dieser Anordnung kein stoßartiger Abreinigungsimpuls entstehe und daher die Filter relativ schlecht gereinigt würden. Die deutsche Offenlegungsschrift 37 09 671 (B2) offenbare einen Partikelfilter, insbesondere zum Filtern von Dieselabgasen, bei dem das zu reinigende Gas den Filterkörper von außen nach innen durchströme, während die Filterkerzen von innen mit Druckluft beaufschlagbar seien. Bei diesem System könne - so erläutert die Streitpatentschrift - der Filterkörper während des Motorbetriebes ohne zusätzliche Temperaturerhöhung regeneriert werden, indem mit der Druckluft die Partikel vom Filterkörper abgeblasen und in einen Sammelbehälter befördert würden. Die deutsche Offenlegungsschrift 43 06 284 (B3) beschreibe ein Verfahren zur Abscheidung von festen Verbrennungsrückständen aus Abgasen von Verbrennungskraftmaschinen. Hierbei würden die Abgase durch einen drehbaren Filter geleitet, in dem die festen Verbrennungsrückstände kurzzeitig zurückgehalten und anschließend mit angesaugter Frischluft und zusätzlich zugeführter Druckluft aus dem Filter wieder ausgeblasen und zusammen mit der Frischluft in den Verbrennungsraum der Kraftmaschine zur Nachverbrennung zurückgeführt würden.

2. Das Patentgericht hat unter Bezugnahme auf die Formulierung der Aufgabe in der Streitpatentschrift angenommen, diese bestehe darin, bei einem aus dem Stand der Technik bekannten Schmutzsauger die Abreinigung des Filters insbesondere durch eine stoßartige Abreinigung wirksamer zu gestalten. Die stoßartige Abreinigung des Filters gehört indessen nicht zur Aufgabe, sondern ist bereits Teil der erfindungsgemäßen Lösung. Das technische Problem ist daher allgemeiner darin zu sehen, die Abreinigung des Filters eines Schmutzsaugers zu verbessern.

Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent in der mit dem Hauptantrag zuletzt verteidigten Fassung von Patentanspruch 1 einen Schmutzsauger vor, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen (die abweichende Gliederung des Patentgerichts ist in eckigen Klammern wiedergegeben):

1.

Der Schmutzsauger weist auf:

1.1

einen Schmutzsaugerbehälter (1),

1.2

einen Filter (2), der

1.2.1

am oder im Schmutzsaugerbehälter (1) angeordnet [2] und

1.2.2

mindestens in zwei Filterteile (3, 4) geteilt ist [1];

1.3

jedem der Filterteile (3, 4) zugeordnete Drei-WegeVentile zur getrennten Steuerung der Abreinigung der Filterteile (3, 4) [4; 6] und

1.4

ein Gebläse (21).

2.

Die Filterteile (3, 4) sind einzeln mit einem Luftstrom eines Gebläses (21) beaufschlagbar [3].

3.

Im Normalbetrieb werden die Filterteile (3, 4) von dem schmutzbehafteten Luftstrom radial von außen nach innen durchsetzt [5].

4.

In der Reinigungsstellung

4.1

schaltet das dem zu reinigenden Filterteil (3 oder 4) zugeordnete Drei-Wege-Ventil schlagartig um [7] und

4.2

wird infolgedessen bei dem zu reinigenden Filterteil (3 oder 4) der Luftstrom umgekehrt und reinigt nun als stoßartiger Reinigungsluftstrom von dem Gebläse (21) von radial innen nach radial außen die radial außen befindlichen Schmutzpartikel ab [8; 9],

4.3

während die den anderen Filterteilen zugeordneten DreiWege-Ventile in der Betriebsstellung verbleiben [10] und

4.4

die anderen Filterteile (4 oder 3) infolgedessen nach wie vor in Funktion bleiben [10].

3. Mit Blick auf einige dieser Merkmale bedarf der Patentanspruch der Erläuterung:

a) Die Streitpatentschrift enthält weder eine allgemeine Definition des Begriffs "Schmutzsauger" noch macht sie Angaben zum Einsatzgebiet des streitpatentgemäßen Schmutzsaugers nach Merkmal 1.

aa) Das Patentgericht hat angenommen, der Fachmann werde, da dem Begriff "Schmutzsauger" in der Fachwelt keine eindeutige, feststehende Bedeutung zukomme, den Sinngehalt von Merkmal 1 anhand des in der Streitpatentschrift geschilderten Standes der Technik ermitteln, der zugleich auch für die Bestimmung des zuständigen Fachmanns maßgeblich sei. Im Streitfall sei dies ein Maschinenbauingenieur mit langjähriger praktischer Erfahrung und speziellen Kenntnissen bei der Konstruktion von Filtern für schmutz- oder partikelbehaftete Luftströme, der hinsichtlich der Steuerung bei Bedarf einen Elektrotechniker zu Rate ziehe. Dieser Fachmann werde den Begriff "Schmutzsauger" entgegen der Auffassung der Beklagten nicht auf mobile, handbetriebene Sauggeräte für Reinigungszwecke, wie Haushalts- oder Gewerbestaubsauger einengen, sondern darunter allgemein eine Saugvorrichtung für partikelbehaftete Luft verstehen. Dementsprechend erfasse das Streitpatent neben Haushalts- oder Gewerbestaubsaugern beispielsweise auch Abscheider für Abgase von Verbrennungskraftmaschinen oder Abscheider in pneumatischen Förderanlagen.

bb) Dies hält den Angriffen der Berufung nicht stand.

Das Streitpatent betrifft, auch wenn die Streitpatentschrift weder Angaben zur Größe der streitpatentgemäßen Vorrichtung noch dazu enthält, ob diese mobil oder ortsfest ist, Sauggeräte, die der Aufnahme bzw. Entfernung von Schmutz dienen, nicht jedoch Abscheider, die zur Trennung von Stoffgemischen eingesetzt werden und in der Regel zur vollständigen Entfernung eines oder mehrerer Bestandteile des Stoffgemisches führen sollen.

Die in der Streitpatentschrift dargelegte Aufgabenstellung nimmt ausschließlich auf die der D5 zugrundeliegende Erfindung Bezug. Danach will das Streitpatent die Abreinigung von Filtern bei Schmutzsaugern verbessern, indem es einen stoßartigen Reinigungsimpuls vorsieht, dessen Fehlen bei dem Sauger der D5 in der Streitpatentschrift als nachteilig geschildert wird. Der weitere in der Streitpatentschrift erörterte Stand der Technik, der Filterlösungen zum Filtern von Dieselabgasen (B2) oder zum Abscheiden von Verbrennungsrückständen (B3) betrifft, wird dagegen weder bei der Formulierung der Aufgabe noch bei der Erläuterung der erfindungsgemäßen Lösung aufgegriffen. Insbesondere fehlen Ausführungen dazu, welchen Nachteilen derartiger Einrichtungen begegnet werden und wie die erfindungsgemäße Lösung insoweit zu Verbesserungen beitragen soll. Der Hinweis in der Streitpatentschrift, dass der Reinigungszyklus für den Benutzer unbemerkt stattfinde (Beschr. Abs. 14, 17 und 45) spricht ebenfalls nicht dafür, dass das Streitpatent auch Einrichtungen der in den Druckschriften B2 und B3 geschilderten Art erfasst. Denn bei in derartigen Einrichtungen oder pneumatischen Saugförderanlagen eingesetzten Abscheidern ist im Hinblick darauf, dass es hierbei regelmäßig darauf ankommt, einen Stoff aus dem durch den Abscheider geleiteten Stoffgemisch in möglichst reiner Form zu erhalten, eine kontrollierte Reinigung erforderlich. Demgegenüber geht es bei Sauggeräten zu Reinigungszwecken nicht darum, den durch das Gerät geleiteten schmutzbehafteten Luftstrom zu reinigen, als vielmehr darum, mittels eines zur Erzeugung einer Sogwirkung eingesetzten Luftstroms Schmutz von einem zu reinigenden Gegenstand, typischerweise einer Bodenfläche, aufzunehmen. Schließlich zeigen auch die von der Beklagten vorgelegten Patent- und Offenlegungsschriften (Anlagenkonvolut B8), in denen zur Bezeichnung der Erfindung der Begriff "Schmutzsauger" verwendet wird, dass der Begriff zur Bezeichnung von Geräten zum Aufsaugen von Schmutz und Flüssigkeiten gebräuchlich und nicht in dem umfassenden Sinn zu verstehen ist, den das Patentgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat.

b) Im Hinblick darauf, dass die Parteien - ausgehend von unterschiedlichen Interpretationen des Begriffs "Luftstrom" - über das Verständnis des Merkmals 4.2 streiten, bedarf die erfindungsgemäße Lehre in Bezug auf die Verhältnisse in der Reinigungsstellung des beanspruchten Schmutzsaugers näherer Erläuterung.

aa) Der Begriff des "Luftstroms" wird in den Merkmalen 2, 3 und 4.2 verwendet. Den Kern des Streitpatents bildet eine Filteranordnung, die durch die Aufteilung des Filters in mindestens zwei, nach Merkmal 2 einzeln mit einem Luftstrom eines Gebläses beaufschlagbare Filterteile eine effiziente Abreinigung des Filters ermöglichen soll, ohne dass der Saugbetrieb unterbrochen werden muss. Hierfür sieht das Streitpatent vor, dass das bei dem zu reinigenden Filterteil, das nach Merkmal 3 in der Betriebsstellung von dem schmutzbehafteten Luftstrom radial von außen nach innen durchsetzt wird, der Luftstrom durch schlagartiges Umschalten des diesem Filterteil zugeordneten Drei-Wege-Ventils umgekehrt wird und so die außen an dem Filterteil befindlichen Schmutzpartikel abgeblasen werden (Merkmale 4.1 und 4.2).

bb) Das Patentgericht hat angenommen, dass nach der allgemeinen Lehre des Streitpatents die Abreinigung der Filterteile ausschließlich durch die mit dem schlagartigen Umschalten des Drei-Wege-Ventils bewirkte Luftstromumkehr bei dem betreffenden Filterteil erreicht werde, wobei entsprechend den Angaben in der Streitpatentschrift unter "schlagartig" ein Zeitrahmen von Millisekunden bis Zehntelsekunden zu verstehen sei. Dabei sei Patentanspruch 1 nicht so zu verstehen, dass zur Abreinigung nur die Abluft der im Normalbetrieb befindlichen Filterteile zu verwenden sei. Vielmehr sei nach dem Wortlaut des Anspruchs nicht ausgeschlossen, auch Außenluft aus der Umgebung des Schmutzsaugers zur Abreinigung zu verwenden. Merkmal 4.2 gebe lediglich vor, dass der Luftstrom am abzureinigenden Filterteil umgekehrt werde, lege aber nicht fest, woher der Luftstrom komme. Insbesondere lasse sich Merkmal 4.2 nicht entnehmen, dass es sich bei dem dort genannten Luftstrom um denselben wie in den Merkmalen 2 und 3 und damit um die Abluft der im Normalbetrieb befindlichen Filterteile handeln müsse.

cc) Ob diese Auslegung für die erteilte Fassung des Streitpatents zutrifft, kann offen bleiben. Mit der Ergänzung des Merkmals 4.2, dass der Luftstrom, nachdem er durch das schlagartige Umschalten des dem zu reinigenden Filterteil zugeordneten Drei-Wege-Ventils umgekehrt worden ist, nun als stoßartiger Reinigungsluftstrom von dem Gebläse die an dem Filterteil radial außen befindlichen Schmutzpartikel abreinigt, wird jedenfalls vorgegeben, dass der Reinigungsluftstrom nicht nur vom Gebläse erzeugt wird, sondern von der Abluftseite des Gebläses her kommt und das schlagartige Umschalten des Drei-WegeVentils dazu dient, diesen Gebläseabluftstrom stoßartig auf die Innenseite des zu reinigenden Filterteils zu richten (Abs. 14, 42 f. der Beschreibung).

II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung sei nicht neu. Die Kombination sämtlicher Merkmale werde durch die deutsche Offenlegungsschrift 25 40 672 (D1) vorweggenommen, die einen Abscheider für pneumatische Saugförderanlagen betreffe, in dem das Fördergut aus der Förderluft abgeschieden und in einem Auffangbehälter gesammelt werde. In dem Abscheider befinde sich eine Filtereinrichtung für die durch einen Saugstutzen abzuziehende Förderluft, deren Filter im Gegenstrom zur Abzugsrichtung der Förderluft abzureinigen seien. Die Filtereinrichtung bestehe aus zwei durch eine Scheidewand voneinander getrennten Filterpatronen, die einzeln mit einem Luftstrom des Gebläses beaufschlagbar seien, wobei der partikelbehaftete Luftstrom die Filter im Reinigungsbetrieb radial von außen nach innen durchströme. Ferner sei die in der D1 beschriebene Filtereinrichtung mit zwei unabhängig voneinander betätigbaren Drei-Wege-Ventilen zur getrennten Steuerung der Abreinigung der beiden Filterpatronen versehen. Im Abreinigungsbetrieb werde der Luftstrom der jeweiligen Filterpatronen durch Schalten des Ventils umgekehrt, der nun radial von innen nach außen verlaufe und dabei die radial außen befindlichen Partikel abreinige. Während dieser Abreinigung verbleibe das jeweils andere Ventil in seiner Betriebsstellung für den Normalbetrieb, so dass die andere Filterpatrone nach wie vor im Reinigungsbetrieb betrieben werden könne. Damit seien in der D1 alle Merkmale des Streitpatents bis auf das schlagartige Umschalten des Drei-Wege-Ventils in der Reinigungsstellung nach Merkmal 4.1 ausdrücklich offenbart. Dieses Merkmal lese der Fachmann bei der D1 aber mit, weil es sich bei den dort eingesetzten Drei-Wege-Ventilen um - wie auch von der Beklagten nicht bestritten werde - Elektromagneten mit Schaltzeiten im Bereich von Millisekunden bis Zehntelsekunden handle, und beim Streitpatent das schlagartige Umschalten der Ventile in eben dieser Zeitspanne erfolge. Dass die D1 Außenluft zur Abreinigung verwende, führe zu keiner anderen Beurteilung der Patentfähigkeit.

Die Verteidigung von Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag IA sei nicht zulässig, weil dadurch der Schutzbereich des Streitpatents gegenüber der erteilten Fassung erweitert werde. Mit dem zusätzlichen Merkmal "als stoßartiger Reinigungsluftstrom des Gebläses (21)" würden auch Schmutzsauger beansprucht, bei denen der stoßartige Reinigungsluftstrom durch das Gebläse erzeugt werde, was beispielsweise durch eine getaktete Schaltung der Saugstärke des Gebläses möglich wäre. Nach der erteilten Fassung des Streitpatents werde die stoßartige Abreinigung aber nur durch ein schlagartiges Umschalten der Drei-Wege-Ventile bewirkt, während das Gebläse unverändert weiterbetrieben werde. Der stoßartige Reinigungsluftstrom durch das Gebläse betreffe somit einen technischen Aspekt, der in seiner konkreten Ausgestaltung nicht als zur streitpatentgemäßen Erfindung gehörend zu entnehmen sei und daher ein Aliud darstelle.

Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung der Hilfsanträge IB, II und VII sei sowohl gegenüber der erteilten Fassung des Streitpatents als auch gegenüber den ursprünglichen Anmeldunterlagen unzulässig erweitert. Dementsprechend sei auch die Verteidigung in den Fassungen der Hilfsanträge VIII, X und XI unzulässig, da sie jeweils die Merkmale aus Hilfsantrag VII mit Merkmalen aus den übrigen Hilfsanträgen kombinierten. In den Fassungen der Hilfsanträge III, V und VI sei der Gegenstand von Patentanspruch 1 nicht neu, da die Entgegenhaltung D1 auch die in diesen Fassungen zusätzlich enthaltenen Merkmale vorwegnehme.

In den Fassungen der Hilfsanträge IV und IX sei der Gegenstand von Patentanspruch 1 dem Fachmann durch die D1 in Verbindung mit der US-amerikanischen Patentschrift 3 385 033 (D2) nahegelegt. Die D1 beschäftige sich wie das Streitpatent mit der Technologie einer effizienten Abreinigung von Partikelfiltern, so dass der Fachmann Anlass gehabt habe, diese Entgegenhaltung in Betracht zu ziehen. Die D1 offenbare einen Abscheider mit einer Filtervorrichtung mit zwei parallel betriebenen Filtereinsätzen, bei denen durch Schaltung eines Drei-Wege-Ventils jeweils ein Filtereinsatz durch Luftstromumkehr und dem dadurch verursachten Luftstromstoß von der Reinluftseite des Filters her abgereinigt werden könne. Auf der Suche nach einer Lösung für eine wirksamere Abreinigung von Filterteilen im laufenden Betrieb stoße der Fachmann auf die D2, die einen Staubfilter mit mehreren Filterteilen betreffe. Dieser Entgegenhaltung entnehme er, dass eine Abreinigung mit der gefilterten Luft aus der Abluftseite des Gebläses möglich sei und eine Druckdifferenz zwischen Reinluftseite und Filter- bzw. Staubkammer, die bei der in der D2 beschriebenen Filtereinrichtung durch den Überdruck im Reinluftkanal erreicht werde, eine hoch effiziente Abreinigung ermögliche. Er werde daher die nach der D1 vorgesehene Abluftkammer des Gebläses so ausgestalten, dass sie über das DreiWege-Ventil mit der Filterkammer der Filterteile verbindbar sei, um die Druckdifferenz zwischen der Abluft- und der Staubluftseite beizubehalten. Da es zum Fachwissen gehöre, dass ein Schmutzsauger auf der Saugseite stets eine Saugkammer und auf der Abluftseite eine Abluftkammer aufweise, ergäben sich sämtliche Merkmale des Patentanspruchs 1 in der Fassung von Hilfsantrag IV in naheliegender Weise aus der D1 und der D2. Zwar sei der Beklagten darin zuzustimmen, dass nach der D2 eine geringe Druckdifferenz zwischen dem Reinluftkanal und der Staubkammer für eine Abwärtsbewegung der Filterseitenwände ausreiche, die dann zum Abplatzen des abgelagerten Staubs führe. Indessen schließe auch der Wortlaut von Hilfsantrag IV eine derartige Abwärtsbewegung der Filterseitenwände nicht aus. Außerdem werde die streitpatentgemäße stoßartige Abreinigung durch Umkehrung des Luftstroms dadurch nahegelegt, dass nach der D2 die Abwärtsbewegung heftig sein solle, um den Staub stoßartig zu erschüttern oder abzusprengen. Auch der Einwand der Beklagten, dass bei der Vorrichtung nach der D2 zwei Gebläse eingesetzt würden, greife nicht durch. Die D2 offenbare die Möglichkeit, auf das separate Gebläse im Reinluftkanal zugunsten des Gebläses im Absaugkanal zu verzichten.

III. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Berufung im Umfang des zuletzt gestellten Antrags nicht stand. Soweit die Beklagte das Streitpatent nicht mehr verteidigt, ist es allerdings ohne weitere Sachprüfung für nichtig zu erklären (BGH, Urteil vom 19. Dezember 2006 - X ZR 236/01, BGHZ 170, 215 - Carvedilol II).

1. Die Verteidigung des Streitpatents mit dem neuen Haupantrag ist nach § 116 Abs. 2 PatG zulässig. Sie ist sachdienlich und kann auf Tatsachen gestützt werden, die der Senat der Verhandlung und Entscheidung über die Berufung nach § 117 PatG zugrunde zu legen hat.

Der neue Hauptantrag entspricht weitgehend dem bereits vom Patentgericht geprüften erstinstanzlichen Hilfsantrag IA. Mit der Umformulierung des Merkmals "als stoßartiger Reinigungsluftstrom des Gebläses (21)" in "als stoßartiger Reinigungsluftstrom von dem Gebläse (21)" hat die Beklagte auf die Beurteilung des Hilfsantrags durch das Patentgericht in dem mit der Berufung angegriffenen Urteil reagiert. Die Verteidigung in der Fassung des neuen Hauptantrags ist vor diesem Hintergrund sachdienlich (§ 116 Abs. 2 Nr. 1 PatG ).

2. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der zuletzt verteidigten Fassung geht nicht über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldeunterlagen hinaus. Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich aus der Ergänzung, dass der umgekehrte Luftstrom das Filterteil als stoßartiger Reinigungsluftstrom von dem Gebläse abreinige, keine Erweiterung gegenüber dem Inhalt der ursprünglichen Anmeldeunterlagen. In der Offenlegungschrift des Streitpatents heißt es in Absatz 11 nahezu übereinstimmend mit den Erläuterungen in Absatz 14 der Streitpatentschrift, wichtigstes Merkmal der Erfindung sei, dass ein stoßartiger Reinigungsluftstrom von der Turbine (in der Streitpatentschrift: von dem Gebläse) in die erste Filterhälfte eingeleitet wird, wobei aber gleichzeitig auch während des Abreinigungsvorgangs stets die zweite Filterhälfte in Betrieb bleibt.

3. Ebenso wenig führt die in der zuletzt verteidigten Fassung des Patentanspruchs 1 enthaltene Wendung "der Luftstrom nun als stoßartiger Reinigungsluftstrom von dem Gebläse (21)" zu einer unzulässigen Erweiterung des Schutzbereichs des Streitpatents. Das Patentgericht hat in Bezug auf den erstinstanzlichen Hilfsantrag IA angenommen, dass das zusätzliche Merkmal "als stoßartiger Reinigungsluftstrom des Gebläses (21)" zu einer Erweiterung des Schutzbereichs des Streitpatents führe, weil damit auch Schmutzsauger beansprucht würden, bei denen der stoßartige Reinigungsluftstrom durch das Gebläse erzeugt werde, während nach der erteilten Fassung die stoßartige Abreinigung nur durch ein schlagartiges Umschalten der Drei-Wege-Ventile bewirkt werde. Diese Beurteilung trifft für die zuletzt verteidigte Fassung des Streitpatents nicht zu. Wie oben ausgeführt, impliziert die Formulierung "als stoßartiger Reinigungsluftstrom von dem Gebläse" nicht, dass der "Stoß" vom Gebläse erzeugt wird, sondern beschreibt die Wirkung der durch das schlagartige Umschalten des Drei-Wege-Ventils erzielten Umlenkung des Gebläseabluftstroms und präzisiert damit lediglich das in der erteilten Fassung des Patentanspruchs 1 enthaltene Merkmal, dass der Luftstrom umgekehrt wird. Damit ist dem Einwand, die geänderte Fassung habe ein Aliud zum Gegenstand, die Grundlage entzogen.

4. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung ist patentfähig.

a) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in dieser Fassung ist neu (§ 3 Abs. 1 PatG ). Er wird entgegen der Auffassung der Klägerin weder durch die deutsche Offenlegungsschrift 25 40 672 (D1) noch durch die weiteren von der Klägerin im Berufungsverfahren für die fehlende Neuheit des Gegenstands von Patentanspruch 1 noch in Bezug genommenen Entgegenhaltungen vorweggenommen.

aa) Die D1 betrifft einen für pneumatische Saugförderanlagen bestimmten Abscheider, insbesondere zum Beschicken von kunststoffverarbeitenden Maschinen. Im Oberteil des Abscheiders befindet sich eine Filtereinrichtung, bei der zwei Filterpatronen mit radial durchströmtem Filtereinsatz, getrennt durch eine Scheidewand, untereinander angeordnet sind. Die Innenräume beider Filterpatronen sind durch eine Ventileinrichtung für den Förderluftabzug an den Saugstutzen und für den Gutsaustrag an die Außenluft anschließbar. In einer bevorzugten Ausführung umfasst die Ventileinrichtung zwei unabhängig voneinander betätigbare Drei-Wege-Ventile, von denen jedes einer Filterpatrone zugeordnet ist, um deren Innenraum wechselweise an die Außenluft oder an den Saugstutzen anzuschließen (D1 S. 3-4). Für den Abscheidevorgang schließt die Ventileinrichtung die Innenräume beider Filterpatronen an den Saugstutzen an - bei der unteren Filterpatrone geschieht dies über ein den Innenraum der oberen Filterpatrone durchsetzendes Rohr - und sperrt zugleich die Öffnungen zur Außenluft. Die Förderluft durchströmt die Einsätze beider Filterpatronen, die die darin schwebenden Staubteilchen abfangen, und zieht durch den Saugstutzen ab (D1 S. 5). Zur Abreinigung des unteren Filtereinsatzes schließt die Ventileinrichtung den Innenraum der oberen Filterpatrone an den Saugstutzen an und verbindet den Innenraum der unteren Filterpatronen über das durch den Innenraum der oberen Filterpatrone verlaufende Rohr mit der Außenluft. Dabei durchströmt der Saugzug den unteren Filtereinsatz von innen nach außen und entfernt die auf diesem anhaftenden Staubteilchen, die überwiegend in den darunter befindlichen Behälter abgeworfen werden. Der Rest wird mit der abziehenden Reinigungsluft durch den Einsatz der oberen Filterpatrone abgefangen. Für die Abreinigung des oberen Filtereinsatzes wird der Innenraum der oberen Patrone über die Ventileinrichtung an die Außenluft und der Innenraum der unteren Filterpatrone an den Saugstutzen angeschlossen, so dass die Saugluft den oberen Filtereinsatz von innen nach außen durchströmt und die darauf befindlichen Staubteilchen entfernt (D1 S. 6).

Abgesehen davon, dass der in der Entgegenhaltung D1 beschriebene Abscheider nicht als Schmutzsauger im Sinne des Streitpatents anzusehen ist, offenbart die D1 jedenfalls nicht die Merkmale 4.3 und 4.4.

Zwar werden bei dem Abscheider nach der D1 die Filtereinsätze wie beim Streitpatent durch einen Luftstrom gereinigt, der gegenüber demjenigen in der Betriebsstellung umgekehrt ist. Aus den Erläuterungen der D1 zur Abreinigung der Filtereinsätze ergibt sich aber, dass bei der Reinigung eines der beiden Filtereinsätze jeweils auch der andere Filtereinsatz beteiligt ist. Ein gleichzeitiger Arbeitsbetrieb ist damit während des Reinigungsprozesses anders als beim Streitpatent nach den Merkmalen 4.3 und 4.4 nicht möglich.

bb) Die US-amerikanische Patentschrift 3 385 033 (D2) betrifft einen Staubfilter für Gas- oder Luftreinigungsanlagen, der mehrere in einer Staubkammer angeordnete Filterschläuche aufweist und sich während des laufenden Betriebs selbst reinigt.

Im Normalbetrieb wird der staubhaltige Luftstrom in die Staubkammer eingeleitet. Der Luftstrom durchströmt die Filterschläuche von außen nach innen. Dabei lagert sich der Staub auf der Außenseite der Filterschläuche ab, während die gefilterte Luft über Sammelrohre aufgrund der Druckdifferenz zwischen diesen Sammelrohren und der Staubkammer nach oben in den Absaugkanal abströmt (D2 Sp. 4 Z. 18-34 = S. 6 Z. 16-25 der Übers.). Zur Abreinigung der Filterschläuche wird über ein Ventil die Öffnung des Sammelkanals für die gefilterte Luft an dem betreffenden Filterschlauch verschlossen und die entsprechende Öffnung des Sammelkanals für die Reinluft (clean air) geöffnet. Ein über eine Ansaugöffnung mit der Umgebungsluft verbundenes Gebläse erzeugt in dem Sammelkanal für Reinluft einen Überdruck, so dass die Reinluft in den jeweiligen Filterschlauch hinein- und diesen von innen nach außen durchströmt. Dadurch wird der auf dem Filterschlauch angesammelte Staub erschüttert oder platzt ab und fällt in einen dafür vorgesehenen Behälter (D2 Sp. 4 Z. 34-62 = S. 6 Z. 25 - S. 7 Z. 15 der Übers.). Zur Abreinigung der Filter wird reine Luft, d.h. im Wesentlichen staubfreie Luft benötigt. Ist die Umgebungsluft nicht staubfrei, kann die Ansaugöffnung des Gebläses statt mit der Umgebungsluft mit dem Absaugkanal verbunden werden, um für die Abreinigung der Filter gefilterte Luft zu erhalten, die wiederum über das Gebläse in den jeweiligen zur Reinigung anstehenden Filterschlauch getrieben wird (D2 Sp. 3 Z. 75 - Sp. 4 Z. 4 = S. 5 Z. 32 - S. 6 Z. 2 der Übers.). Nach den Erläuterungen in der D2 kann bei dieser Konstruktion auch auf dieses Gebläse zugunsten einer Einrichtung verzichtet werden, die im Absaugkanal ein Vakuum erzeugt (means producing avaccum in the exhaust conduit; vgl. D2 Sp. 4 Z. 4-7 = S. 6 Z. 2-4 der Übers.).

Die D2 offenbart in keiner der beschriebenen Ausführungsformen sämtliche Merkmale des Gegenstands von Patentanspruch 1. Soweit bei der Abreinigung der Filterschläuche die reine oder gefilterte Luft über ein Gebläse in die Filterschläuche getrieben wird, sind die Merkmale 1.4 und 4.2 nicht verwirklicht. Das Gebläse, das reine oder gefilterte Luft in die Filterschläuche zu deren Reinigung treibt, muss nach den Ausführungen in der D2 eine Leistung aufweisen, die ausreicht, den Ausgangsdruck (output pressure) in einer bestimmten Größenordnung über dem Ansaugdruck (intake pressure) zu halten (D2 Sp. 3 Z. 69-73 = S. 5 Z. 27-30 der Übers.). Dies setzt voraus, dass für die Ansaugung des zu reinigenden Gases oder der zu reinigenden Luft ein weiteres Gebläse vorhanden ist, weil es ansonsten nicht möglich wäre, in- und außerhalb der Filterschläuche unterschiedlich hohe Drücke aufrechtzuerhalten. Dies gilt entgegen der Annahme des Patentgerichts auch für die Ausführungsform, bei der die Ansaugöffnung des Gebläses statt mit der Umgebungsluft mit dem Absaugkanal verbunden ist, um gefilterte Luft für die Reinigung der Filter zu erhalten. Denn bei dieser Variante wird, anders als das Patentgericht angenommen hat, nicht auf das separate Gebläse im Reinluftkanal zugunsten des Gebläses im Absaugkanal verzichtet. Vielmehr wird das Gebläse, das bei reiner Umgebungsluft mit dieser verbunden ist, an den Absaugkanal angeschlossen, wenn die Umgebungsluft nicht den erforderlichen Reinheitsgrad aufweist. Das weitere Gebläse, mit dem das zu reinigende Gas angesaugt wird, bleibt hiervon unberührt. Demgegenüber sieht das Streitpatent lediglich ein Gebläse vor. Aber auch bei der Ausführungsform der D2, bei der das mit dem Ansaugkanal verbundene Gebläse durch eine Vakuumerzeugungseinrichtung ersetzt werden kann, fehlt es an einer Offenbarung von Merkmal 4.2. Bei dieser Ausgestaltung weist die Vorrichtung nach der D2 zwar nur ein Gebläse auf. Allerdings wird hierbei der Reinigungsluftstrom - anders als beim Streitpatent - nicht vom Gebläse von innen nach außen durch den Filter gedrückt, sondern aufgrund des Unterdrucks, den die anstelle des Gebläses mit dem Ansaugkanal verbundene Vakuumerzeugungseinrichtung erzeugt.

cc) Die deutsche Offenlegungsschrift 1 407 945 (D3) betrifft einen Filter für mit festen Teilchen beladene Fluide, der mit mehreren parallel arbeitenden Zellen ausgestattet ist. Jede dieser Zellen ist mit einer eigenen Fördereinrichtung, wie beispielsweise einem Ventilator oder einer Pumpe, ausgestattet, die mit ihrer Saugseite unmittelbar an eine Zelle angeschlossen ist. Im Normalbetrieb strömt das Fluid durch die Zellen und wird nach der Filtrierung abgezogen. Zur Reinigung wird die Fördereinrichtung der betreffenden Zelle gestoppt, wodurch die Sperrwirkung des Ventilators oder der Pumpe aufgehoben wird, so dass das Fluid in entgegengesetzter Richtung durchströmen kann und dadurch das Filterelement gereinigt wird. Die Zellen werden einzeln gereinigt, so dass bei den jeweils verbleibenden Zellen der Förderbetrieb aufrechterhalten werden kann.

Mit der Strömungsumkehr zur Reinigung von Filtern offenbart die D3 ein auch bei dem streitpatentgemäßen Schmutzsauger vorgesehenes Prinzip. Allerdings ist ein wesentliches Kriterium der in der D3 beschriebenen Einrichtung, dass diese ohne die dort als schwerfällig bewerteten Drei-Wege-Ventile auskommt (D3 S. 5 Abs. 2). Die D3 offenbart damit zumindest nicht die Merkmale 1.3 und 4.1. Dies stellt auch die Klägerin nicht in Abrede. Soweit sie allerdings geltend macht, der Gegenstand von Patentanspruch 1 werde durch den in der D3 geschilderten bisherigen Stand der Technik vorweggenommen, kann ihr nicht beigetreten werden. In der Entgegenhaltung D3 wird eingangs ausgeführt, dass die automatische Reinigung von Filtern durch Strömungsumkehr bekanntermaßen mit zwei Maßnahmen sichergestellt werde, nämlich durch Auslösen einer Strömungsumkehr über eine entsprechende Steuerung von Ventilen und durch Abklopfen der Filter auf mechanischem, pneumatischem oder aerodynamischem Wege. Bei dem in der D3 geschilderten Stand der Technik werden das zu filternde Gut und das Fluid zunächst über eine Pumpe in einen Kanal vorgetrieben, der über Klappenventile mit den Filterzellen in Verbindung steht. Ist das entsprechende Klappenventil geöffnet, wird das Fluid durch das entsprechende Filterelement hindurchgedrückt. Um den für die Reinigung des Filters erforderlichen Gegenstrombetrieb auszulösen, werden die Zellen über ein anderes Ventil mit einem weiteren Kanal verbunden, der an eine weitere Pumpe angeschlossen ist, die einen Unterdruck erzeugt und so dafür sorgt, dass das Fluid in entgegengesetzter Richtung durch das Filterelement tritt (D3 S. 7 und Figur 3). Damit fehlt es zumindest an der Offenbarung des Merkmals 2 und der Merkmale 4.1 und 4.2, aus denen sich ergibt, dass der Luftstrom durch das Gebläse umgekehrt wird, das ihn auch erzeugt hat.

dd) Die kanadische Patentschrift 700 483 (D4) betrifft einen Abscheider zur Trennung von Feststoffen und Fluiden (fluid-material separator), der auch in Entstaubungsanlagen zum Einsatz kommen kann und sich über eine Strömungsumkehr selbst reinigt (D4 S. 2 Abs. 2). Wie der in der D2 beschriebene Staubfilter setzt der Abscheider nach der D3 zur Reinigung der Filter Reinluft (clean air) ein. Damit ist, unabhängig davon, ob man Merkmal 1 als verwirklicht ansieht, jedenfalls Merkmal 4.3 nicht offenbart, aus dem sich ergibt, dass für die Reinigung des Filters der Einsatz von Abluft vorgesehen ist.

ee) Die deutsche Patentschrift 41 38 223 (D5) betrifft ein Sauggerät für Reinigungszwecke, das einen mit einem Saugeinlass versehenen Sammelbehälter aufweist, der über eine Saugleitung mit einem Saugaggregat in Verbindung steht. In der Saugleitung befindet sich ein Filter. Zur Abreinigung der Filter ist in der Saugleitung auf der dem Sammelbehälter abgewandten Seite des Filters eine Fremdluftzufuhr angeordnet, die gegenüber der Saugleitung abgedichtet wahlweise auf verschiedene Teilbereiche des Filters aufsetzbar ist (D5 Sp. 1 Z. 38-44). In einer als besonders vorteilhaft geschilderten Ausführungsform sind zwischen Sammelbehälter und Saugaggregat statt nur einer Öffnung mit einem Filter mindestens zwei parallel durchströmte, jeweils mit Einzelfiltern verschlossene Öffnungen vorgesehen, so dass während der Abreinigung des einen Filters der Saugbetrieb über den anderen Filter aufrechterhalten werden kann (D5 Sp. 1 Z. 64 - S. 2 Z. 12). Bei dem in der D5 dargestellten Ausführungsbeispiel erfolgt der Wechsel vom Saugbetrieb in die Reinigungsstellung über ein modulares Bauteil, das ein zylindrisches Gehäuse aufweist und zwischen Sammelbehälter, dessen Oberseite es abdichtet, und Saugaggregat angeordnet ist. Das zylindrische Gehäuse weist an seiner Unterseite eine Auslassöffnung auf, die durch den Boden des modularen Bauteils verschlossen wird, und steht über eine flexible Verbindungsleitung mit der Außenluft in Verbindung. Das Gehäuse ist um eine senkrecht auf dem Boden des modularen Bauteils stehende Lagerachse gelagert und in drei Positionen verschwenkbar. Im Saugbetrieb befindet sich das Gehäuse in einer Zwischenstellung, in der die Auslassöffnung des Gehäuses und damit die Fremdluftzufuhr durch den Boden des modularen Bauteils verschlossen ist, so dass das Saugaggregat über beide Durchstromöffnungen durch die Einzelfilter Luft aus dem Sammelbehälter ansaugt. Zur Abreinigung der Einzelfilter wird das Gehäuse mittels eines Antriebsmotors so weit verschwenkt, dass seine Auslassöffnung eine der beiden Durchstromöffnungen abgedichtet überdeckt und über die Außenluftzufuhr des Gehäuses Fremdluft angesaugt wird, die über die Durchstromöffnung in den Sammelbehälter strömt und so den betreffenden Einzelfilter abreinigt (D5 Sp. 3 Z. 12 - Sp. 4 Z. 16).

Die D5 betrifft damit zwar wie das Streitpatent einen Schmutzsauger, bei dem durch eine entsprechende Gestaltung der Filter eine Abreinigung der Filter möglich ist, ohne dass der Saugbetrieb unterbrochen werden müsste. Nicht offenbart werden jedoch die Merkmale 1.3 und 4.1, da bei der D1 die Umstellung vom Saugbetrieb in die Reinigungsstellung nicht über Drei-Wege-Ventile erfolgt. Außerdem fehlt es an der Offenbarung des Merkmals 4.2, da der Filter nicht mittels eines stoßartigen Reinigungsluftstroms gereinigt wird.

b) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung war dem Fachmann auch nicht durch den Stand der Technik nahegelegt (§ 4 Satz 1 PatG ).

aa) Der Fachmann ist entgegen der Annahme des Patentgerichts nicht anhand des in der Streitpatentschrift dargestellten Standes der Technik, sondern nach dem Gegenstand des Streitpatents zu bestimmen. Danach ist zuständiger Fachmann ein Maschinenbauingenieur, der Erfahrungen und Kenntnisse in der Filter-, Strömungs- und Elektrotechnik im Zusammenhang mit der Konstruktion von Sauggeräten für Reinigungszwecke hat.

bb) Entgegen der Auffassung der Klägerin führen die Entgegenhaltungen D5 und D2 den Fachmann nicht zu der Erfindung.

(1) Es ist bereits fraglich, ob der Fachmann, der vor die Aufgabe gestellt ist, die Reinigungsleistung eines Schmutzsaugers zu verbessern, wie er in der D5 beschrieben ist, die D2 überhaupt in seine Überlegungen einbezieht. Die D2 betrifft einen Staubfilter für eine Gas- oder Luftreinigungsanlage, die darauf ausgerichtet ist, möglichst reines Gas oder reine Luft zu erhalten. Der erfindungsgemäße Schmutzsauger dient dagegen nicht der Luftreinigung. Vielmehr wird hierbei die Luft lediglich als Medium zur Aufnahme und Entfernung von Schmutz eingesetzt.

(2) Unabhängig hiervon ist nicht ersichtlich, inwieweit der Fachmann durch eine Kombination der D5 mit der D2 zum Gegenstand der Erfindung hätte gelangen können. Zwar mag die D2 - wie die Klägerin geltend macht - eine Möglichkeit offenbaren, wie trotz verschmutzter Umgebungsluft eine effiziente Reinigung von Filtern durch den Einsatz von gefilterter (Ab-)Luft erreicht werden kann. Selbst wenn der Fachmann vor diesem Hintergrund das über eine flexible Verbindungsleitung mit der Außenluft in Verbindung stehende zylindrische Gehäuse der D5 durch das den Sammelkanal für Reinluft und den Absaugkanal enthaltende Oberteil der D2 ersetzte, erhielte er allenfalls einen Schmutzsauger, der entweder zwei Gebläse oder ein Gebläse und eine Vakuumerzeugungseinrichtung benötigt. Eine Anregung, den Schmutzsauger so zu konstruieren, dass sowohl der reguläre Saugbetrieb als auch die Reinigung der Filter über nur ein Gebläse gesteuert werden kann, gab die D2 dagegen nicht.

cc) Die weiteren Entgegenhaltungen kommen dem Gegenstand des Streitpatents nicht näher.

5. Anhaltspunkte dafür, dass die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart ist, dass ein Fachmann sie ausführen kann, liegen nicht vor. Das Patentgericht hat sich - nach seinem Ausgangspunkt konsequent - nicht mit dem von der Klägerin in der ersten Instanz noch geltend gemachten Nichtigkeitsgrund der unzureichenden Offenbarung befasst. In seinem Hinweis nach § 83 Abs. 1 PatG hat das Patentgericht jedoch ausgeführt, dass der Fachmann mit den Darlegungen zur Abreinigungsstellung bei dem in der Streitpatentschrift dargestellten Ausführungsbeispiel (Beschr. Abs. 39-42 und Abs. 44-48) hinreichende Angaben zur Ausführung des Gegenstands des Streitpatents erhalte. Dies ist nicht zu beanstanden; auch die Klägerin hat diesen Nichtigkeitsgrund im Berufungsverfahren nicht mehr aufgegriffen.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG in Verbindung mit § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO .

V. Der Senat hat die verkündete Urteilsformel wegen offenbarer Unrichtigkeit gemäß § 319 ZPO dahin ergänzt, dass sich die ebenfalls angegriffenen Patentansprüche 2, 9, 10 und 11 auf die geänderte Fassung des Patentanspruchs 1 rückbeziehen. Dies entspricht dem Hauptantrag der Beklagten, mit dem diese das Streitpatent mit einem kompletten Anspruchssatz verteidigt hat, wonach Patentanspruch 1 die aus dem Tenor ersichtliche Fassung erhalten soll und die Ansprüche 2, 9, 10 und 11 sich auf diese Fassung rückbeziehen sollen.

Von Rechts wegen

Verkündet am: 21. Februar 2017

Vorinstanz: BPatG, vom 16.09.2014 - Vorinstanzaktenzeichen 3 Ni 16/13