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BVerwG - Entscheidung vom 24.10.2016

1 A 12.16, 1 AV 8.16

Normen:
VwGO § 173
ZPO § 78b

BVerwG, Beschluss vom 24.10.2016 - Aktenzeichen 1 A 12.16, 1 AV 8.16

DRsp Nr. 2016/18978

Voraussetzungen für die Beiordnung eines Notanwalts

Tenor

Der Antrag der Antragstellerin auf Beiordnung eines Notanwalts wird abgelehnt.

Der Nichtigkeitsantrag der Antragstellerin gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. Mai 2016 ( 1 A 2.16) wird verworfen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Von der Erhebung von Gerichtskosten wird abgesehen.

Normenkette:

VwGO § 173 ; ZPO § 78b;

Gründe

1. Die Voraussetzungen für die Beiordnung eines Notanwalts nach § 173 VwGO i.V.m. § 78b ZPO liegen nicht vor, weil die Rechtsverfolgung aus den nachstehenden Gründen aussichtslos ist.

2. Der von der Antragstellerin als "Nichtigkeitsklage" bezeichnete außerordentliche Rechtsbehelf ist schon deshalb unzulässig, weil die Antragstellerin nicht prozessfähig ist.

Der Mangel der Prozessfähigkeit folgt jedenfalls aus § 62 Abs. 2 VwGO . Danach ist ein geschäftsfähiger Betreuter bei Bestehen eines Einwilligungsvorbehalts nach § 1903 BGB , der den Gegenstand des Verfahrens betrifft, nur insoweit zur Vornahme von Verfahrenshandlungen fähig, als er nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts ohne Einwilligung des Betreuers handeln kann oder durch Vorschriften des öffentlichen Rechts als handlungsfähig anerkannt ist. Im Fall der Antragstellerin besteht ein den Gegenstand des Verfahrens betreffender Einwilligungsvorbehalt nach § 1903 BGB . Das Amtsgericht Rotenburg (Wümme) hat mit rechtskräftigem Beschluss vom 18. Dezember 2014 (10 XVII S 1057) nach § 1896 Abs. 1 BGB für die Antragstellerin einen Betreuer u.a. mit dem Aufgabenkreis "Rechtsangelegenheiten" bestellt und gemäß § 1903 Abs. 1 Satz 1 BGB angeordnet, dass sie zu Willenserklärungen auch in solchen Angelegenheiten (grundsätzlich) der Einwilligung des Betreuers bedarf. Die Voraussetzungen, unter denen die Antragstellerin nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts den Rechtsbehelf ohne Einwilligung des Betreuers einlegen könnte, sind nicht erfüllt. Zwar bedarf der Betreute nach § 1903 Abs. 3 Satz 1 BGB trotz eines angeordneten Einwilligungsvorbehalts nicht der Einwilligung des Betreuers, wenn die Willenserklärung dem Betreuten lediglich einen rechtlichen Vorteil bringt. Der erhobene Nichtigkeitsantrag der Antragstellerin gehört nicht zu solchen Willenserklärungen, weil er mit einem Kostenrisiko nach § 154 Abs. 1 VwGO verbunden ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 2015 - 5 B 49.15 - [...] m.w.N.). Vorschriften des öffentlichen Rechts, die die Antragstellerin hinsichtlich des hier in Rede stehenden Antrags als handlungsfähig anerkennen, sind nicht ersichtlich.

Mithin hätte die Antragstellerin zur wirksamen Einlegung des Antrags der Einwilligung ihres Betreuers bedurft (§ 1903 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB ). Dieser hat eine entsprechende Einwilligung nicht erteilt. Er hat die Beschwerdeeinlegung auch nicht nachträglich genehmigt. Obwohl die Antragstellerin nicht prozessfähig ist, begründet ein erhobener Rechtsbehelf ein begrenztes Prozessrechtsverhältnis, in dem der Senat eine Entscheidung über die Zulässigkeit mit der sich aus § 154 VwGO ergebenden Kostenfolge zu treffen hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. April 1998 - 3 B 70.97 - Buchholz 310 § 62 VwGO Nr. 27 m.w.N.).

3. Dessen ungeachtet ist die "Nichtigkeitsklage" auch unstatthaft. Sie ist bei zweckentsprechender Würdigung des Begehrens der Antragstellerin als Nichtigkeits- und Restitutionsantrag gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. Mai 2016 (BVerwG 1 A 2.16) auszulegen. Mit diesem Beschluss hat der Senat den Nichtigkeitsantrag der Antragstellerin gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. März 2016 (BVerwG 1 B 26.16) als unzulässig verworfen. Zwar ist das Wiederaufnahmeverfahren seinem Zweck entsprechend, ausnahmsweise aus Gründen materieller Gerechtigkeit nicht mehr anfechtbare Gerichtsentscheidungen aufzuheben, auch gegen der Rechtskraft fähige verfahrensbeendende Beschlüsse statthaft (BVerwG, Beschluss vom 8. April 2015 - 1 A 7.15 - [...] Rn. 2). Soweit das Wiederaufnahmeverfahren sich gegen einen Beschluss richtet, wird es nicht durch eine Klage, sondern durch einen Antrag eröffnet, über den durch Beschluss zu entscheiden ist (Kopp/Schenke, VwGO , 21. Aufl. 2015, § 153 Rn. 5). An die Stelle der Nichtigkeits- und Restitutionsklage tritt in diesem Fall ein entsprechender Antrag, über den seinerseits im Beschlussverfahren zu entscheiden ist. Wird der Rechtsbehelf fälschlicherweise als "Klage" bezeichnet, kann ihn das Gericht als "Antrag" auslegen (BVerwG, Beschluss vom 17. März 2015 - 5 A 2.15, 5 PKH 16.15 - [...] Rn. 2 m.w.N.).

Der Antrag ist aber schon nicht statthaft. Beschlüsse unterliegen entsprechend § 153 VwGO der Wiederaufnahme nur, wenn sie ein Verfahren abschließen. Dies gilt für Beschlüsse, mit denen eine Revision oder eine Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen wurde (BVerwG, Beschluss vom 8. April 2015 - 1 A 7.15 - [...] Rn. 4 m.w.N.). Um einen derartigen Beschluss handelt es sich bei dem angegriffenen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts nicht.

Die Zuständigkeit des Revisionsgerichts für ein derartiges Wiederaufnahmebegehren wäre nach § 153 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 584 Abs. 1 Alt. 3 ZPO überdies auf die Fälle der §§ 579 , 580 Nr. 4 und 5 ZPO beschränkt (BVerwG, Beschluss vom 4. Februar 2002 - 4 B 51.01 - Buchholz 310 § 153 VwGO Nr. 33 S. 4 m.w.N.). Die Antragstellerin macht indes einen entsprechenden Nichtigkeitsoder Restitutionsgrund nicht geltend.

In entsprechender Anwendung des § 144 Abs. 1 VwGO , wonach eine unzulässige Revision durch Beschluss zu verwerfen ist, ist auch ein unzulässiger Nichtigkeits- und Restitutionsantrag durch Beschluss zu verwerfen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Februar 1994 - 6 A 1.93 - Buchholz 310 § 153 VwGO Nr. 27 = [...] Rn. 4).

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO . Von der Erhebung von Gerichtskosten wird nach § 21 Abs. 1 Satz 3 GKG abgesehen.

Vorinstanz: BVerwG, vom 04.05.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 1 A 2.16