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BVerwG - Entscheidung vom 01.03.2016

3 B 15.15

Normen:
VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1
AMG § 4 Abs. 31
AMG § 64 Abs. 1 S. 1 und S. 5

BVerwG, Beschluss vom 01.03.2016 - Aktenzeichen 3 B 15.15

DRsp Nr. 2016/7721

Untersagung der sterilen patientenindividuellen parenteralen Herstellung von Arzneimitteln in einer Apotheke; Ausnahme von patientenindividuellen Arzneimittenl zur parenteralen Anwendung von der Rekonstitution

Soweit nach § 4 Abs. 31 AMG unter Rekonstitution die Überführung eines Fertigarzneimittels in seine anwendungsfähige Form unmittelbar vor der Anwendung beim Menschen gemäß den Angaben der Packungsbeilage (1. Fall) zu verstehen ist, werden von dem Begriff der Rekonstitution nur einfache Herstellungstätigkeiten erfasst, die auch ein Patient gefahrlos auszuführen vermag. Ob eine Tätigkeit zur Herstellung eines Arzneimittels (§ 4 Abs. 14 AMG ) als einfacher Vorgang angesehen werden kann, ist eine Frage des Einzelfalls, die sich regelmäßig einer verallgemeinerungsfähigen revisionsgerichtlichen Bewertung entzieht.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. Oktober 2014 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Normenkette:

VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1 ; AMG § 4 Abs. 31 ; AMG § 64 Abs. 1 S. 1 und S. 5;

Gründe

Der Kläger ist Inhaber einer Apotheke. Mit Ordnungsverfügung vom 4. Oktober 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 8. Dezember 2011 untersagte ihm der Beklagte, sterile patientenindividuelle parenterale Arzneimittel in seiner Apotheke herzustellen, soweit diese keinem Sterilisationsverfahren im Endbehältnis unterzogen werden. Mit der dagegen erhobenen Klage hat der Kläger die Aufhebung der Bescheide begehrt, soweit ihm darin die Herstellung von Augenarzneimitteln (Antibiotika), Heparinen und sonstigen Schmerzlösungen sowie das Befüllen von Schmerzpumpen untersagt werden. Er hat geltend gemacht, bei der untersagten Tätigkeit handele es sich um eine Rekonstitution von Fertigarzneimitteln im Sinne von § 4 Abs. 31 des Arzneimittelgesetzes ( AMG ), die nach § 64 Abs. 1 Satz 5 AMG nicht der Überwachung durch den Beklagten unterliege. Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die angegriffene Untersagungsanordnung finde ihre Rechtsgrundlage in § 69 Abs. 1 Satz 1 AMG . Die von dem Kläger praktizierte Herstellung steriler parenteraler Arzneimittel verstoße gegen die Apothekenbetriebsordnung ( ApBetrO ), weil seine Betriebsräume nicht den Reinraumanforderungen nach § 35 Abs. 4 ApBetrO genügten. Die Herstellungstätigkeit beschränke sich auch nicht auf eine bloße Rekonstitution. Darunter fielen nur einfache Tätigkeiten, die (auch) vom Verbraucher gefahrlos verrichtet werden könnten. Das sei bei der dem Kläger untersagten Zubereitung und Abfüllung von sterilen Arzneimitteln, die sich nicht allein nach der Packungsbeilage, sondern maßgeblich nach den patientenindividuellen Vorgaben der jeweiligen ärztlichen Verordnung richteten, nicht der Fall.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Berufungsurteil hat keinen Erfolg. Dem Beschwerdevorbringen lässt sich nicht entnehmen, dass der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zukommt.

Der Kläger hält für klärungsbedürftig,

ob patientenindividuelle Arzneimittel zur parenteralen Anwendung generell von der Rekonstitution ausgenommen sind.

In dieser Allgemeinheit geht die Frage über den entscheidungserheblichen Sachverhalt hinaus und würde sich in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen. Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, dass eine Herstellungstätigkeit, wie sie bei dem Kläger in Rede steht - nämlich die Zubereitung und Abfüllung parenteraler Arzneimittel nach patientenindividuellen Vorgaben aufgrund ärztlicher Verordnung -, nicht unter den Begriff der Rekonstitution nach § 4 Abs. 31 AMG fällt. Es hat dabei in tatsächlicher Hinsicht zugrunde gelegt, dass bei der von dem Kläger praktizierten Herstellungsweise - ohne Sterilisation im Endbehältnis und ohne geschlossenes System - die Gewährleistung der Arzneimittelqualität und -sicherheit besonderen Anforderungen zur Erreichung der erforderlichen Sterilität unterliegt. Nur in diesem auf den entscheidungserheblichen Sachverhalt eingegrenzten Umfang stellt sich die Frage nach den Voraussetzungen der Rekonstitution. Sie verleiht der Rechtssache jedoch keine grundsätzliche Bedeutung.

Nach § 4 Abs. 31 AMG ist unter Rekonstitution die Überführung eines Fertigarzneimittels in seine anwendungsfähige Form unmittelbar vor der Anwendung beim Menschen gemäß den Angaben der Packungsbeilage (1. Fall) oder im Rahmen der klinischen Prüfung nach Maßgabe des Prüfplans (2. Fall) zu verstehen. In Bezug auf die hier allein in Rede stehende erste Fallvariante hat das Oberverwaltungsgericht zutreffend ausgeführt, dass von dem Begriff der Rekonstitution nur einfache Herstellungstätigkeiten erfasst werden, die auch ein Patient gefahrlos auszuführen vermag. Das lässt sich ohne weiteres dem Gesetzeswortlaut und den Gesetzesmaterialien (vgl. BT-Drs. 16/12256 S. 42) entnehmen und wird bestätigt durch den Zweck der Packungsbeilage, dem Patienten die für eine ordnungsgemäße Anwendung erforderlichen Anleitungen über (u.a.) die Dosierung und die Art und Weise der Anwendung zu geben (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AMG ).

Ob eine Tätigkeit zur Herstellung eines Arzneimittels (§ 4 Abs. 14 AMG ) als einfacher Vorgang angesehen werden kann, ist eine Frage des Einzelfalls, die sich regelmäßig einer verallgemeinerungsfähigen revisionsgerichtlichen Bewertung entzieht. So liegt es auch hier. Das Oberverwaltungsgericht hat auf der Grundlage der zur Herstellungstätigkeit des Klägers getroffenen tatsächlichen Feststellungen angenommen, dass es sich nicht mehr um einen einfach gelagerten Vorgang handelt. Diese Tatsachenfeststellung zur Tätigkeit des Klägers ist von der Beschwerde nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffen worden und daher für das Revisionsgericht bindend (§ 137 Abs. 2 VwGO ). Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass sich ausgehend von diesen Tatsachen ein fallübergreifender Klärungsbedarf ergeben könnte.

Das gilt auch für die Ausführungen des Klägers zur Herstellungserlaubnis nach § 13 AMG . Aus dem vom Oberverwaltungsgericht angenommenen Nichtvorliegen einer Rekonstitution folgt nicht, dass er für die streitige Herstellungstätigkeit einer Erlaubnis nach § 13 AMG bedarf. Der Inhaber einer Apotheke ist von dem Erfordernis der Herstellungserlaubnis befreit, soweit sich die Herstellung von Arzneimitteln im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs hält (§ 13 Abs. 2 Nr. 1 AMG ). Dass die Herstellungstätigkeit des Klägers die Grenzen des Apothekenüblichen verlässt, hat weder das Oberverwaltungsgericht festgestellt noch der Beklagte geltend gemacht. Schließlich unterliegt die Tätigkeit des Klägers unabhängig von der Regelung des § 67 Abs. 1 Satz 8 AMG nicht der Anzeigepflicht nach § 67 Abs. 1 Satz 1 AMG ; denn § 67 Abs. 4 AMG nimmt die apothekenübliche Herstellung von Arzneimitteln generell von der Anzeigepflicht aus (vgl. Kloesel/Cyran, Kommentar zum Arzneimittelrecht, Stand: 1. Dezember 2014, § 67 AMG , Anm. 12 und 15 f.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO . Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG .

Vorinstanz: OVG Berlin-Brandenburg, vom 16.10.2014 - Vorinstanzaktenzeichen 5 B 2.12