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BVerwG - Entscheidung vom 12.12.2016

1 WB 38.16

Normen:
WBO § 23a Abs. 2
VwGO § 146 Abs. 1
WBO § 23a Abs. 2
VwGO § 146 Abs. 1
VwGO § 146 Abs. 1
WBO § 23a Abs. 2 S. 1

Fundstellen:
NVwZ-RR 2017, 388

BVerwG, Beschluss vom 12.12.2016 - Aktenzeichen 1 WB 38.16

DRsp Nr. 2017/1219

Statthaftigkeit der Beschwerde gegen Verfügungen des Vorsitzenden einer Kammer des Truppendienstgerichts in Verfahren nach der Wehrbeschwerdeordnung ( WBO ); Abschließende Aufführung von Rechtsmitteln gegen Entscheidungen des Truppendienstgerichts

In Verfahren nach der Wehrbeschwerdeordnung ist gegen Verfügungen des Vorsitzenden einer Kammer des Truppendienstgerichts die Beschwerde in entsprechender Anwendung von § 146 Abs. 1 VwGO nicht statthaft.

Tenor

Der Rechtsbehelf wird als unzulässig verworfen.

Normenkette:

VwGO § 146 Abs. 1 ; WBO § 23a Abs. 2 S. 1;

Gründe

I

Der ... geborene Antragsteller war bis 31. Oktober 2016 Soldat auf Zeit in der Laufbahn der Feldwebel des allgemeinen Fachdienstes. Seit 1. November 2016 ist er als Tarifbeschäftigter beim Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr angestellt. Ausweislich einer Bestätigung der Rechtsanwaltskammer für den Bezirk des Oberlandesgerichts ... vom 6. Oktober 2015 ist dem Antragsteller als Rechtsanwalt im öffentlichen Dienst gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 BRAO gestattet, seinen Beruf als Rechtsanwalt selbst auszuüben, soweit er eigene Angelegenheiten vertritt.

Mit Schreiben vom 30. September 2015 beantragte der Antragsteller die Entscheidung des Truppendienstgerichts in einem die Erstellung einer Sonderbeurteilung betreffenden Wehrbeschwerdeverfahren. Mit Beschluss vom 15. März 2016 - ...- wies das Truppendienstgericht diesen Antrag zurück und ließ die Rechtsbeschwerde gegen seine Entscheidung nicht zu.

Mit Verfügung vom 12. April 2016 (unter Nr. III.2.b) ordnete der Vorsitzende der 1. Kammer des Truppendienstgerichts ... an, eine beglaubigte Abschrift des Beschlusses mit Rechtskraftvermerk an den nächsten Disziplinarvorgesetzten des Antragstellers, den Leiter des ..., mit dem Vermerk "Bestimmt für die Personalakte" zu senden. Mit Schreiben vom 19. Mai 2016 erledigte die Geschäftsstelle des Truppendienstgerichts diese Verfügung.

Anlässlich einer Akteneinsicht erlangte der Antragsteller am 6. Juni 2016 Kenntnis von der Verfügung vom 12. April 2016 und deren Ausführung. Mit einem als "Beschwerde" bezeichneten Schreiben vom 15. Juni 2016 beanstandete er die Übermittlung an den Disziplinarvorgesetzten, weil der Beschluss vom 15. März 2016 in keinem unmittelbaren inneren Zusammenhang mit seinem Dienstverhältnis stehe und deshalb nicht zur Personalakte gehöre.

Mit Schreiben vom 11. Juli 2016 teilte der Vorsitzende der 1. Kammer des Truppendienstgerichts ... dem Antragsteller mit, dass er Nr. III.2.b seiner Verfügung vom 12. April 2016 aufgehoben habe. Unabhängig davon, ob die vom Antragsteller eingelegte "Beschwerde" statthaft sei, sei ihr damit jedenfalls abgeholfen.

Bezugnehmend auf das Schreiben vom 11. Juli 2016 beantragte der Antragsteller daraufhin unter dem 20. September 2016 eine Kostengrundentscheidung.

Mit Schreiben vom 6. Oktober 2016 teilte der Vorsitzende der 1. Kammer des Truppendienstgerichts ... dem Antragsteller mit, dass für eine Kostengrundentscheidung kein Raum sei. Es sei bereits zweifelhaft, ob es sich bei der Verfügung vom 12. April 2016 um eine Entscheidung im Sinne des § 146 Abs. 1 VwGO handele. Die "Abhilfeentscheidung" vom 11. Juli 2016 sei jedenfalls außerhalb eines förmlichen Rechtsbehelfsverfahrens getroffen.

Hiergegen hat der Antragsteller mit Schreiben vom 1. November 2016, beim Truppendienstgericht ... eingegangen am 3. November 2016, Beschwerde eingelegt. Der Vorsitzende der 1. Kammer des Truppendienstgerichts ... hat die Beschwerde mit Schreiben vom 9. November 2016 dem Senat vorgelegt.

Zur Begründung führt der Antragsteller insbesondere aus: Die Beschwerde sei gemäß § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i.V.m. § 146 Abs. 1 VwGO statthaft, weil die Eigenart des Wehrbeschwerdeverfahrens dem nicht entgegenstehe. Auch § 152 Abs. 1 VwGO schließe die Beschwerde nicht aus, weil sie sich nicht gegen die Entscheidung eines Oberverwaltungsgerichts richte; ein Truppendienstgericht sei einem Oberverwaltungsgericht nicht gleichzusetzen. Die Verfügung vom 6. Oktober 2016 stelle eine Entscheidung im Sinne des § 146 Abs. 1 VwGO dar, weil sie der Vorsitzende weder durch Urteil noch durch Gerichtsbescheid erlassen habe. Es handele sich auch nicht um eine prozessleitende Verfügung im Sinne von § 146 Abs. 2 VwGO . Der Rechtsbehelf sei fristgerecht innerhalb der Ausschlussfrist des § 58 Abs. 2 VwGO eingelegt worden. Die Beschwer ergebe sich daraus, dass die Verfügung vom 6. Oktober 2016 dem Antrag vom 20. September 2016 nicht abhelfe. In der Sache sei die beantragte Kostengrundentscheidung zu erlassen, weil jede Entscheidung in der Hauptsache, somit auch die Entscheidung vom 11. Juli 2016, bestimmen müsse, wer die Kosten des Verfahrens trage; dies ergebe sich auch aus § 20 Abs. 4 WBO in Verbindung mit § 141 Abs. 1 WDO .

Der Antragsteller beantragt,

die Verfügung des Vorsitzenden vom 6. Oktober 2016 aufzuheben und über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden.

Der Bundeswehrdisziplinaranwalt beim Bundesverwaltungsgericht beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Antrag beziehe sich auf ein unstatthaftes Verfahren. Über § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO seien die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung nur in den gerichtlichen Antragsverfahren (nach §§ 17 , 21 und 22 WBO sowie § 16a Abs. 5 WBO ) und in den Verfahren nach den §§ 22a und 22b WBO entsprechend anzuwenden; keines dieser Verfahren liege hier vor. Darüber hinaus sei eine Beschwerde gemäß § 146 Abs. 1 VwGO nur gegen Entscheidungen mit Regelungswirkung statthaft, die rechtsförmlich in der Verwaltungsgerichtsordnung geregelt seien. Die an die Geschäftsstelle adressierte Verfügung des Vorsitzenden, den Beschluss vom 15. März 2016 an den Disziplinarvorgesetzten zu übersenden, sei dagegen nach Abschluss eines rechtsförmlichen Verfahrens getroffen und betreffe nicht den eigentlichen Gegenstand dieses Verfahrens, sondern lediglich dessen geschäftsmäßige Abwicklung. Der Antragsteller hätte sich mit seinem Begehren, den Beschluss aus seiner Personalakte zu entfernen, an die für die Führung der Personalakte zuständigen Stelle und nicht an den Vorsitzenden der Kammer des Truppendienstgerichts wenden müssen.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Gerichtsakten des Truppendienstgerichts - ... und ... - haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

Der Rechtsbehelf ist unzulässig.

1. Der Antragsteller wendet sich dagegen, dass zu der Verfügung des Vorsitzenden der 1. Kammer des Truppendienstgerichts ... vom 11. Juli 2016, mit der dieser eine von ihm erlassene Verfügung vom 12. April 2016 über die Zustellung und Übersendung von Ausfertigungen und Abschriften eines zuvor in einem Wehrbeschwerdeverfahren des Antragstellers ergangenen Beschlusses der 1. Kammer des Truppendienstgerichts ... (vom 15. März 2016 - ...) teilweise - hinsichtlich Nr. III.2.b (Übersendung einer für die Personalakte des Antragstellers bestimmten beglaubigten Abschrift des Beschlusses mit Rechtskraftvermerk an den nächsten Disziplinarvorgesetzten) - wieder aufgehoben hat, keine Kostengrundentscheidung getroffen wurde. Mit seinem auf § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i.V.m. § 146 Abs. 1 VwGO gestützten Rechtsbehelf begehrt der Antragsteller die Aufhebung der Entscheidung des Vorsitzenden der 1. Kammer des Truppendienstgerichts ... vom 6. Oktober 2016, mit der dieser den Erlass einer Kostengrundentscheidung abgelehnt hat, und eine Entscheidung über die Kosten durch das Bundesverwaltungsgericht.

Der Senat beschließt bei Entscheidungen, die nicht (End-)Entscheidungen in der Hauptsache darstellen - wie zum Beispiel in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes oder bei der Verweisung des Rechtsstreits an ein anderes Gericht (§ 18 Abs. 3 WBO ) -, in der Besetzung ohne ehrenamtliche Richter (vgl. insb. BVerwG, Beschlüsse vom 20. November 1979 - 1 WB 161.77, 1 WB 166.77 - BVerwGE 63, 289 und vom 17. Januar 2006 - 1 WB 3.05 - [...] Rn. 32 ff.). Dies gilt auch vorliegend, weil Gegenstand des Verfahrens kein Rechtsschutzbegehren in der Hauptsache, sondern die Kostenentscheidung zu einer - die Zustellung eines Beschlusses des Truppendienstgerichts (§ 18 Abs. 2 Satz 5 Halbs. 2 WBO ) betreffenden - Verfügung des Kammervorsitzenden (teilweise Aufhebung einer früheren Verfügung) ist.

2. Der Antrag ist bereits deshalb unzulässig, weil er nicht statthaft ist; die Beschwerde gemäß § 146 Abs. 1 VwGO ist in Verfahren nach der Wehrbeschwerdeordnung nicht eröffnet. Auf Folgefragen der Zulässigkeit, die sich nur im Falle der Statthaftigkeit des Rechtsbehelfs stellen würden (insbesondere aus § 146 Abs. 2 , § 147 und § 152 VwGO ), kommt es deshalb nicht an.

a) Rechtsmittel gegen Entscheidungen des Truppendienstgerichts sind in der Wehrbeschwerdeordnung abschließend aufgeführt. Sie können nur durch den Gesetzgeber eingeführt und erweitert werden, wie dies insbesondere durch Art. 5 Nr. 18 des Gesetzes zur Änderung wehrrechtlicher und anderer Vorschriften (Wehrrechtsänderungsgesetz 2008) vom 31. Juli 2008 (BGBl. I S. 1629 ) in die Wehrbeschwerdeordnung geschehen ist. Rechtsmittel sind danach nur in Form der Rechtsbeschwerde gegen Hauptsacheentscheidungen des Truppendienstgerichts durch Beschluss (§ 22a WBO ) und - im Falle der Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Truppendienstgericht - in Form der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 22b WBO ) gegeben. Entscheidungen des Truppendienstgerichts, die - wie vorliegend die Verfügung des Vorsitzenden der Kammer - keine Entscheidung in der Hauptsache sind, können nur im Rahmen der Rechtsbeschwerde oder der Nichtzulassungsbeschwerde, nicht aber isoliert angefochten werden. Ein der Beschwerde des § 146 Abs. 1 VwGO entsprechender oder vergleichbarer Rechtsbehelf ist in der Wehrbeschwerdeordnung nicht vorgesehen.

b) Eine entsprechende Anwendung der Regelung des § 146 Abs. 1 VwGO wird auch nicht durch § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO eröffnet.

Gemäß § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO sind in den gerichtlichen Antragsverfahren sowie in den Verfahren nach den §§ 22a und 22b WBO - ergänzend zu den Vorschriften der Wehrbeschwerdeordnung - (unter anderem) die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Eigenart des Beschwerdeverfahrens entgegensteht. Es ist bereits fraglich, ob der Antragsteller sein Rechtsschutzbegehren noch innerhalb eines gerichtlichen Verfahrens geltend gemacht hat oder das truppendienstliche Antragsverfahren (...) bereits beendet war. Jedenfalls kommt, wie sich aus dem eindeutigen Wortlaut des § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO - insbesondere der ausdrücklichen Nennung der Rechtsbeschwerde und der Nichtzulassungsbeschwerde - ergibt, die entsprechende Anwendung von Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung nur ergänzend im Rahmen von Antrags- und Rechtsmittelverfahren in Betracht, die ihrer Art nach in der Wehrbeschwerdeordnung bereits vorgesehen sind. Aus § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO lassen sich jedoch keine neuen, gesetzlich nicht vorgesehenen Rechtsbehelfe begründen.

c) Der Rechtsbehelf der Beschwerde in entsprechender Anwendung von § 146 Abs. 1 VwGO wird vorliegend auch nicht durch den aus dem Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit den Grundrechten folgenden allgemeinen Justizgewährungsanspruch (vgl. zu diesem BVerfG, Plenumsbeschluss vom 30. April 2003 - 1 PBvU 1/02 - BVerfGE 107, 395 Rn. 33 ff.) eröffnet.

Ob der allgemeine Justizgewährungsanspruch in bestimmten Fallkonstellationen gebietet, dass die Wehrbeschwerdeordnung, entsprechend zu § 146 Abs. 1 VwGO , einen Rechtsbehelf auch gegen Entscheidungen des Truppendienstgerichts, die nicht Beschlüsse in der Hauptsache sind, eröffnen muss, bedarf vorliegend keiner Klärung. Eine solche Situation ist jedenfalls in Fällen wie dem des Antragstellers, dem es lediglich um Kostenfragen im Zusammenhang mit einer Verfügung des Kammervorsitzenden geht, nicht gegeben. Dies ist auch daran ersichtlich, dass die Verwaltungsgerichtsordnung158 Abs. 1 VwGO ), ebenso wie andere Prozessordnungen (§ 99 Abs. 1 ZPO , § 145 FGO ), in rechtsstaatlich unbedenklicher Weise die isolierte Anfechtung der Entscheidung über die Kosten generell ausschließt und diese nur zulässt, wenn zugleich gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird.

3. Der Senat sieht davon ab, dem Antragsteller die durch seinen offensichtlich unzulässigen Antrag veranlassten Kosten des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht aufzuerlegen (§ 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 2 Satz 1 WBO ).

Fundstellen
NVwZ-RR 2017, 388