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BVerwG - Entscheidung vom 30.12.2016

9 BN 3.16

Normen:
GG Art. 28 Abs. 2
GG Art. 103 Abs. 1
VwGO § 86 Abs. 1
VwGO § 108 Abs. 1

Fundstellen:
NVwZ-RR 2017, 1037

BVerwG, Beschluss vom 30.12.2016 - Aktenzeichen 9 BN 3.16

DRsp Nr. 2017/1887

Nachweis veralteter Verteilungsschlüssel zu den Schmutzwasserkosten und Kosten des Niederschlagswassers sowie der Straßenentwässerung; Notwendigkeit einer substantiierten Darlegung der Rüge mangelnder Sachaufklärung

1. Die Rüge mangelnder Sachaufklärung erfordert unter anderem die substantiierte Darlegung, inwiefern der angefochtene Beschluss unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des Normenkontrollgerichts auf dem Mangel beruhen kann. Die Frage, ob das Verfahren des Verwaltungsgerichtshofs an einem Mangel leidet, ist vom materiell-rechtlichen Standpunkt der Vorinstanz aus zu beurteilen, selbst wenn dieser Standpunkt verfehlt sein sollte.2. Einer Kommune muss zur Wahrung ihres Selbstverwaltungsrechts (Art. 28 Abs. 2 GG ) beim Ansatz einzelner Kostenfaktoren und gerade auch bei der Bewertung von Abschreibungen ein vom Gericht zu beachtender Bewertungsspielraum zugestanden werden.3. Ein Verstoß gegen § 108 Abs. 1 S. 1 VwGO und damit ein Verfahrensfehler ist ausnahmsweise dann gegeben, wenn die tatrichterliche Beweiswürdigung auf einem Rechtsirrtum beruht, objektiv willkürlich ist oder allgemeine Sachverhalts- und Beweiswürdigungsgrundsätze, insbesondere gesetzliche Beweisregeln, Natur- oder Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, missachtet sowie wenn das Gericht von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, insbesondere Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätten aufdrängen müssen.4. Grundsätzlich bedeutsam i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur, wenn für die angefochtene Entscheidung eine konkrete, fallübergreifende und bislang ungeklärte Frage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vermag die Rüge der Nichtbeachtung von Bundesrecht bei der Anwendung und Auslegung von irrevisiblem Recht eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision allenfalls dann zu begründen, wenn die Auslegung der - gegenüber dem irrevisiblen Recht als korrigierender Maßstab angeführten - bundesrechtlichen Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft.5. Nicht jede Frage der Einhaltung des landesrechtlichen Kostenüberschreitungsverbots wird durch die Bezugnahme auf das Äquivalenzprinzip zu einer bundesrechtlich relevanten Fragestellung. Die Rüge einer Verletzung von Bundes(verfassungs)recht bei der vorinstanzlichen Auslegung und Anwendung nicht revisiblen Landesrechts vermag die Zulassung der Grundsatzrevision nur zu rechtfertigen, wenn die Beschwerde eine klärungsbedürftige Frage gerade des Bundesrechts darlegt, nicht aber dann, wenn nicht das Bundesrecht, sondern allenfalls das Landesrecht klärungsbedürftig ist.

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 18. April 2016 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Normenkette:

GG Art. 28 Abs. 2 ; GG Art. 103 Abs. 1 ; VwGO § 86 Abs. 1 ; VwGO § 108 Abs. 1 ;

Gründe

Die auf die Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

1. Die geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ) liegen nicht vor.

a) Die Beschwerde meint, der Verwaltungsgerichtshof habe seine gerichtliche Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO ) verletzt, indem er während des Normenkontrollverfahrens vorgelegte Nachberechnungen zur Gebührenkalkulation ungeprüft übernommen habe und ferner ihren substantiierten Hinweisen auf fehlende Unterlagen, ohne die der Sachverhalt nicht vollständig ermittelt werden könne, nicht nachgegangen sei.

Dem kann nicht gefolgt werden. Die Rüge mangelnder Sachaufklärung erfordert unter anderem die substantiierte Darlegung, inwiefern der angefochtene Beschluss unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des Normenkontrollgerichts auf dem Mangel beruhen kann (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 28. Dezember 2011 - 9 B 53.11 - Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 70 Rn. 3). Die Frage, ob das vorinstanzliche Verfahren an einem Mangel leidet, ist vom materiell-rechtlichen Standpunkt der Vorinstanz aus zu beurteilen, selbst wenn dieser Standpunkt verfehlt sein sollte (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 25. März 1987 - 6 C 10.84 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 183 S. 4; Beschluss vom 25. Juni 2015 - 9 B 12.15 - [...] Rn. 10).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist kein Aufklärungsmangel erkennbar. Zu den unter Ziffern 1) - 11) in der Nichtzulassungsbeschwerde im Einzelnen aufgezählten Unterlagen fehlt - sowohl in der Vorinstanz als auch in der Beschwerde - eine hinreichende Darlegung dazu, inwiefern diese Unterlagen für die Überprüfung der Kalkulation von Bedeutung sein könnten. Die Antragstellerin beschränkt sich auf die Forderung, die aufgezählten Unterlagen beizuziehen. Den in diesem Zusammenhang stehenden Vortrag, sie habe konkrete Fehler bei der Nachberechnung benannt, dass nämlich der "Zuschuss- und Beitragseingang zeitlich korrespondierend mit letztem Berücksichtigungsjahr des Anlagevermögens als Abzugskapital berücksichtigt werden muss", hat der Verwaltungsgerichtshof gewürdigt mit seinen Ausführungen (BA S. 16 unten, S. 17 oben), es gebe aufgrund des Vortrags der Antragstellerin keine substantiierten Anhaltspunkte für im Rahmen der Berechnung der Anlagekostenverzinsung darüber hinaus nicht abgezogene Zuschüsse Dritter. Soweit erkennbar, seien die im Anlagennachweis der Antragsgegnerin jeweils enthaltenen Zuschüsse als Abzugskapital berücksichtigt worden. Mit der Beschwerde wird nicht dargelegt, weshalb sich dem Verwaltungsgerichtshof über diese Würdigung des Normenkontrollvorbringens hinaus eine weitere Sachverhaltsaufklärung aufdrängen musste.

Soweit auch ein Verstoß gegen § 86 Abs. 5 VwGO geltend gemacht wird, bleibt die Rüge ebenfalls ohne Erfolg. Auf die Beanstandung der Antragstellerin im Schriftsatz vom 22. September 2015, ein "Anlageverzeichnis für das Jahr 2013" und ein "Anlageverzeichnis für die Ertragszuschüsse" seien nicht vorgelegt worden, hat der Verwaltungsgerichtshof die Antragsgegnerin um Vorlage der genannten Verzeichnisse gebeten. Die Antragsgegnerin hat daraufhin mit Schreiben vom 19. November 2015 einen Auszug des Anlagenverzeichnisses für 2013 eingereicht, aus dem sich ergibt, dass 17 662,61 € für Hausanschlüsse aus den Abschreibungen herausgerechnet worden sind; die Antragstellerin hat hiervon ein Doppel erhalten. Soweit die Antragstellerin auch die Übersendung des Anlagenverzeichnisses für die Ertragszuschüsse begehrt hat, ist zwar den Akten nicht zu entnehmen, dass auch insoweit dem Begehren Rechnung getragen worden ist. Aus den Nachberechnungen der Kalkulationen durch das Büro S. AG ergibt sich allerdings, dass sich der Rückgriff auf dieses Anlagenverzeichnis auf die Feststellung beschränkt hat, für die Ertragszuschüsse sei keine Trennung zwischen Beiträgen und Kostenersätzen vorgesehen, weshalb vereinfachend die Auflösungsbeträge für Ertragszuschüsse gebührenmindernd abgesetzt wurden. Der Verwaltungsgerichtshof hat hierzu in seinem Beschluss ausgeführt, die Kritik der Antragstellerin an der Art und Weise der Eliminierung der Erstattungen aus der Kalkulation sei jedenfalls deshalb im Ergebnis ohne Bedeutung, weil die Herausnahme nicht kostenerhöhend und damit unschädlich sei. Angesichts dessen hätte es der Antragstellerin oblegen, mit der Beschwerde im Einzelnen darzutun, an welchem Vortrag bezüglich der Behandlung der Hausanschlusskosten sie sich durch die Nichtübersendung des Anlagenverzeichnisses gehindert gesehen hat. Dem genügt ihr Vorbringen nicht. Es beschränkt sich auf die Behauptung, bei Vorlage der Unterlagen wäre für das Gericht erkennbar gewesen, dass die angesetzte Anlagekapitalverzinsung geringer ausfalle und andere Kosten, wie Abschreibungen und Umlagen, zu hoch angesetzt worden seien. Abgesehen davon, dass es an jeder Substantiierung für diese Behauptung fehlt, ist auch ein Zusammenhang mit den aus der Kalkulation herausgerechneten Hausanschlusskosten nicht dargetan und auch sonst nicht erkennbar. Soweit die Beschwerde schließlich auf "Ermittlungen der Stadtverwaltung" Bezug nimmt, welche entgegen § 86 Abs. 5 VwGO nicht vorgelegt worden seien, ist darüber hinaus bereits nicht erkennbar, dass es sich insoweit um Urkunden oder elektronische Dokumente im Sinne des § 86 Abs. 5 VwGO handelt.

Ein Aufklärungsmangel wird weiter nicht dargetan mit dem Vortrag, der Verwaltungsgerichtshof habe seiner Entscheidung nicht die Berechnung der Antragstellerin zugrunde gelegt, wonach als Korrektur der Anlagekapitalverzinsung rund 18 820 € und nicht 15 526 € abzuziehen seien. Die Antragsgegnerin hatte mit einer Korrektur der ursprünglichen Gebührenkalkulation eingeräumt, dass die Bemessungsgrundlage für die Verzinsung des Anlagekapitals nicht gemäß § 10 Abs. 2 Satz 3 HessKAG um das aus den vereinnahmten Beiträgen für die angeschlossenen Grundstücke vorhandene Kapital vermindert worden war. Der richtigerweise anzusetzende Kürzungsbetrag der kalkulatorischen Verzinsung belaufe sich auf 15 526 €. Dieser Ermittlung des Abzugsbetrags hatte die Antragstellerin nochmals widersprochen im Schriftsatz vom 16. Juni 2015. Sie hat als Ursache für die Differenz die Vermutung geäußert, dass nicht als Abzugskapital erfasste Zuschüsse aus den Jahren vor 2000 weiterhin nicht berücksichtigt worden seien. Dazu hatte die Antragsgegnerin erwidert, der Kürzungsbetrag ergebe sich aus der Anwendung des kalkulatorischen Zinssatzes auf die um insgesamt 388 150 € gekürzte Bemessungsgrundlage des zu verzinsenden Anlagekapitals und betreffe in voller Höhe den Restwert der Anliegerleistungen; im Anlagevermögen laut der ursprünglichen Kalkulation seien keine Anschaffungsund Herstellungskosten für Anlagen im Bau enthalten gewesen, die zusätzlich hätten eliminiert werden müssen. In ihrer Replik hierzu hatte sich die Antragstellerin auf das bloße Bestreiten dieser Berechnung beschränkt.

Mit der Wiederholung dieses Vortrags in der Nichtzulassungsbeschwerde kann kein Aufklärungsmangel geltend gemacht werden. Der Verwaltungsgerichtshof hat die von der Antragsgegnerin angegebenen Kürzungsbeträge unter Auseinandersetzung mit der abweichenden Auffassung der Antragstellerin zugrunde gelegt und keine substantiierten Anhaltspunkte für darüber hinaus nicht abgezogene Zuschüsse Dritter erkennen können, nachdem auch die Antragstellerin in diesem Punkt keine weiteren konkreten Aufklärungsmöglichkeiten aufgezeigt hatte.

Ein Aufklärungsmangel ergibt sich auch nicht aus der Rüge, der Verwaltungsgerichtshof habe seine Entscheidung auf eine falsche Darstellung zu Anschaffungs- und Herstellungskosten gestützt. Richtigerweise hätten die Investitionskosten gemäß dem von der Antragsgegnerin beschlossenem Haushalt 2012 für die Ermittlung der Anschaffungs- und Herstellungskosten zugrunde gelegt werden müssen und nicht die tatsächlichen Investitionskosten, die um 130 000 € höher lägen. Diese Rüge richtet sich in Wirklichkeit nicht dagegen, dass der Verwaltungsgerichtshof den Sachverhalt unzureichend aufgeklärt hat, sondern gegen seinen materiell-rechtlichen Standpunkt zur Berücksichtigung von Anschaffungs- und Herstellungskosten. Da der Verwaltungsgerichtshof den Prüfungsmaßstab der "Ergebniskontrolle" anwendet (BA S. 14), verstößt er entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch nicht gegen Denkgesetze, wenn er eine nachträglich vorgelegte überarbeitete Gebührenkalkulation berücksichtigt, bei der - neben "gebührensenkenden" Abweichungen gegenüber der ursprünglichen Kalkulation wie etwa den oben behandelten Kürzungsbeträgen - auch "gebührenerhöhende" Faktoren wie tatsächlich höhere Investitionskosten gegenüber einem ursprünglichen Planansatz einfließen.

Ein Aufklärungsmangel ergibt sich weiter nicht aus dem Vorbringen, der Verwaltungsgerichtshof habe die Beanstandungen zu den angesetzten Personalkosten, ferner zu Kosten für das kommunale Gebietsrechenzentrum, die Gemeinschaftskasse und Erstattungen durch den Regiebetrieb sowie für EDVLeistungen bei seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen. Der Verwaltungsgerichtshof halte den Kostenansatz der Antragsgegnerin unter Bezug auf ein von ihr vorgelegtes Konglomerat von Unterlagen aus der Buchhaltung beider Betriebszweige unter Berücksichtigung des Prognosespielraums für nachvollziehbar, die Kosten seien jedoch nicht nachgewiesen. Das Normenkontrollgericht hat die mit Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 30. Dezember 2014 vorgelegten Unterlagen bei seiner Überprüfung der Kalkulation jedoch berücksichtigt (BA S. 20) und dahin gewertet, der in die Kalkulation hierzu eingestellte Ansatz werde unter Berücksichtigung des Prognosespielraums nachvollziehbar gemacht. Die gegen diese Ausführungen gerichtete Rüge wendet sich also erneut nicht gegen eine angeblich unzureichende Sachverhaltsaufklärung, sondern gegen die Bewertung des Sachverhalts durch den Verwaltungsgerichtshof.

Ein Aufklärungsmangel wird schließlich nicht dargetan durch den Vortrag, der Verwaltungsgerichtshof habe die Beanstandungen zu den angesetzten Erstattungen an den Regiebetrieb für Personal und Sachleistungen bei Ausführung städtischer Arbeiten gänzlich unberücksichtigt gelassen. Zu diesem Punkt hatte die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2014 zusätzliche Unterlagen geliefert und die Antragstellerin hatte diese in ihrem Schriftsatz vom 18. Februar 2015 dahin ausgewertet, dass in der Kalkulation gebührenmindernde Erstattungen an den Regiebetrieb zumindest in Höhe von 19 300 € zu niedrig angesetzt worden seien. Diesen Vortrag hat der Verwaltungsgerichtshof unter Berücksichtigung der von der Antragsgegnerin vorgelegten Unterlagen dahin gewürdigt, dass die Ansätze unter Berücksichtigung des Prognosespielraums der Antragsgegnerin nachvollziehbar seien (BA S. 20). Auch insoweit wendet sich die Beschwerde somit gegen den materiell-rechtlichen Standpunkt des Verwaltungsgerichtshofs und legt keinen Aufklärungsmangel dar. Der Vorwurf des "Zirkelschlusses" im Schriftsatz vom 22. September 2015 ändert an dieser Einordnung nichts, er bezieht sich ebenfalls auf die Bewertung des Sachverhalts durch die Vorinstanz.

b) Ohne Erfolg macht die Beschwerde geltend, das Normenkontrollgericht habe den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO ) verletzt. Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist es Sache des Tatsachengerichts, sich im Wege der freien Beweiswürdigung eine Überzeugung von dem entscheidungserheblichen Sachverhalt zu bilden. Die Freiheit, die der Überzeugungsgrundsatz dem Tatsachengericht zugesteht, bezieht sich auf die Bewertung der für die Feststellung des Sachverhalts maßgebenden Umstände. Die Grundsätze der Beweiswürdigung sind revisionsrechtlich grundsätzlich dem sachlichen Recht zuzuordnen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Januar 1990 - 4 C 28.89 - BVerwGE 84, 271 <272> m.w.N; Beschluss vom 14. Juli 2010 - 10 B 7.10 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 66 Rn. 4). Ein Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO und damit ein Verfahrensfehler ist aber ausnahmsweise dann gegeben, wenn die tatrichterliche Beweiswürdigung auf einem Rechtsirrtum beruht, objektiv willkürlich ist oder allgemeine Sachverhalts- und Beweiswürdigungsgrundsätze, insbesondere gesetzliche Beweisregeln, Natur- oder Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, missachtet (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2012 - 5 C 2.11 - BVerwGE 143, 119 Rn. 18 m.w.N), ferner wenn das Gericht von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, insbesondere Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätten aufdrängen müssen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 5. Juli 1994 - 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200 <208 f.> und vom 28. Februar 2007 - 3 C 38.05 - BVerwGE 128, 155 Rn. 59; jeweils m.w.N.).

Ein derartiger Verfahrensfehler liegt entgegen der Auffassung der Beschwerde nicht deshalb vor, weil der Verwaltungsgerichtshof die von der Antragstellerin mit Ziffern 1) - 11) aufgezählten zusätzlichen Unterlagen nicht angefordert hat. Mit dieser Verfahrensweise hat die Vorinstanz nicht wesentliche Unterlagen, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihr hätte aufdrängen müssen, übergangen. Der Verwaltungsgerichtshof hatte die Antragstellerin bereits mit gerichtlichen Verfügungen vom 8. und 23. April 2014 darauf hingewiesen, dass der Senat, falls er über die von der Antragsgegnerin vorgelegten Unterlagen hinaus weitere Unterlagen im Laufe des Verfahrens für erforderlich halte, diese von der Antragsgegnerin anfordern werde. Im weiteren Verfahrensablauf hatte die Antragstellerin noch mehrfach die Beiziehung der von ihr aufgelisteten Unterlagen gefordert. Dazu fehlte jedoch durchgehend eine Begründung für die Entscheidungserheblichkeit. Auch die Nichtzulassungsbeschwerde enthält lediglich die unsubstantiierte Angabe, es handele sich um Unterlagen, "die in direktem Zusammenhang mit der Gebührenkalkulation standen".

c) Eine gehörsverletzende Überraschungsentscheidung (§ 108 Abs. 2 VwGO , Art. 103 Abs. 1 GG ) liegt nicht vor. Die Antragstellerin rügt hierzu, nach dem gesamten Verfahrensablauf habe sie nicht damit rechnen müssen, dass der Verwaltungsgerichtshof ohne Beiziehung der von ihr mehrfach in Bezug genommenen Unterlagen entscheiden würde. Zumindest hätte er Hinweise nach § 86 Abs. 3 VwGO erteilen müssen, weshalb es für die Entscheidungsfindung keiner weiteren Unterlagen bedurfte. Darüber hinaus sei die Entscheidung vom 18. April 2016 für sie deshalb überraschend gekommen, weil sie bereits zwei Wochen nach Übermittlung der letzten schriftsätzlichen Stellungnahme der Antragsgegnerin vom 1. April 2016 erfolgt sei und sie sich nicht mehr mit dieser Stellungnahme habe auseinandersetzen können.

Die Antragstellerin musste damit rechnen, dass das Gericht wie geschehen entscheiden würde. Bereits mit den beiden gerichtlichen Verfügungen vom 8. und 23. April 2014 hatte der Verwaltungsgerichtshof die Antragstellerin darauf hingewiesen, dass der Senat weitere Unterlagen anfordern werde, falls er ihre Beiziehung für notwendig halte. Damit hatte er seiner Hinweispflicht genügt. Die Antragstellerin musste sich hiernach darauf einstellen, dass das Gericht die Beiziehung weiterer Unterlagen nicht für erforderlich hielt und dass es deshalb zusätzlichen substantiierten Vortrags zur Entscheidungserheblichkeit bedurft hätte. Die Antragstellerin kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, die Entscheidung bereits zwei Wochen nach Eingang der letzten schriftsätzlichen Stellungnahme der Antragsgegnerin sei für sie überraschend gekommen. Der Verwaltungsgerichtshof hatte die Beteiligten durch Verfügung vom 16. März 2016 ausdrücklich auf die Entscheidungsmöglichkeit durch Beschluss und damit ohne mündliche Verhandlung hingewiesen und nach der Übermittlung des Schriftsatzes der Antragsgegnerin vom 1. April 2016 - allein zur Kenntnisnahme - unter dem 4. April 2016 der Antragstellerin noch die Gelegenheit eingeräumt, auf diesen Schriftsatz zu reagieren. Hätte eine Stellungnahme mehr Zeit erfordert, hätte die Antragstellerin sich weiteres Gehör verschaffen und um Einräumung einer Schriftsatzfrist ersuchen können. Aufgrund des kurze Zeit zuvor erfolgten Hinweises auf eine mögliche Entscheidung über den Normenkontrollantrag ohne mündliche Verhandlung musste sie bei Wahrung der entsprechenden Sorgfalt mit einer alsbaldigen Entscheidung rechnen.

2. Die Revision ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) zuzulassen. Grundsätzlich bedeutsam in diesem Sinn ist eine Rechtssache nur, wenn für die angefochtene Entscheidung eine konkrete, fallübergreifende und bislang ungeklärte Frage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vermag die Rüge der Nichtbeachtung von Bundesrecht bei der Anwendung und Auslegung von irrevisiblem Recht eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision allenfalls dann zu begründen, wenn die Auslegung der - gegenüber dem irrevisiblen Recht als korrigierender Maßstab angeführten - bundesrechtlichen Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (BVerwG, Beschlüsse vom 20. September 1995 - 6 B 11.95 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 6 S. 8 und vom 16. Juli 2013 - 9 B 15.13 - [...] Rn. 5).

a) Die Frage,

ob gebührenrechtlich entgegen § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftssteuergesetzes - KStG - als verdeckte Gewinnausschüttung gewertete Kosten unbeachtlich sind, obwohl zum einen eine verdeckte Gewinnausschüttung auch strafrechtlich als Steuerhinterziehung gewertet werden kann und zum anderen eine Verletzung des Äquivalenzprinzips dadurch bestehen könnte, dass der Gebührenzahler mit Kosten für Leistungen - hier die Ableseleistung für die Abwasserveranlagung - belastet wird, für welche er keine Gegenleistung erhält,

erfüllt diese Anforderungen nicht. Die Auslegung der bundesrechtlichen Vorschrift des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG im hier einschlägigen Zusammenhang ist durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs bereits geklärt. Der Bundesfinanzhof hat entschieden (BFH, Urteil vom 10. Juli 1996 - I R 108-109/95 - BFHE 181, 277 ; bestätigt durch Urteil vom 28. Januar 2004 - I R 87/02 - BFHE 205, 181 ), dass eine verdeckte Gewinnausschüttung im Sinne dieser Vorschrift dann vorliegt, wenn Bedienstete eines kommunalen Betriebs gewerblicher Art Wassermesseinrichtungen ablesen und dieser Betrieb seine Ableseergebnisse der Trägerkörperschaft zu deren hoheitlichen Zwecken (Abwassergebührenerhebung) zur Verfügung stellt, ohne hierfür ein im Geschäftsverkehr übliches Entgelt zu verlangen. Die von der Antragstellerin aufgeworfene Frage bezieht sich hingegen auf die Auslegung des Gebührenrechts und damit im vorliegenden Fall auf die Auslegung der nicht revisiblen landesrechtlichen Vorschriften des § 10 Abs. 1 Satz 2 und 3 HessKAG. Es ist eine Frage der Einhaltung des Kostenüberdeckungsverbots, ob die Kosten für die Wasserzähler und das Ablesen dieser Zähler vollständig im Rahmen des durch die Wassergebühren abzudeckenden Aufwandes angesetzt werden dürfen, da mit ihnen die gelieferte Wassermenge bestimmt wird (so die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs S. 20) oder ob die Kosten für die Wasserzähler und das Ablesen dieser Zähler zur Hälfte der Kalkulation der Abwassergebühren zuzuordnen sind, weil die Festsetzung der Abwassergebühren auf die Unterhaltung der Wasserzähler und das Ablesen dieser Zähler ebenso angewiesen ist.

Die Bezugnahme der Beschwerde auf das Äquivalenzprinzip als Ausprägung des bundesverfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit verleiht der aufgeworfenen Frage keine revisible Bedeutung. Nicht jede Frage der Einhaltung des landesrechtlichen Kostenüberschreitungsverbots wird durch die Bezugnahme auf das Äquivalenzprinzip zu einer bundesrechtlich relevanten Fragestellung. Die Rüge einer Verletzung von Bundes(verfassungs)recht bei der vorinstanzlichen Auslegung und Anwendung nicht revisiblen Landesrechts vermag die Zulassung der Grundsatzrevision nur zu rechtfertigen, wenn die Beschwerde eine klärungsbedürftige Frage gerade des Bundesrechts darlegt, nicht aber dann, wenn nicht das Bundesrecht, sondern allenfalls das Landesrecht klärungsbedürftig ist (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 13. Juni 2009 - 9 B 2.09 - Buchholz 445.4 § 3 WHG Nr. 6 Rn. 4 m.w.N.). Die Klärungsbedürftigkeit von Bundesrecht zeigt die Beschwerde nicht auf. Sie moniert vielmehr, dass der Verwaltungsgerichtshof sich für ein Verständnis des Kostenüberschreitungsverbots entschieden hat, das erlaubt, die Kosten der Unterhaltung und des Ablesens von Wasserzählern allein den Kosten für die Wasserversorgung zuzuordnen und auf eine anteilige Zurechnung zu den Kosten der Abwasserentsorgung zu verzichten.

b) Die weiter aufgeworfenen Fragen,

ob es einen Verstoß gegen Art. 3 GG darstellt, wenn im Zuge eines vom Gericht tolerierten Prognosespielraums für die Überdeckung eines Gebührensatzes von bis zu 3 % im Gesamtergebnis dabei eine unterschiedliche Bewertung der in eine Gebührenkalkulation einfließenden Berechnungsfaktoren erfolgt, indem eine Überschreitung von Einzelansätzen in der Gebührenkalkulation von mehr als 100 % hingenommen wird,

ob es einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG darstellt, wenn aus der Geldanlage von Gebührenüberschüssen erwirtschaftete Zinserträge nicht bei der Gebührenermittlung dem Gebührenzahler entlastend angerechnet werden, wodurch die dem Normgeber eingeräumte weitgehende Freiheit für die Gestaltung abgabenrechtlicher Regelungen überschritten wird, weil es an einem sachlich einleuchtenden Grund für die Differenzierung oder Gleichbehandlung fehlt,

ob es einen Verstoß gegen das Prinzip der Abgabengerechtigkeit als Ausfluss des Art. 3 Abs. 1 GG darstellt, dass dann, wenn sich die Gemeinde zu einer Mischfinanzierung ihrer öffentlichen Einrichtung aus Gebühren und Beiträgen entschieden hat, eine rechtswidrige Beitragssatzung keine Auswirkung auf die Rechtswidrigkeit des Gebührensatzes hat,

rechtfertigen die Zulassung der Revision ebenfalls nicht. Es fehlt jede Darlegung der Beschwerde (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ), welche bundesrechtlich ungeklärten Rechtsfragen gerade zu Art. 3 Abs. 1 GG der Fall aufwirft. Die Beschwerde beschränkt sich auf die Behauptung, die jeweils aufgeworfene Rechtsfrage "beziehe" sich auf Art. 3 GG .

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO . Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes beruht auf § 52 Abs. 1 , § 47 Abs. 1 und 3 GKG .

Vorinstanz: VGH Hessen, vom 18.04.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 5 C 2174/13
Fundstellen
NVwZ-RR 2017, 1037