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BVerwG - Entscheidung vom 12.01.2016

1 B 64.15

BVerwG, Beschluss vom 12.01.2016 - Aktenzeichen 1 B 64.15

DRsp Nr. 2016/2714

Aufhebung einer Entscheidung über die Unzuständigkeit Deutschlands für die Prüfung eines Asylantrags nach den unionsrechtlichen Regelungen der Dublin II-Verordnung

Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 5. August 2015 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

Die Beschwerde der Beklagten, mit der eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) geltend gemacht wird, hat keinen Erfolg. Denn ihr Vorbringen entspricht - jedenfalls soweit die aufgeworfenen Rechtsfragen im Senat zwischenzeitlich nicht bereits geklärt sind - nicht den Darlegungsanforderungen gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO .

Soweit die Beschwerde der Sache nach für klärungsbedürftig hält, ob ein auf § 27a AsylG gestützter Bescheid in eine ablehnende Entscheidung nach § 71a AsylG umgedeutet werden kann, ist in der Rechtsprechung des Senats inzwischen geklärt, dass - wie vom Berufungsgericht angenommen - eine solche Umdeutung nicht möglich ist (BVerwG, Urteil vom 16. November 2015 - 1 C 4.15 - [...] Rn. 26 ff.). Auch hinsichtlich der statthaften Klageart ist geklärt, dass allein die Anfechtungsklage statthaft ist, wenn es - wie hier - um das Begehren auf Aufhebung einer Entscheidung über die Unzuständigkeit Deutschlands für die Prüfung eines Asylantrags nach den unionsrechtlichen Regelungen der Dublin II-Verordnung geht (BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2015 - 1 C 32.14 -[...] Rn. 13).

Soweit die Beschwerde weiter für klärungsbedürftig hält, ob der Ablauf der Überstellungsfrist nach den Dublin-Bestimmungen dem Antragsteller ein subjektives Recht auf Durchführung des Asylverfahrens im zuständig werdenden Mitgliedstaat verschafft, fehlt es an einer hinreichenden Darlegung der Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass auf den Kläger weiterhin die Dublin II-VO und damit - worauf es in seiner Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision hingewiesen hat - ausgelaufenes Recht Anwendung findet. Entsprechend dem Zweck der Grundsatzrevision, eine für die Zukunft richtungsweisende Klärung des geltenden Rechts herbeizuführen, rechtfertigen Rechtsfragen zu ausgelaufenem oder auslaufendem Recht sowie zu Übergangsrecht nach ständiger Rechtsprechung aller Senate des Bundesverwaltungsgerichts regelmäßig nicht die Zulassung einer Grundsatzrevision. Für eine Ausnahme von dieser Regel genügt nicht, dass noch Fälle abzuwickeln sind, in denen das alte Recht von Bedeutung ist. Vielmehr ist erforderlich, dass sich eine klärungsbedürftige Frage zur Auslegung der außer Kraft getretenen Norm für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft weiter stellen kann, wie dies bei Fragen aus dem weiterhin geltenden Recht regelmäßig der Fall ist. Eine derartige Konstellation kann vorliegen, wenn sich bei einer gesetzlichen Bestimmung, die der außer Kraft getretenen Vorschrift nachgefolgt ist, die streitige Frage in gleicher Weise stellen würde, oder wenn die außer Kraft getretene Vorschrift aufgrund einer Übergangsbestimmung ihre Gültigkeit für einen nicht überschaubaren Personenkreis auch für die Zukunft behalten hätte (BVerwG, Beschlüsse vom 9. Juni 2000 - 4 B 19.00 - [...] Rn. 5, vom 17. Mai 2004 - 1 B 176.03 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziffer 1 VwGO Nr. 29 und vom 7. Oktober 2004 - 1 B 139.04 - Buchholz 402.240 § 7 AuslG Nr. 12, jeweils m.w.N.).

In diesem Sinne legt die Beschwerde keine Gründe für eine ausnahmsweise Zulassung der Revision in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dar. Hierfür genügt insbesondere nicht der nicht näher dargelegte Hinweis, dass nicht ersichtlich sei, dass die Problematik nur im Hinblick auf die Dublin II-VO existieren sollte. Die Beschwerde enthält auch keinerlei Ausführungen dazu, ob die Klärung der von ihr aufgeworfenen Rechtsfrage noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft von Bedeutung ist. Für das Vorliegen einer solchen Sachlage ist der Beschwerdeführer darlegungspflichtig und müssen Anhaltspunkte für eine erhebliche Zahl von Altfällen dargetan und ersichtlich sein (BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 1995 - 6 B 35.95 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziffer 1 VwGO Nr. 9). Abgesehen davon zeigt die Beschwerde auch nicht - wie erforderlich -die Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage auf. Denn das Berufungsgericht hat die Frage nach einem aus der Dublin II-VO selbst ableitbaren Individualschutz ausdrücklich offengelassen und eine Rechtsverletzung unmittelbar aus dem materiellen Asylrecht hergeleitet. Hiermit setzt sich die Beschwerde nicht auseinander und zeigt hinsichtlich dieser die Entscheidung tragenden Begründung keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf auf.

Von einer weitergehenden Begründung sieht der Senat ab.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO . Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG ; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.

Mit der nicht anfechtbaren Kostenentscheidung erübrigt sich eine Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag des Klägers, der derzeit mangels Vorlage einer vollständigen Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und entsprechender Nachweise nicht entscheidungsreif ist.

Vorinstanz: OVG Rheinland-Pfalz, vom 05.08.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 1 A 11020/14