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BGH - Entscheidung vom 25.05.2016

IV ZR 197/15

Normen:
EGBGB Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 1
BGB § 204 Abs. 1 Nr. 4
BGB § 204 Abs. 2 S. 1
BGB § 242

BGH, Urteil vom 25.05.2016 - Aktenzeichen IV ZR 197/15

DRsp Nr. 2016/10171

Schadensersatzbegehren wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages; Rechtsmissbräuchliche Einleitung des Güteverfahrens

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Oberlandesgerichts München - 21. Zivilsenat - vom 9. März 2015 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 142.752,73 € festgesetzt.

Normenkette:

EGBGB Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 1; BGB § 204 Abs. 1 Nr. 4 ; BGB § 204 Abs. 2 S. 1; BGB § 242 ;

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten, einem englischen Lebensversicherer, Schadensersatz wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit einem im Jahr 2000 zustande gekommenen Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages "Wealthmaster Noble". Diese Versicherung war Bestandteil eines als "Geared Investment Pack" bezeichneten Kapitalanlagemodells, nach dessen Konzept der Ertrag der Lebensversicherung dazu ausreichen sollte, ein für diese Anlage aufgenommenes endfälliges Darlehen nach circa zehn Jahren vollständig zu tilgen, während ein darüber hinausgehender Ertrag dem Kläger als Altersvorsorge zur Verfügung stehen sollte.

Der Kläger macht geltend, dass ihm bei Abschluss des Vertrages unzutreffende Angaben über die zu erwartende Rendite gemacht worden seien und er über die Einlagenverwaltung durch die Beklagte falsch und nicht ausreichend aufgeklärt worden sei. Er verlangt deshalb, so gestellt zu werden, als hätte er sich an dem Anlagemodell nicht beteiligt.

Ende Dezember 2009 reichte der Kläger über seinen Anwalt bei der staatlich anerkannten Gütestelle eines Rechtsanwalts und Mediators in F. einen Güteantrag ein, von dem die Beklagte mit Schreiben der Gütestelle vom 17. März 2010 unterrichtet wurde. Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 23. März 2010, eingegangen bei der Gütestelle am 26. März 2010, mitgeteilt hatte, dass sie an dem Güteverfahren nicht teilnehmen werde, stellte die Gütestelle mit Schreiben vom 20. April 2010, eingegangen bei den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 21. April 2010, das Scheitern des Verfahrens fest. In § 7 Buchst. b der maßgeblichen Verfahrensordnung der Gütestelle heißt es: "Das Verfahren endet, (...) wenn eine Partei erklärt, dass sie nicht an einem Mediationstermin teilnehmen wird."

Am 16. Oktober 2012 hat der Kläger beim Landgericht Klage eingereicht, die der Beklagten am 30. Oktober 2012 zugestellt worden ist. Mit dieser Klage hat er die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 137.752,73 € nebst Zinsen, die Freistellung von vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten sowie die Feststellung, dass die Beklagte ihm den darüber hinausgehenden Schaden im Zusammenhang mit dem abgeschlossenen Altersvorsorgemodell zu ersetzen habe, verlangt.

Die Beklagte ist dem Vorbringen des Klägers entgegengetreten und hat die Einrede der Verjährung erhoben.

Die Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht hat die Zulässigkeit des Feststellungsantrags offen gelassen und im Übrigen angenommen, dass etwaige Schadensersatzansprüche des Klägers nach § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB verjährt seien. Die Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB durch Einreichung des Güteantrags habe sechs Monate nach Eingang des ablehnenden Schreibens der Beklagten vom 23. März 2010 bei der Gütestelle am 25. März 2010 (bzw. am 26. März 2010) geendet, so dass Verjährung noch vor Einreichung der Klage eingetreten sei.

II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen tragen die Annahme einer Verjährung der geltend gemachten Ansprüche nicht.

1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass die zehnjährige Verjährungsfrist am 1. Januar 2002 zu laufen begonnen hat. Dies folgt aus Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB .

2. Rechtsfehlerhaft ist dagegen die Annahme des Berufungsgerichts, dass eine etwaige Hemmung der Verjährung durch den eingereichten Güteantrag bereits im September 2012 endete, weil die Nachlauffrist des § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB bereits mit dem Zugang der Erklärung der Beklagten, am Güteverfahren nicht teilzunehmen, bei der Gütestelle begonnen habe.

Wie der Senat mit Urteil vom 28. Oktober 2015 ( IV ZR 405/14, VersR 2015, 1545 ) entschieden und näher begründet hat, endet die Hemmung der Verjährung, wenn das Güteverfahren durch eine Mitteilung des Schuldners endet, dass er am Verfahren nicht teilnehme, erst sechs Monate nach dem Zeitpunkt, in dem die Gütestelle die Bekanntgabe dieser Mitteilung an den Gläubiger veranlasst (aaO Rn. 30 ff.). Da das Berufungsgericht zu dem danach maßgeblichen Zeitpunkt keine Feststellungen getroffen hat, ist es offen, ob eine durch den Güteantrag etwa eingetretene Verjährungshemmung ausreichend lange gedauert hat, um den Verjährungseintritt vor Klageerhebung zu hindern.

III. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus einem anderen Grunde als richtig (§ 561 ZPO ).

1. Zu der Frage, ob mit der Einreichung des Güteantrags, der der Beklagten sodann "demnächst" bekanntgegeben wurde, eine Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB eintrat, bedarf es ebenfalls weiterer Feststellungen.

a) Der geltend gemachte Anspruch war in dem Güteantrag allerdings bestimmt genug bezeichnet, um eine Hemmung der Verjährung herbeizuführen.

Wie der Senat mit Urteil vom 28. Oktober 2015 ( IV ZR 405/14, VersR 2015, 1545 ) entschieden und im Einzelnen ausgeführt hat, genügt es in Fällen der vorliegenden Art, in denen es um einen Schadensersatzanspruch wegen Aufklärungsmängeln infolge ungenügender Aufkl ärung über Besonderheiten des von der Beklagten angebotenen Versicherungsprodukts geht, wenn Policennummer, Zeichnungssumme, Art und Umfang der behaupteten Aufklärungspflichtverletzungen und des geltend gemachten Schadensersatzanspruches bezeichnet werden (aaO Rn. 19); dabei reicht es jedenfalls dann aus, dass sich diese Angaben lediglich in vorprozessualen Anspruchsschreiben befinden, wenn es sich um ein einzelnes Schreiben handelt, mit dem die Erkennbarkeit des Begehrens des Antragstellers gewährleistet wird, auf dessen Inhalt in dem Antrag ausdrücklich Bezug genommen ist und das dem Antrag beigefügt wurde (aaO Rn. 15 f.). Diesen Anforderungen ist im Streitfall Genüge getan.

b) Weiterer tatsächlicher Feststellungen bedarf jedoch die Frage , ob im Streitfall eine rechtsmissbräuchliche Einleitung des Güteverfahrens vorlag, die einer Berufung des Klägers auf die Hemmung der Verjährung nach § 242 BGB entgegenstehen könnte.

aa) Zwar stellt es, wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils ebenfalls entschieden und näher begründet hat, keine rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme des Güteverfahrens dar, dass die Prozessbevollmächtigen des Klägers insgesamt 904 gegen die Beklagte gerichtete Güteanträge gleichzeitig bei der Gütestelle eingereicht haben , und ist es auch grundsätzlich legitim und begründet im Regelfall keinen Rechtsmissbrauch, wenn ein Antragsteller eine Gütestelle ausschließlich zum Zwecke der Verjährungshemmung anruft (Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - IV ZR 405/14, VersR 2015, 1545 Rn. 24 f. und IV ZR 526/14, VersR 2015, 1548 Rn. 32 f.).

bb) Hiervon ist aber dann eine Ausnahme zu machen, wenn schon vor der Einreichung des Güteantrags feststeht, dass der Antragsgegner nicht bereit ist, an einem Güteverfahren mitzuwirken und sich auf eine außergerichtliche Einigung einzulassen, und er dies dem Antragsteller schon im Vorfeld in eindeutiger Weise mitgeteilt hat. Als Rechtsfolge einer derartigen missbräuchlichen Inanspruchnahme des Verfahrens ist es dem Gläubiger dann gemäß § 242 BGB verwehrt, sich auf eine Hemmung der Verjährung durch Bekanntgabe des Güteantrags zu berufen (Senatsurteil vom 28. Oktober 2015 - IV ZR 526/14 aaO Rn. 34).

Die Voraussetzungen dieses Ausnahmetatbestands hat die Beklagte unter Beweisantritt schlüssig vorgetragen. Sie hat behauptet, den Prozessbevollmächtigten des Klägers sei schon vor Einleitung des Güteverfahrens bekannt gewesen, dass die Beklagte zu einer gütlichen Einigung nicht bereit ist. Sowohl im Rahmen eines Gesprächs zwischen der Anwaltskanzlei des Klägers, der Beklagten und den Anwälten und Vertretern der Beklagten im Herbst 2008 als auch bereits im Vorfeld dieser Besprechung habe die Beklagte deutlich gemacht, dass eine gütliche Einigung nicht in Betracht komme und angesichts der Vielzahl von Verfahren keine außergerichtlichen Lösungsmöglichkeiten bestünden. Dies sei den Prozessbevollmächtigten des Klägers somit bekannt gewesen.

Hierzu hat das Berufungsgericht bislang keine Feststellungen getroffen. Das wird es nachzuholen haben; ein rechtsmissbräuchliches Stellen des Güteantrags lässt sich mit dem in der Revisionserwiderung weiter aufgeführten Schreiben vom 30. Dezember 2009 schon deshalb nicht begründen, weil dessen Zugang vor Einreichung des Güteantrags nicht ersichtlich ist.

2. Ebenso fehlt es noch an Feststellungen zum Grund des vom Kläger erhobenen Schadensersatzanspruchs.

Von Rechts wegen

Verkündet am: 25. Mai 2016

Vorinstanz: LG München II, vom 19.03.2014 - Vorinstanzaktenzeichen 10 O 4858/12
Vorinstanz: OLG München, vom 09.03.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 21 U 3190/14