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BGH - Entscheidung vom 25.05.2016

IV ZR 110/15

Normen:
EGBGB Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 1
BGB § 204 Abs. 1 Nr. 4
BGB § 204 Abs. 2 S. 1
BGB § 242

BGH, Urteil vom 25.05.2016 - Aktenzeichen IV ZR 110/15

DRsp Nr. 2016/10170

Schadensersatzbegehren wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages; Rechtsmissbräuchliche Einleitung des Güteverfahrens

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 8. Januar 2015 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf bis 380.000 € festgesetzt.

Normenkette:

EGBGB Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 1; BGB § 204 Abs. 1 Nr. 4 ; BGB § 204 Abs. 2 S. 1; BGB § 242 ;

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten, einem englischen Lebensversicherer, Schadensersatz wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit dem im Jahre 2001 erfolgten Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages. Diese Versicherung war Bestandteil eines als "Sicherheits-Kompakt-Rente (SKR)" bezeichneten Kapitalanlagemodells.

Weil sich der Vertragswert der Lebensversicherung nicht so entwickelte, dass damit die im Rahmen des Anlagemodells vorgesehene vollständige Tilgung vom Kläger aufgenommener Darlehen zu erwarten war, verlangt er, so gestellt zu werden, als hätte er sich an dem Anlagemodell nicht beteiligt. Er macht geltend, dass der Vermittler, dessen Angaben sich die Beklagte zurechnen lassen müsse, sowie die Beklagte ihn über die von ihr selbst erwarteten Renditen, das von ihr praktizierte Glättungsverfahren und die Verwendung der erzielten Überschüsse nicht oder jedenfalls unzureichend aufgeklärt hätten.

Ende Dezember 2009 reichte der Kläger über seinen Anwalt bei der staatlich anerkannten Gütestelle eines Rechtsanwalts und Mediators in F. einen Güteantrag ein, von dem die Beklagte durch Schreiben der Gütestelle vom 17. März 2010 unterrichtet wurde. Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 23. März 2010, eingegangen bei der Gütestelle am 26. März 2010, mitgeteilt hatte, dass sie an dem Güteverfahren nicht teilnehmen werde, stellte die Gütestelle mit Schreiben vom 20. April 2010, eingegangen bei den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 21. April 2010, das Scheitern des Verfahrens fest. In § 7 Buchst. b der maßgeblichen Verfahrensordnung der Gütestelle heißt es: "Das Verfahren endet, (...) wenn eine Partei erklärt, dass sie nicht an einem Mediationstermin teilnehmen wird."

Am 11. Oktober 2012 hat der Kläger beim Landgericht Klage eingereicht, die der Beklagten am 9. November 2012 zugestellt worden ist. Mit dieser Klage hat er Zahlung von 335.789,49 € nebst Zinsen, die Freistellung von vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten sowie die Feststellung, dass die Beklagte ihm den darüber hinausgehenden Schaden im Zusammenhang mit der abgeschlossenen Sicherheits-KompaktRente zu ersetzen habe, verlangt.

Die Beklagte ist dem Vorbringen des Klägers entgegengetreten und hat die Einrede der Verjährung erhoben.

Die Klage hat in den Vorinstanzen im Wesentlichen Erfolg gehabt. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht hat die Beklagte für verpflichtet gehalten, den Kläger so zu stellen, als hätte er den Versicherungsvertrag mit der Beklagten und die weiteren im Zusammenhang mit der Zeichnung der Anlage stehenden Verträge nicht abgeschlossen. Er sei über das Glättungsverfahren und die poolübergreifende Reservenbildung nicht in der gebotenen Weise aufgeklärt worden. Der Klageanspruch sei auch nicht verjährt.

Insbesondere sei die kenntnisunabhängige absolute Verjährungsfrist von zehn Jahren vor Klageerhebung nicht abgelaufen, weil der Lauf der Verjährungsfrist mindestens vom 31. Dezember 2009 bis zum 21. Oktober 2010 gehemmt gewesen sei, so dass Verjährung nicht vor dem 21. Oktober 2012 habe eintreten können. Das Güteverfahren habe eine Hemmung der Verjährung herbeigeführt; diese Hemmung habe gemäß § 204 Abs. 2 BGB aber erst sechs Monate nach dem Zeitpunkt geendet, in dem die Gütestelle dem Kläger mitgeteilt habe, dass die Beklagte am Güteverfahren nicht teilnehmen wolle.

II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen tragen die Annahme einer die Verjährung des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs hindernden ausreichenden Hemmung nicht.

1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass die zehnjährige Verjährungsfrist am 1. Januar 2002 zu laufen begonnen hat. Dies folgt aus Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB .

2. Dazu, ob mit der Einreichung des Güteantrags, der der Beklagten sodann "demnächst" bekanntgegeben wurde, eine Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB eintrat, bedarf es jedoch weiterer Feststellungen.

a) Zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass der geltend gemachte Anspruch in dem Güteantrag bestimmt genug bezeichnet war, um eine Hemmung der Verjährung herbeizuführen.

Wie der Senat mit Urteil vom 28. Oktober 2015 ( IV ZR 405/14, VersR 2015, 1545 ) entschieden und im Einzelnen ausgeführt hat, genügt es in Fällen der vorliegenden Art, in denen es um einen Schadensersatzanspruch wegen Aufklärungsmängeln infolge ungenügender Aufkl ärung über Besonderheiten des von der Beklagten angebotenen Versicherungsprodukts geht, wenn Policennummer, Zeichnungssumme, Art und Umfang der behaupteten Aufklärungspflichtverletzungen und des geltend gemachten Schadensersatzanspruches bezeichnet werden (aaO Rn. 19); dabei reicht es jedenfalls dann aus, dass sich diese Angaben lediglich in vorprozessualen Anspruchsschreiben befinden, wenn es sich um ein einzelnes Schreiben handelt, mit dem die Erkennbarkeit des Begehrens des Antragstellers gewährleistet wird, auf dessen Inhalt in dem Antrag ausdrücklich Bezug genommen ist und das dem Antrag beigefügt wurde (aaO Rn. 15 f.). Diesen Anforderungen ist im Streitfall Genüge getan.

b) Nicht ausreichend geprüft hat das Berufungsgericht dagegen, ob im Streitfall eine rechtsmissbräuchliche Einleitung des Güteverfahrens vorlag, die einer Berufung des Klägers auf die Hemmung der Verjährung nach § 242 BGB entgegenstehen könnte.

aa) Zwar stellt es, wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils ebenfalls entschieden und näher begründet hat, keine rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme des Güteverfahrens dar, dass die Prozessbevollmächtigen des Klägers insgesamt 904 gegen die Beklagte gerichtete Güteanträge gleichzeitig bei der Gütestelle eingereicht haben , und ist es auch grundsätzlich legitim und begründet im Regelfall keinen Rechtsmissbrauch, wenn ein Antragsteller eine Gütestelle ausschließlich zum Zwecke der Verjährungshemmung anruft (Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - IV ZR 405/14, VersR 2015, 1545 Rn. 24 f. und IV ZR 526/14, VersR 2015, 1548 Rn. 32 f.).

bb) Hiervon ist aber dann eine Ausnahme zu machen, wenn schon vor der Einreichung des Güteantrags feststeht, dass der Antragsgegner nicht bereit ist, an einem Güteverfahren mitzuwirken und sich auf eine außergerichtliche Einigung einzulassen, und er dies dem Antragsteller schon im Vorfeld in eindeutiger Weise mitgeteilt hat. Als Rechtsfolge einer derartigen missbräuchlichen Inanspruchnahme des Verfahrens ist es dem Gläubiger dann gemäß § 242 BGB verwehrt, sich auf eine Hemmung der Verjährung durch Bekanntgabe des Güteantrags zu berufen (Senatsurteil vom 28. Oktober 2015 - IV ZR 526/14 aaO Rn. 34).

Die Voraussetzungen dieses Ausnahmetatbestands hat die Beklagte unter Beweisantritt schlüssig vorgetragen. Sie hat behauptet, den Prozessbevollmächtigten des Klägers sei schon vor Einleitung des Güteverfahrens bekannt gewesen, dass die Beklagte zu einer gütlichen Einigung nicht bereit ist. Sowohl im Rahmen eines Gesprächs zwischen der Anwaltskanzlei des Klägers, der Beklagten und den Anwälten und Vertretern der Beklagten im Herbst 2008 als auch bereits im Vorfeld dieser Besprechung habe die Beklagte deutlich gemacht, dass eine gütliche Einigung nicht in Betracht komme und angesichts der Vielzahl von Verfahren keine außergerichtlichen Lösungsmöglichkeiten bestünden. Dies sei den Prozessbevollmächtigten des Klägers somit bekannt gewesen.

Ob damit die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestands erfüllt sind, lässt sich ohne die Vernehmung der hierzu benannten Zeugen nicht abschließend beurteilen. Insoweit fehlt es bislang an tragfäh igen Feststellungen.

3. Sofern das Berufungsgericht kein rechtsmissbräuchliches Verhalten feststellen sollte, wird es im Weiteren zu beachten haben, dass die Nachlauffrist des § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht erst, wie von ihm angenommen, mit dem Zugang der Mitteilung der Gütestelle über das Scheitern des Verfahrens an die Prozessbevollmächtigten des Klägers zu laufen begann, sondern bereits zu dem Zeitpunkt, zu dem die Gütestelle die Mitteilung dieser Bekanntgabe veranlasst hat (Senatsurteil vom 28. Oktober 2015 - IV ZR 405/14, VersR 2015, 1545 Rn. 30 ff.). Auch diesen Zeitpunkt wird es deshalb gegebenenfalls festzustellen haben.

Von Rechts wegen

Verkündet am: 25. Mai 2016

Vorinstanz: LG Frankfurt/Main, vom 29.08.2013 - Vorinstanzaktenzeichen 23 O 400/12
Vorinstanz: OLG Frankfurt/Main, vom 08.01.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 7 U 224/13