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BGH - Entscheidung vom 27.01.2016

IX ZB 100/15

Normen:
InsO § 182
ZPO § 4

Fundstellen:
ZInsO 2016, 541

BGH, Beschluss vom 27.01.2016 - Aktenzeichen IX ZB 100/15

DRsp Nr. 2016/3484

Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aus dem Erwerb einer Kommanditbeteiligung; Feststellung einer Insolvenzforderung Zug-um-Zug gegen Abtretung aller Rechte aus den Kommanditbeteiligungen

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Kläger wird der Beschluss des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 11. Juni 2015 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Beschwerdewert: bis zu 1.000 €

Normenkette:

InsO § 182 ; ZPO § 4 ;

Gründe

I.

Die Kläger erwarben eine Kommanditbeteiligung an einer Fonds KG. Die S. GmbH (fortan: Schuldnerin) ist Gründungsgesellschafterin und Komplementärin des Fonds. Die Kläger machten Schadensersatzansprüche aus dem Erwerb der Kommanditbeteiligung gegen die Schuldnerin geltend. Das Amtsgericht München eröffnete mit Beschluss vom 26. April 2013 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und bestellte den Beklagten zum Insolvenzverwalter.

Mit Schreiben vom 12. Juni 2013 meldeten die Kläger eine Forderung über 36.750 € zuzüglich einer Auslagenpauschale von 20 € zur Tabelle an. Der Beklagte lehnte die Feststellung zur Tabelle ab.

Mit ihrer Feststellungsklage beantragen die Kläger in erster Linie, eine Insolvenzforderung von 10.500 € Zug-um-Zug gegen Abtretung aller Rechte aus den Kommanditbeteiligungen der Kläger festzustellen, hilfsweise festzustellen, dass ihnen eine Insolvenzforderung in Höhe von 35.000 € zustehe. Der Beklagte machte in erster Instanz unter anderem geltend, dass die liquiden Mittel gerade ausreichend seien, um die Kosten des Insolvenzverfahrens zu tragen. Eine Quote sei nicht zu erwarten. Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen und den Streitwert auf 500 € festgesetzt. Die von den Klägern eingelegte Berufung hat das Berufungsgericht als unzulässig verworfen. Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

1. Das Berufungsgericht hat gemeint, der nach § 511 Abs. 2 ZPO erforderliche Beschwerdewert von über 600 € sei nicht erreicht. Gemäß § 182 InsO in Verbindung mit § 3 ZPO komme es auf das wirtschaftliche Interesse des Gläubigers an der Feststellung seiner Forderung an. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Streitwertfestsetzung sei gemäß § 182 InsO derjenige der Klageerhebung. Zum diesem Zeitpunkt sei keine Quote zu erwarten gewesen. Änderungen, die im Laufe des Rechtsstreits einträten, seien unerheblich. Dass zum Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels möglicherweise eine andere Quote zu erwarten gewesen sei, ändere nichts. § 4 ZPO besage nur, dass ein Steigen oder Sinken des Wertes des Streitwerts im Vergleich zum Tag des Eingangs der Klage oder des Eingangs der Rechtsmittelschrift ohne Einfluss auf die Zuständigkeit oder die Zulässigkeit des Rechtsmittels sei.

2. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 , § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ). Wie die Rechtsbeschwerde darlegt, weicht das Berufungsgericht mit seiner Rechtsprechung vom allgemeinen Verständnis des § 4 ZPO ab.

a) Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben, weil das Berufungsgericht § 4 ZPO missversteht. Ob eine Berufung die erforderliche Beschwerdesumme erreicht, richtet sich nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt der Einlegung der Berufung. Dies gilt - wie der Senat mit Beschluss vom 14. Januar 2016 ( IX ZB 57/15, zur Veröffentlichung bestimmt) näher begründet und entschieden hat - auch für die Fälle, in denen sich bei unverändertem Streitgegenstand der Wert des Beschwerdegegenstandes gegenüber dem Zuständigkeitsstreitwert erster Instanz verändert hat.

Daher kommt es für die Frage, ob die Mindestbeschwer erreicht ist, darauf an, welche Quote gemäß § 182 InsO für die Forderung zum Zeitpunkt der Einlegung der Berufung zu erwarten war (BGH, Beschluss vom 14. Januar 2016 - IX ZB 57/15, zur Veröffentlichung bestimmt). § 182 InsO bestimmt lediglich, welche Maßstäbe für die Wertberechnung bei einer Klage auf Feststellung einer Forderung anzulegen sind, deren Bestand vom Insolvenzverwalter oder von einem Insolvenzgläubiger bestritten wird. Der Zeitpunkt für die Wertberechnung richtet sich jedoch nach den allgemeinen Regeln (§ 4 InsO in Verbindung mit § 4 Abs. 1 ZPO ).

b) Nach diesen Maßstäben ist die Berufung der Kläger zulässig. Da das Landgericht die Feststellungsklage in vollem Umfang abgewiesen hat, ist für die Beschwer der Kläger maßgeblich, welchen Wert die Feststellungsklage bei Einlegung der Berufung hatte. Dies war hier der 13. März 2015. Nach den ausführlichen Angaben des Beklagten, die sich die Kläger zu eigen gemacht haben und an deren Richtigkeit zu zweifeln kein Anlass besteht, war selbst bei ungünstigen Annahmen am 13. März 2015 jedenfalls mit einer Quote von 1,91 v.H. zu rechnen. Dies ergibt gemäß § 182 InsO , § 3 ZPO jedenfalls aufgrund des Hilfsantrags eine Beschwerdesumme von mindestens 668,50 €, welche die Grenze des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO übersteigt.

3. Das Berufungsgericht wird daher in der Sache zu entscheiden haben.

Vorinstanz: LG München I, vom 09.02.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 35 O 3610/14
Vorinstanz: OLG München, vom 11.06.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 13 U 975/15
Fundstellen
ZInsO 2016, 541