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BGH - Entscheidung vom 19.04.2016

3 StR 67/16

Normen:
StGB § 20
StGB § 21
StGB § 63

BGH, Beschluss vom 19.04.2016 - Aktenzeichen 3 StR 67/16

DRsp Nr. 2016/9762

Gefährlichkeitsprognose bei Anordnung der unbefristeten Unterbringung eines Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus

Für die unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB reicht der pauschale Hinweis der Strafkammer, die sich lediglich der Einschätzung des Sachverständigen anschließt, das Krankheitsbild sei als Ursache des verübten Körperverletzungsdelikts anzusehen, nicht aus. Vielmehr müssen die die Unterbringung tragenden Umstände in den Urteilsgründen so umfassend dargestellt werden, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen. Die einzelnen Voraussetzungen des § 63 StGB sind daher sorgfältig festzustellen und darzulegen.

Tenor

Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Mainz vom 7. Dezember 2015 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Normenkette:

StGB § 20 ; StGB § 21 ; StGB § 63 ;

Gründe

Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Seine hiergegen gerichtete, auf materiell- und verfahrensrechtliche Einwände gestützte Revision hat mit der Sachrüge Erfolg.

1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen glaubte der nur wegen Betruges und Diebstahls geringfügig vorbestrafte und alkoholisierte Beschuldigte bei einer zufälligen Begegnung mit dem Geschädigten, dieser habe ihm gegenüber den Ausdruck "Nigger" gebraucht. Als Reaktion auf diese vermeintliche Beleidigung schlug er ihn mit der Hand ins Gesicht. Die Strafkammer hat weiter ausgeführt, der Beschuldigte habe im Zustand ausgeschlossener Schuldfähigkeit gehandelt. Der psychiatrische Sachverständige sei zu dem Ergebnis gekommen, dass der Beschuldigte an einer schizophrenen Spektrumserkrankung (ICD 10: F 20.0) leide und sich zum Tatzeitpunkt in einem akut polymorph psychotischen Zustandsbild im Sinne einer akuten Psychose (ICD 10: F 20.0) befunden habe. Dieser Zustand sei als krankhafte seelische Störung im Sinne des § 20 StGB zu qualifizieren und habe dazu geführt, dass zur Tatzeit seine Einsichtsfähigkeit aufgehoben gewesen sei. Diese Ausführungen mache sich die Strafkammer zu eigen. Dementsprechend sei von einer aufgehobenen Schuldfähigkeit des Beschuldigten zur Tatzeit auszugehen. Auch die übrigen Voraussetzungen des § 63 StGB lägen vor.

2. Diese Ausführungen tragen die Anordnung der Maßregel nicht.

Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme, die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie darf daher nur dann angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht. Daneben muss eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades bestehen, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen. Der Tatrichter muss die die Unterbringung tragenden Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darstellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2014 - 3 StR 377/14, [...] Rn. 8).

Im vorliegenden Fall ist bereits nicht belegt, dass die festgestellte Erkrankung des Beschuldigten Ursache des Schlages in das Gesicht des Geschädigten war. Den Feststellungen lässt sich nicht entnehmen, aus welchem Grund der Beschuldigte meinte, der Geschädigte habe ihn als "Nigger" bezeichnet. Die Beweiswürdigung enthält hierzu ebenfalls keine Ausführungen. Damit bleibt insbesondere offen, ob der Beschuldigte wahnbedingt oder aus einem sonstigen Grunde, etwa aufgrund des vorherigen Alkoholkonsums, zu der Annahme gelangte, der Geschädigte habe ihn beleidigt, und warum er sich veranlasst sah, den Geschädigten als Reaktion auf dessen vermeintliche Äußerung zu schlagen. Auch im Rahmen der Ausführungen zu den Voraussetzungen der §§ 20 , 21 StGB verhalten sich die Urteilsgründe zu dieser Frage allenfalls pauschal. Die Strafkammer hat sich dort auch insoweit lediglich dem Sachverständigen angeschlossen und als dessen Ausführungen nur angegeben, das Krankheitsbild sei als Ursache des verübten Körperverletzungsdelikts anzusehen. Dieser nicht näher spezifizierte Hinweis reicht hier indes nicht aus.

3. Die bisherigen Feststellungen und weiteren Urteilsgründe geben Anlass, darauf hinzuweisen, dass entsprechend den dargelegten Maßstäben die einzelnen Voraussetzungen des § 63 StGB sorgfältig festzustellen und darzulegen sind. Dies gilt - insbesondere bei einer Erkrankung aus dem Formenkreis der Schizophrenie - für den Zustand des Beschuldigten, darüber hinaus aber auch für die zu treffende Gefährlichkeitsprognose. Schließlich darf der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht aus dem Blick geraten. Dessen angemessene Beachtung könnte dafür sprechen, die von der Strafkammer im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose dargestellten weiteren Vorfälle, sofern sich das neue Tatgericht ebenfalls von ihnen zu überzeugen vermag, nach Verbindung der Verfahren ebenfalls als Grundlage der Anordnung in Betracht zu ziehen.

Vorinstanz: LG Mainz, vom 07.12.2015