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BGH - Entscheidung vom 10.02.2016

IV ZR 19/15

Normen:
VVG a.F. § 5a
BGB § 818 Abs. 1

BGH, Urteil vom 10.02.2016 - Aktenzeichen IV ZR 19/15

DRsp Nr. 2016/4130

Bereicherungsrechtliche Rückabwicklung eines Rentenversicherungsvertrages nach Widerruf; Ordnungsgemäße Belehrung des Versicherungsnehmers über das Widerspruchsrecht durch den Versicherer

Tenor

Die Revision des Klägers und die Anschlussrevision der Beklagten gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Meiningen vom 10. Dezember 2014 werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 4.712,12 € festgesetzt.

Normenkette:

VVG a.F. § 5a; BGB § 818 Abs. 1 ;

Tatbestand

Die Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. VN) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer aufgeschobenen Rentenversicherung.

Diese wurde aufgrund eines Antrags d. VN mit Versicherungsbeginn zum 1. Dezember 2004 nach dem so genannten Policenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden § 5a VVG a.F.) abgeschlossen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt d. VN im Versicherungsschein auf Seite 2 eine Belehrung über das Widerspruchsrecht nach § 5a VVG a.F.

D. VN zahlte Beiträge in Höhe von insgesamt 6.509,27 €. Im Mai 2012 zeigte d. VN den Verlust des Versicherungsscheins an und forderte den Versicherer zur Zahlung des Rückkaufswertes auf. Der Versicherer akzeptierte dies als Kündigung und zahlte den Rückkaufswert i.H. von 4.286,90 € unter Abzug von Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag aus. Mit Schreiben vom 21. November 2012 erklärte d. VN den Widerspruch nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F.

Mit der Klage hat d. VN Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Nutzungszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz abzüglich der bereits geleisteten Zahlungen, insgesamt 4.730,82 € verlangt.

Nach Auffassung d. VN ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des - gegen Gemeinschaftsrecht verstoßenden - § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. habe der Widerspruch noch erklärt werden können.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landgericht hat ihr in der Hauptsache i.H. von 2.203,57 € stattgegeben. Mit der Revision verfolgt d. VN das Klagebegehren in Höhe von weiteren 2.508,55 € nebst Zinsen weiter. Der Versicherer erstrebt mit seiner Anschlussrevision die Abweisung der Klage im Übrigen.

Entscheidungsgründe

Die Revision und die Anschlussrevision haben keinen Erfolg.

I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat d. VN Anspruch auf Rückzahlung gezahlter Prämien in Höhe von 2.203,57 €. Die Zahlung der Beiträge sei ohne Rechtsgrund erfolgt, da der Versicherungsvertrag infolge des Widerspruchs als von Anfang an nicht zustande gekommen anzusehen sei. D. VN habe den Widerspruch rechtzeitig erklärt, da mangels einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Widerspruchsbelehrung die Widerspruchsfrist nicht in Gang gesetzt worden sei. Ob die Belehrung im Versicherungsschein durch Fettdruck der Überschrift hervorgehoben sei, könne dahingestellt bleiben. Es fehle auch der Hinweis, dass "in Textform" widersprochen werden könne.

Das Widerspruchsrecht sei nicht nach § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. erloschen. Die Vorschrift sei richtlinienkonform dahin auszulegen, dass sie bei Lebens- und Rentenversicherungen keine Anwendung finde.

D. VN stehe dem Grunde nach ein Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Prämien zu. D. VN müsse sich bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung den während der Prämienzahlung genossenen Versicherungsschutz anrechnen lassen. Während der Aufschubzeit habe er Versicherungsschutz nur insoweit gehabt, als die Beitrags rückzahlung im Todesfall vor Rentenbeginn versichert gewesen sei. Die dafür anzusetzenden Risikokosten seien auf den von dem Versicherer angegebenen Risikobeitrag in Höhe von 18,70 € zu schätzen. Soweit der Versicherer vortrage, ein Betrag in Höhe von 571,33 € sei für die Verwaltung dieses Risikos verbraucht worden, sei dies nicht nachvollziehbar. Hinsichtlich der Abschluss- und Verwaltungskosten trage allein der Versicherer das Entreicherungsrisiko. In Höhe der für d. VN abgeführten Kapitalertragssteuer und des Solidaritätszuschlags sei der Versicherer entreichert.

D. VN habe keinen Anspruch auf Herausgabe von Nutzungszinsen in Höhe von 2.222,27 €. Er habe nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass der Versicherer in dieser Höhe tatsächlich Nutzungen gezogen habe. Die bloße Behauptung, der Versicherer habe in den vergangenen Jahren mindestens übliche Renditen in Höhe von 7,22% erwirtschaftet, ersetze keinen substantiierten Sachvortrag. D. VN hätte die rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen seiner Zinsberechnung unter Bezugnahme auf den konkreten Versicherungsvertrag darlegen müssen. Zudem sei der Versicherer seiner sekundären Darlegungslast nachgekommen und habe vorgetragen, dass von vornherein nicht sämtliche Beitragszahlungen zur Erwirtschaftung von Nutzungen zur Verfügung gestanden hätten und Anknüpfungspunkt allenfalls die Sparbeiträge sein könnten und d. VN unmittelbar an den Überschüssen partizipiert habe.

II. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

1. Einen - mit der Revision allein weiterverfolgten - Anspruch auf weitere Nutzungszinsen gemäß § 818 Abs. 1 BGB hat das Berufungsgericht mit zutreffender Begründung abgelehnt.

a) Entgegen der Auffassung der Anschlussrevision hat es dem Grunde nach zu Recht die bereicherungsrechtlichen Voraussetzungen bejaht. Der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag schafft keinen Rechtsgrund für die Prämienzahlung. Er ist infolge des Widerspruchs d. VN nicht wirksam zustande gekommen. Der Widerspruch war - ungeachtet des Ablaufs der in § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. normierten Jahresfrist - rechtzeitig.

aa) Nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts belehrte der Versicherer d. VN nicht ordnungsgemäß im Sinne von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. über das Widerspruchsrecht. Anders als die Anschlussrevisionsklägerin meint, ist die Widerspruchsbelehrung im Versicherungsschein inhaltlich unzureichend, weil sie keinen Hinweis darauf enthält, dass der Widerspruch in Textform zu erheben war (Senatsurteil vom 29. Juli 2015 - IV ZR 384/14, VersR 2015, 1101 Rn. 26 m.w.N.).

bb) Für einen solchen Fall einer nicht ordnungsgemäßen Belehrung bestimmte § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. zwar, dass das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt.

(1) Das Widerspruchsrecht bestand hier aber nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort. Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Dezember 2013 (VersR 2014, 225). Der Senat hat mit Urteil vom 7. Mai 2014 ( IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 Rn. 17-34) entschieden und im Einzelnen begründet, die Regelung müsse richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert werden, dass sie im Anwendungsbereich der Zweiten und der Dritten Richtlinie Lebensversicherung keine Anwendung findet und für davon erfasste Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn d. VN - wie hier nicht ordnungsgemäß über das Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat.

(2) Entgegen der Auffassung der Anschlussrevision hat d. VN das Recht zum Widerspruch nicht verwirkt. Ob - wie die Beklagte meint - der Verwirkungseinwand möglich ist, wenn eine Widerspruchsbelehrung nur marginale Fehler aufweist, braucht hier nicht entschieden zu werden. Der - hier fehlende - Hinweis auf die Textform wird in § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. ausdrücklich gefordert und ist eine wesentliche Voraussetz ung einer ordnungsgemäßen Widerspruchsbelehrung (vgl. Senatsurteil vom 11. November 2015 - IV ZR 513/14, VersR 2016, 33 Rn. 28).

b) Weitere Nutzungszinsen hat das Berufungsgericht d. VN ohne Rechtsfehler versagt.

Es ist zutreffend davon ausgegangen, dass nach § 818 Abs. 1 Alt. 1 BGB nur die Nutzungen herauszugeben sind, die vom Bereicherungsschuldner tatsächlich gezogen wurden (Senatsurteile vom 11. November 2015 - IV ZR 513/14, VersR 2016, 33 Rn. 41; vom 29. Juli 2015 IV ZR 384/14 aaO Rn. 46; IV ZR 448/14, VersR 2015, 1104 Rn. 51; jeweils m.w.N.). Zudem können, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, bei der Bestimmung der gezogenen Nutzungen die gezahlten Pr ämien nicht in voller Höhe Berücksichtigung finden (Senatsurteil vom 11. November 2015 aaO Rn. 41 ff.). Nutzungen aus dem Risikoanteil, der dem Versicherer als Wertersatz für den von d. VN faktisch genossenen Versicherungsschutz verbleibt, stehen d. VN nicht zu (vgl. Senatsurteil vom 11. November 2015 aaO Rn. 42). Auch hinsichtlich des auf die Abschluss- und Verwaltungskosten entfallenden Prämienanteils hat das Berufungsgericht jedenfalls im Ergebnis zutreffend eine Verpflichtung der Beklagten zur Herausgabe von Nutzungen abgelehnt. Der auf die Abschlusskosten entfallende Prämienanteil bleibt für Nutzungsersatzansprüche außer Betracht. Mangels abweichender Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass der Versicherer diesen Prämienanteil nicht zur Kapitalanlage nutzen konnte (vgl. Senatsurteil vom 11. November 2015 aaO Rn. 44 f.).

Hinsichtlich des Verwaltungskostenanteils der Prämien kann nicht vermutet werden, dass der Versicherer Nutzungszinsen in bestimmter Höhe erzielt hat. Insoweit hat das Berufungsgericht zu Recht die Darlegungs- und Beweislast beim Versicherungsnehmer gesehen und ihm einen entsprechenden Tatsachenvortrag abverlangt, der nicht ohne Bezug zur Ertragslage des jeweiligen Versicherers auf eine tatsächliche Vermutung einer Gewinnerzielung in bestimmter Höhe - etwa in Höhe der hier von d. VN verlangten Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz - gestützt werden kann (vgl. Senatsurteil vom 11. November 2015 aaO Rn. 46 ff.). Diesen Anforderungen genügt der Vortrag d. VN nicht; er hat nur allgemein vorgetragen, der Versicherer habe in den vergangenen Jahren mindestens übliche Renditen in Höhe von 7,22% erwirtschaftet.

2. Der mit der Anschlussrevision begehrte Abzug der Abschluss und Verwaltungskosten von dem Prämienrückerstattungsanspruch kommt nicht in Betracht.

a) Möglicherweise auf die Risikoabsicherung entfallende Kostenanteile (vgl. OLG Stuttgart VersR 2015, 561, 563; Rudy, r+s 2015, 115, 120) konnte das Berufungsgericht schon mangels entsprechenden Vortrags des Versicherers nicht berücksichtigen. Dazu genügt nicht die allgemeine Behauptung, dass sich die Kosten für das übernommene Risiko einschließlich seiner Verwaltung auf 590,03 € beliefen.

b) Hinsichtlich der Abschluss- und Verwaltungskosten kann sich der Versicherer - wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat auch nicht gemäß § 818 Abs. 3 BGB auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Die Verwaltungskosten sind bereits deshalb nicht bereicherungsmindernd zu berücksichtigen, weil sie nicht adäquat -kausal durch die Prämienzahlungen entstanden, sondern unabhängig von dem streitgegenständlichen Versicherungsvertrag angefallen und beglichen worden sind. Auch die Verwendung der Verwaltungskostenanteile der gezahlten Prämien für die Bestreitung von Aufwendungen für den Versicherungsbetrieb wirkt nicht bereicherungsreduzierend, da der Versicherer auf diese Weise den Einsatz sonstiger Finanzmittel erspart hat (Senatsurteile vom 29. Juli 2015 - IV ZR 384/14 aaO Rn. 42; IV ZR 448/14 aaO Rn. 47).

Hinsichtlich der Abschlusskosten ist das Entreicherungsrisiko nach den maßgeblichen Wertungsgesichtspunkten der Beklagten zugewiesen. Der mit der richtlinienkonformen Auslegung bezweckte Schutz des Versicherungsnehmers gebietet es, dass der Versicherer in Fällen des wirksamen Widerspruchs das Entreicherungsrisiko hinsichtlich d er Abschlusskosten trägt (Senatsurteile vom 29. Juli 2015 - IV ZR 384/14 aaO Rn. 43; IV ZR 448/14 aaO Rn. 48).

Von Rechts wegen

Verkündet am: 10. Februar 2016

Vorinstanz: AG Suhl, vom 26.03.2014 - Vorinstanzaktenzeichen 1 C 233/13
Vorinstanz: LG Meiningen, vom 10.12.2014 - Vorinstanzaktenzeichen 3 S 52/14