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BGH - Entscheidung vom 21.07.2016

IV ZR 17/16

Normen:
VAG § 10a Abs. 2 S. 2
VVG § 5a Abs. 2 S. 1

BGH, Beschluss vom 21.07.2016 - Aktenzeichen IV ZR 17/16

DRsp Nr. 2016/16211

Anspruch eines Versicherungsnehmers auf Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer Lebensversicherung

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Revision des Klägers gegen das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 11. Dezember 2015 gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen

eines Monats

Stellung zu nehmen.

Normenkette:

VAG § 10a Abs. 2 S. 2; VVG § 5a Abs. 2 S. 1;

Gründe

Die Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. VN) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer Lebensversicherung.

Diese wurde aufgrund Antrags d. VN mit Versicherungsbeginn zum 1. September 2000 nach dem so genannten Policenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden § 5a VVG a.F.) abgeschlossen. In der Folge zahlte d. VN die Versicherungsprämien. Mit Schreiben vom 23. Juli 2012 erklärte er den Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F., hilfsweise die Kündigung. Der Versicherer akzeptierte die Kündigung und zahlte den Rückkaufswert aus.

Mit der Klage verlangt d. VN Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rückkaufswerts.

Nach Auffassung d. VN ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen, weil die Verbraucherinformation nach § 10a VAG a.F. nicht ordnungsgemäß erteilt worden und § 5a VVG a.F. mit den Lebensversicherungsrichtlinien der Europäischen Union nicht vereinbar sei.

II. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Das Berufungsgericht hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. D. VN sei sowohl formal als auch inhaltlich ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht nach § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. belehrt worden. Die Übergabe einer gesonderten Verbraucherinformation sei auch unter Berücksichtigung von § 10a Abs. 2 Satz 2 VAG a.F. nicht erforderlich. D. VN hätte daher das W iderspruchsrecht innerhalb von einem Monat nach Zugang der Unterlagen ausüben müssen. Ob § 5a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. gegen europäisches Recht verstoße, bedürfe keiner Entscheidung, denn die Ausübung des Widerspruchsrechts sei hier treuwidrig, weil d. VN die ihm bekannt gemachte Widerspruchsfrist beim Vertragsschluss im Jahr 2000 ungenutzt habe verstreichen lassen und jahrelang die Prämien gezahlt habe.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt d. VN das Klagebegehren weiter.

III. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision im Sinne von § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor, und das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO ).

1. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil es von der Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts Oldenburg (VersR 2002, 1133) abweiche. Diese Frage ist aber geklärt, weil der Senat mit Urteil vom 13. Juli 2016 ( IV ZR 541/15) die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts bereits gebilligt hat.

Mit revisionsrechtlich beanstandungsfreier Begründung hat das Berufungsgericht - entgegen der Ansicht der Revision - entschieden, dass d. VN ordnungsgemäß entsprechend den Anforderungen des § 10a VAG a.F. die Verbraucherinformation erteilt wurde. Soweit § 10a Abs. 2 Satz 2 VAG a.F. eine eindeutige Formulierung, übersichtliche Gliederung und verständliche Abfassung verlangt, folgt daraus nicht, wie die Revision meint, die Pflicht zur Erteilung der Information in einer gesonderten Urkunde oder einem zusammenhängenden Text. Die Verbraucherinformation ist hier zwar nicht mit dieser Bezeichnung überschrieben, im Policenbegleitschreiben wird aber im zweiten und dritten Satz darauf hingewiesen, dass der mitübersandte Versicherungsschein alle Verbraucherinformationen enthält. Aus dem Zusammenhang damit und den tatsächlich übersandten Unterlagen, die jeweils mit Überschriften benannt sind, ergibt sich für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer unmissverständlich, welches die Verbraucherinformation ist (vgl. Senatsurteil vom 13. Juli 2016 - IV ZR 541/15). Entgegen der Ansicht der Revision gibt auch die Entscheidung des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 31. Januar 2001 (VersR 2002, 1133 Rn. 24) keinen Anlass für eine andere Beurteilung. Denn dort handelte es sich - anders als hier - nicht um eine Information in Textform, sondern um eine tabellarische Aufstellung. Bis zum Ablauf der damit in Gang gesetzten Widerspruchsfrist von einem Monat erklärte d. VN den Widerspruch nicht. Bedenkenfrei war das Berufungsgericht schließlich auch der Ansicht, die Belehrung in dem Policenbegleitschreiben sei in drucktechnisch deutlicher Form erfolgt.

2. Das Berufungsurteil hält rechtlicher Prüfung auch stand.

Ob solchermaßen nach dem Policenmodell geschlossene Versicherungsverträge wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 5a VVG a.F. Wirksamkeitszweifeln unterliegen (vgl. dazu Senatsurteil vom 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 16 ff.; BVerfG VersR 2015, 693 Rn. 30 ff.), kann im Streitfall dahinstehen. Die von der Revision begehrte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union scheidet bereits deshalb aus, weil es auf die Frage, ob das Policenmodell mit den genannten Richtlinien unvereinbar ist, hier nicht entscheidungserheblich ankommt. D. VN ist es auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten (vgl. im Einzelnen zu den Maßstäben Senatsurteil vom 16. Juli 2014 aaO Rn. 32 -42; BVerfG aaO Rn. 42 ff.). D. VN verhielt sich objektiv widersprüchlich. Die zumindest vertraglich eingeräumte und bekannt gemachte Widerspruchsfrist ließ er bei Vertragsschluss im Jahre 2000 ungenutzt verstreichen. D. VN zahlte über Jahre die Versicherungsprämien, bis er 2012 die Kündigung und den Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F. erklärte. Die jahrelangen Prämienzahlungen des bereits 2000 über die Möglichkeit, den Vertrag nicht zustande kommen zu lassen, belehrten VN haben bei dem Versicherer ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrages begründet. Diese vertrauensbegründende Wirkung war für d. VN auch erkennbar.

Die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben beeinträchtigen auch angesichts der besonderen Umstände des Streitfalles die praktische Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts und den Sinn und Zweck des Widerspruchsrechts nicht (vgl. ergänzend Senatsurteil vom 10. Juni 2015 - IV ZR 105/13, VersR 2015, 876 Rn. 13 f.).

Vorinstanz: LG Bonn, vom 21.01.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 9 O 243/14
Vorinstanz: OLG Köln, vom 11.12.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 20 U 19/15