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BGH - Entscheidung vom 20.07.2016

XII ZB 489/15

Normen:
BGB § 1617 a Abs. 2
EGBGB Art. 21
BGB § 1617 a Abs. 2
EGBGB Art. 21
EGBGB Art. 21
BGB § 1617a Abs. 2

Fundstellen:
FGPrax 2016, 237
FamRB 2016, 468
FamRZ 2016, 1747
FuR 2016, 3
FuR 2016, 656
MDR 2016, 1267
NJW-RR 2016, 1473

BGH, Beschluss vom 20.07.2016 - Aktenzeichen XII ZB 489/15

DRsp Nr. 2016/14552

Amtsempfangsbedürftigkeit der Erklärung eines sorgeberechtigten Elternteils zur Erteilung des Namens des anderen Elternteils an das Kind

EGBGB Art. 21 a) Die Erklärung, mit der der sorgeberechtigte Elternteil nach § 1617 a Abs. 2 BGB dem Kind den Namen des anderen Elternteils erteilt, ist eine amtsempfangsbedürftige Willenserklärung. Sie wird erst mit Zugang beim zuständigen deutschen Standesamt wirksam. Der Zugang bei einem ausländischen Standesamt genügt nicht.b) Verweist Art. 21 EGBGB in das ausländische Recht, so ist auch dessen internationales Privatrecht zu prüfen.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 2 wird der Beschluss des Kammergerichts in Berlin vom 14. September 2015 aufgehoben.

Auf die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 2 wird der Beschluss des Amtsgerichts Schöneberg vom 18. Februar 2013 abgeändert und der Antrag des weiteren Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten des Verfahrens in allen Rechtszügen werden dem weiteren Beteiligten zu 1 auferlegt. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Wert: 5.000 €

Normenkette:

EGBGB Art. 21 ; BGB § 1617a Abs. 2 ;

Gründe

I.

Das Verfahren betrifft die Berichtigung des Geburtseintrags des am 29. September 2006 in Palma de Mallorca (Spanien) geborenen Kindes T.

Der Beteiligte zu 1 (im Folgenden: Vater) und die Beteiligte zu 2 (im Folgenden: Mutter) sind die nicht miteinander verheirateten Eltern des betroffenen Kindes und beide deutsche Staatsangehörige. Am 5. Oktober 2006 unterzeichneten sie gemeinsam einen Geburtseintrag des spanischen Zivilregisters von Sóller, in dem für das Kind als Familienname "J.", der Familienname des Vaters, angegeben war. Das Zivilregister stellte daraufhin für das Kind eine Geburtsbescheinigung und ein Familienbuch aus, in denen jeweils der Familienname "J." angegeben ist. Am 3. November 2006 beantragte die Mutter beim Standesamt I in Berlin die Nachbeurkundung der Geburt. Dabei gab sie als Geburtsnamen des Kindes ihren Familiennamen "B." an. Die im Formular vorgesehene Möglichkeit zu erklären, dass dem Kind der Name des anderen Elternteils erteilt werden soll, nutzte sie nicht. Das Standesamt I in Berlin beurkundete die Geburt und trug als Geburtsnamen des Kindes "B." ein.

Der Vater hat im März 2012 beantragt, den Geburtseintrag dahingehend zu berichtigen, dass der Name des Kindes "J." lautet. Das Amtsgericht hat die Berichtigung antragsgemäß angeordnet. Die Beschwerde der Mutter ist erfolglos geblieben. Mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt sie die Zurückweisung seines Antrags weiter.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der Beschwerdeentscheidung und zur Zurückweisung des Antrags.

1. Das Beschwerdegericht hat seine in StAZ 2016, 110 veröffentlichte Entscheidung wie folgt begründet:

Das Kind führe den Familiennamen "J.", weshalb der Eintrag im Geburtenregister entsprechend zu berichtigen sei. Die Namensführung ergebe sich zwar nicht allein daraus, dass der Name "J." im spanischen Personenstandsregister eingetragen sei. Bei der Anmeldung der Geburt zum spanischen Personenstandsregister sei für das Kind aber die Bestimmung des Namens "J." gemäß § 1617 a BGB erfolgt. Der Name des Kindes richte sich nach deutschem Recht, weil das Kind allein die deutsche Staatsangehörigkeit habe. Die Mutter sei bei der Erklärung gemäß § 1626 a Abs. 3 BGB alleinige Sorgeberechtigte für das Kind gewesen. Die elterliche Sorge richte sich ebenfalls nach deutschem Recht, weil auch bei selbstständiger kollisionsrechtlicher Anknüpfung zwar Art. 21 EGBGB in das spanische Recht verweise, dessen internationales Privatrecht aber wieder auf das deutsche Recht rückverweise. Die von beiden Eltern unterzeichnete Anmeldung, in welcher der Name "J." für das Kind angegeben sei, sei unter anderem dahingehend auszulegen, dass die Mutter dem Kind den Namen des Vaters erteile und dieser der Namenserteilung zustimme. Die Erklärungen seien auch nach Art. 11 Abs. 1 EGBGB und dem kollisionsrechtlichen Grundsatz der Substitution in der erforderlichen Form, nämlich öffentlich beglaubigt, abgegeben. Urkundsperson und Beglaubigungsvorgang bei dem spanischen Personenstandsregister seien mit einem deutschen Standesamt vergleichbar. Auch sei die Erklärung der Namenserteilung nicht gegenüber einem deutschen Standesamt erforderlich, es müsse nur eine Amtsperson tätig werden, die funktionsgleiche Aufgaben erfülle. Das sei hier der Fall. Im Hinblick auf das Alter des Kindes sei auch kein unzumutbarer Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht gegeben.

2. Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts ist die Eintragung des Geburtsnamens "B." im Geburtenregister gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 PStG rechtmäßig und bedarf weder einer Berichtigung noch einer Fortschreibung.

a) Allerdings hätte das Beschwerdegericht den Antrag des Vaters auf Berichtigung des Geburtsnamens gemäß § 48 PStG nicht schon - wie die Rechtsbeschwerde meint - als unzulässig zurückweisen müssen.

Selbst wenn die von ihm gewünschte Eintragung in Form einer Fortschreibung des Geburtseintrags hätte erfolgen müssen, was hier dahinstehen kann, folgt daraus nicht die Unzulässigkeit seines Antrags. Dieser wäre vielmehr dahingehend auszulegen gewesen, dass der Vater letztlich die Anordnung der erforderlichen Amtshandlung für eine Eintragung des Geburtsnamens "J." im Geburtenregister begehrt.

b) Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Beschwerdegerichts, wonach der Name des Kindes gemäß Art. 10 Abs. 1 EGBGB deutschem Recht unterliegt, weil es nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 StAG allein die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt.

c) Ebenfalls zu Recht hat das Beschwerdegericht für die Bestimmung des Namens des Kindes § 1617 a BGB als maßgebend erachtet, weil die elterliche Sorge nach deutschem Recht zu beurteilen ist und die Mutter danach seit der Geburt des Kindes alleinige Inhaberin der elterlichen Sorge ist.

aa) Die elterliche Sorge für das Kind richtet sich für den hier maßgeblichen Zeitraum von der Geburt des Kindes bis November 2006 nach deutschem Recht. Das folgt aus Art. 21 EGBGB und dem danach berufenen spanischen Kollisionsrecht, das eine Rückverweisung auf das deutsche Recht vorsieht.

(1) Ob auch der Erwerb der elterlichen Sorge als familienrechtlicher Vorgang, der eine Vorfrage für die Namensbestimmung darstellt, kollisionsrechtlich unselbstständig anzuknüpfen, also nach dem Recht des Namensstatuts zu beurteilen ist, kann offen bleiben. Ist Namensstatut - wie hier - das deutsche Recht, so ist über diese Vorfrage nach Maßgabe derjenigen Rechtsordnung zu entscheiden, die von den Kollisionsnormen des deutschen Internationalen Privatrechts, hier also Art. 21 EGBGB , zur Anwendung berufen wird. Anders als in den Fällen, in denen das Namensstatut ausländisches Recht ist, kommt es auf den Streit, ob die Vorfrage dann unselbstständig unter Einschaltung der familienrechtlichen Kollisionsnormen der ausländischen lex causae oder selbstständig mit Hilfe der Kollisionsnormen der deutschen lex fori anzuknüpfen ist, hier nicht an (vgl. Senatsbeschlüsse vom 20. April 2016 - XII ZB 15/15 [...] Rn. 31 f. und BGHZ 90, 129 = FamRZ 1984, 576, 578). Denn auch bei einer unselbstständigen Anknüpfung wäre bei der Anwendung deutschen Namensrechts deutsches Kollisionsrecht anzuwenden (vgl. Staudinger/Hepting/ Hausmann BGB [2013] Art. 10 EGBGB Rn. 126).

(2) Art. 21 EGBGB wird vorliegend weder durch das Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern (ABl. 2003 Nr. L 48 S. 3; im Folgenden: Haager Kinderschutzübereinkommen = KSÜ) noch durch das Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen vom 5. Oktober 1961 (BGBl. II 1971, 219; im Folgenden: Haager Minderjährigenschutzabkommen = MSA) verdrängt. Zwar gehen diese Abkommen Art. 21 EGBGB gemäß Art. 3 Nr. 2 EGBGB vor. Das gilt aber nur, soweit der zu regelnde Sachverhalt in ihren zeitlichen und sachlichen Anwendungsbereich fällt.

(a) Das zum 1. Januar 2011 in Kraft getretene Haager Kinderschutzübereinkommen (BGBl. II 2010, 1527), das gemäß Art. 16 f. i.V.m. Art. 21 Abs. 1 KSÜ eine Anwendung (ausländischen) Kollisionsrechts und damit eine Rückverweisung ausschließt, findet auf den vorliegenden Fall entgegen der Auffassung des Vaters keine Anwendung.

Für die rechtliche Einordnung des hier maßgeblichen Sachverhalts ist bezogen auf das zu beurteilende Sorgerechtsverhältnis der Zeitraum von der Geburt des Kindes (29. September 2006) bis November 2006 maßgeblich. Für die Frage des Rechts auf Bestimmung des Namens ist festzustellen, wer seinerzeit sorgeberechtigt war. Zu diesem Zeitpunkt war das Haager Kinderschutzübereinkommen in Deutschland indes noch nicht in Kraft getreten. Zwar hat der Senat dieses auch auf ein vor dessen Inkrafttreten eingeleitetes Sorgerechtsverfahren angewandt. Dabei ging es allerdings um die Entscheidung, wie das Sorgerecht (für die Zukunft) zu regeln ist (Senatsbeschluss vom 16. März 2011 - XII ZB 407/10 - FamRZ 2011, 796 Rn. 31) und nicht - wie hier - um einen in der Vergangenheit abgeschlossenen Sachverhalt (Sorgerechtslage zum Zeitpunkt der Namensbestimmung). Eine Anwendung des Haager Kinderschutzübereinkommens auch auf solche Sachverhalte würde eine verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigende echte Rückwirkung bedeuten.

(b) Das Haager Minderjährigenschutzabkommen, das gemäß Art. 2 Abs. 1 MSA ebenfalls eine Rückverweisung ausschließt (NK-BGB/Benicke 3. Aufl. Anh. II zu Art. 24 EGBGB Rn. 10 mwN), ist zwar bezogen auf den hier maßgeblichen Zeitraum anwendbar (vgl. Palandt/Thorn BGB 75. Aufl. Vor Art. 1 MSA Rn. 12). Jedoch fehlt es am sachlichen Anwendungsbereich, weil vorliegend keine Schutzmaßnahme i.S.d. Haager Minderjährigenschutzabkommens in Rede steht (vgl. hierzu Staudinger/Henrich BGB [2014] Art. 21 EGBGB Rn. 36).

(3) Gemäß Art. 21 EGBGB unterliegt das Rechtsverhältnis zwischen einem Kind und seinen Eltern dem Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

(a) Art. 21 EGBGB beinhaltet eine Gesamtverweisung, umfasst also - anders als das Haager Kinderschutzübereinkommen und das Haager Minderjährigenschutzabkommen - auch das Kollisionsrecht (Staudinger/Henrich BGB [2014] Art. 21 EGBGB Rn. 32; Erman/Hohloch BGB 14. Aufl. Art. 21 EGBGB Rn. 4; BeckOK BGB/Heiderhoff [Stand: 1. Mai 2015] Art. 21 EGBGB Rn. 18; BeckOGK BGB/Markwardt [Stand: 1. März 2016] Art. 21 EGBGB Rn. 43; Palandt/Thorn BGB 75. Aufl. Art. 21 EGBGB Rn. 1). Die Rückverweisung ist gemäß Art. 4 Abs. 1 Satz 1 EGBGB zu beachten, so dass nach Art. 4 Abs. 1 Satz 2 EGBGB die deutschen Sachvorschriften anzuwenden sind.

Entgegen einer vereinzelt gebliebenen Auffassung widerspricht die Anwendung des ausländischen Kollisionsrecht nicht dem Sinn der Verweisung gemäß Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 EGBGB . Soweit vertreten wird, Art. 21 EGBGB bezwecke auch, den Einklang mit Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 MSA herzustellen, weshalb er wie die Regelung des Haager Minderjährigenschutzabkommens als Sachnormverweisung auszulegen sei (MünchKommBGB/Helms 6. Aufl. Art. 21 EGBGB Rn. 17 mwN), überzeugt dies nicht. Das Haager Minderjährigenschutzabkommen und das Haager Kinderschutzübereinkommen sind ohnehin vorrangig zu berücksichtigen. Soweit ihr Anwendungsbereich nicht eröffnet ist, besteht indes auch keine Notwendigkeit, das ausländische Kollisionsrecht von der Anwendung auszuschließen. Vielmehr mag der ausländische Staat gute Gründe für eine andere Anknüpfung als an den Aufenthalt haben (Palandt/Thorn BGB 75. Aufl. Art. 21 EGBGB Rn. 1). Gegen die Annahme einer Sachnormverweisung spricht ferner, dass der Gesetzgeber in anderen Fällen (vgl. Art. 26 EGBGB ) klarstellende Normen geschaffen hat, bei Art. 21 EGBGB aber nicht (BeckOK BGB/Heiderhoff [Stand: 1. Mai 2015] Art. 21 EGBGB Rn. 18).

(b) Gemessen hieran ist deutsches Recht anzuwenden. Zwar hatte das Kind unmittelbar nach der Geburt und in den ersten Lebensmonaten seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Spanien, weil es mit den Eltern dort lebte. Das spanische internationale Privatrecht verweist allerdings nach den von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen und für den Senat bindenden Feststellungen des Beschwerdegerichts zum Inhalt des ausländischen Rechts (BGHZ 198, 14 = NJW 2013, 3656 Rn. 13 ff. mwN) zurück in das deutsche Recht.

bb) Da die Eltern keine Sorgeerklärungen abgegeben haben und auch keine gerichtliche Regelung der elterlichen Sorge erfolgt war, ist die Mutter gemäß § 1626 a Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 BGB (in der Fassung vom 2. Januar 2002 - heute § 1626 a Abs. 3 BGB ) von der Geburt des Kindes an allein sorgeberechtigt (vgl. auch BVerfG FamRZ 2010, 1403 Rn. 71 ff.).

d) Unzutreffend ist jedoch die Annahme des Beschwerdegerichts, dem Kind sei der Name "J." gemäß § 1617 a Abs. 2 BGB i.d.F. vom 2. Januar 2002 wirksam erteilt worden. Das Kind trägt gemäß § 1617 a Abs. 1 BGB den Geburtsnamen "B.".

Dabei kann dahinstehen, ob die Unterzeichnung der Anmeldung zum spanischen Personenstandsregister als entsprechende namensrechtliche Erklärung ausgelegt werden kann und ob die Erklärung formgerecht ist. Selbst wenn eine formgerechte Erklärung der Mutter, dem Kind den Namen "J." zu erteilen, unterstellt würde, wäre die Erklärung gemäß § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht wirksam geworden. Denn dem empfangszuständigen Standesamt I in Berlin ist zumindest zeitgleich mit der Erklärung ein Widerruf zugegangen.

aa) Gemäß § 1617 a Abs. 2 Satz 1 BGB aF konnte der sorgeberechtigte Elternteil dem Kind durch Erklärung gegenüber dem Standesbeamten den Namen des anderen Elternteils erteilen. Diese Erklärung ist eine amtsempfangsbedürftige Willenserklärung, die erst mit Zugang beim zuständigen Standesamt wirksam wird (OLG München StAZ 2015, 304, 305 mwN; OLG Hamm StAZ 2011, 242, 243 mwN; Staudinger/Hilbig-Lugani BGB [2015] § 1617 a Rn. 34 und § 1617 Rn. 28 f.; BeckOGK BGB/Kienemund [Stand: 1. April 2016] § 1617 a Rn. 38 und § 1617 Rn. 47; MünchKommBGB/v. Sachsen Gessaphe 6. Aufl. § 1617 a Rn. 28; NK-BGB/Czeguhn 3. Aufl. § 1617 a Rn. 7; Gaaz/ Bornhofen PStG 3. Aufl. § 45 Rn. 4 und 9; Hepting/Gaaz Personenstandsrecht [42. Ergänzungslieferung 2009] § 31 a PStG Rn. 17 und 28; Henrich/Wagenitz/ Bornhofen Deutsches Namensrecht [Stand: Februar 2007] § 1617 a BGB Rn. 65 und 83).

bb) Zuständiges Standesamt für die Entgegennahme der Erklärung war zu den hier maßgeblichen Zeitpunkten im Oktober und November 2006 gemäß § 31 a Abs. 2 PStG i.d.F. vom 9. April 2002 das Standesamt I in Berlin.

(1) Ob der Zugang der Erklärung beim zuständigen deutschen Standesamt durch den Zugang der Erklärung bei einem ausländischen Standesamt ersetzt werden kann, ist allerdings streitig.

(a) Eine Meinung spricht sich dafür aus, dass die Erklärung dem zuständigen deutschen Standesamt zugehen muss (vgl. zu § 1617 BGB Staudinger/Hilbig-Lugani BGB [2015] § 1617 Rn. 89; vgl. zu Art. 10 Abs. 2 und 3 EGBGB Staudinger/Hepting/Hausmann BGB [2013] Art. 10 EGBGB Rn. 286; BeckOK BGB/Mäsch [Stand: 1. Mai 2013] Art. 10 EGBGB Rn. 44 und 69; MünchKommBGB/Birk 5. Aufl. Art. 10 EGBGB Rn. 114).

(b) Nach anderer Auffassung genügt es, wenn die Erklärung gegenüber einer ausländischen Amtsperson ergeht, die funktionsgleiche Aufgaben erfüllt (MünchKommBGB/Lipp 6. Aufl. Art. 10 EGBGB Rn. 115 und 144; Hepting/Gaaz Personenstandsrecht [Stand: 42. Ergänzungslieferung 2009] § 31 a PStG Rn. 37; NK-BGB/Mankowski 3. Aufl. Art. 10 EGBGB Rn. 118; Erman/Hohloch BGB 14. Aufl. Art. 10 EGBGB Rn. 33).

(2) Die erstgenannte Auffassung ist jedenfalls im Fall der Namensbestimmung nach § 1617 a Abs. 2 Satz 1 BGB zutreffend. Es handelt sich weder um eine Formfrage, die eine Substitution im Rahmen des Art. 11 Abs. 1 EGBGB eröffnen könnte, noch liegen im Übrigen die Voraussetzungen für eine Substitution vor.

(a) Die Formerfordernisse für ein im Ausland abgeschlossenes Rechtsgeschäft richten sich nach der Kollisionsnorm des Art. 11 Abs. 1 EGBGB . Nach dieser Vorschrift ist ein im Ausland abgeschlossenes Rechtsgeschäft formgültig, wenn es die Formerfordernisse des Rechts, das auf das seinen Gegenstand bildende Rechtsverhältnis anzuwenden ist (Geschäftsrechtsform), oder des Rechts des Staates erfüllt, in dem es vorgenommen wird (Ortsrechtsform). Damit stellt Art. 11 Abs. 1 EGBGB zur Erleichterung des internationalen Rechtsverkehrs die Formvorschriften des Ortsrechts gleichwertig neben die nach dem inhaltlich maßgebenden Geschäftsrecht (Senatsbeschluss vom 13. Juli 2011 - XII ZR 48/09 - FamRZ 2011, 1495 Rn. 17 mwN). Ob eine vom Geschäftsrecht vorgesehene Form im Wege der Substitution durch eine Beurkundung außerhalb seines räumlichen Geltungsbereichs im Ausland erfüllt werden kann, hängt vom Sinn und Zweck der betreffenden Formvorschrift ab (Palandt/Thorn BGB 75. Aufl. Art. 11 EGBGB Rn. 9).

Diese Grundsätze greifen hier nicht. Denn das Erfordernis des Zugangs der empfangsbedürftigen Willenserklärung i.S.d. § 1617 a Abs. 2 Satz 1 BGB ist eine materiell-rechtliche Wirksamkeitsvoraussetzung und kein Bestandteil der Form der Willenserklärung (OLG Schleswig FamRZ 2015, 1328, 1329; MünchKommBGB/Lipp 6. Aufl. Art. 10 EGBGB Rn. 144; Staudinger/Hepting/ Hausmann BGB [2013] Art. 10 EGBGB Rn. 285; NK-BGB/Mankowski 3. Aufl. Art. 10 EGBGB Rn. 156; Palandt/Thorn BGB 75. Aufl. Art. 11 EGBGB Rn. 7), also unabhängig hiervon zu beurteilen.

(b) Ebenso wenig kommt eine Substitution bezogen auf die Ersetzung der Wirksamkeitsvoraussetzung des Zugangs der Willenserklärung beim zuständigen deutschen Standesamt in Betracht.

Bei der Substitution ist zu prüfen, ob ein Auslandssachverhalt einem Tatbestandsmerkmal der anzuwendenden Kollisions- oder Sachnorm gleichzustellen ist (Staudinger/Sturm/Sturm BGB [2012] Einleitung IPR Rn. 259). Die Substitution setzt voraus, dass die anzuwendende Norm ihrem Sinn und Zweck nach überhaupt zulässt, eine ausländische Rechtsfigur unter ihren Tatbestand zu subsumieren (MünchKommBGB/von Hein 6. Aufl. Einleitung IPR Rn. 232 mwN) und dass der Vorgang im Ausland mit dem Tatbestandsmerkmal der Norm gleichwertig ist (BGHZ 199, 270 = NZG 2014, 219 Rn. 13, 14, 21 und BGHZ 80, 76 = NJW 1981, 1160; MünchKommBGB/von Hein 6. Aufl. Einleitung IPR Rn. 235 mwN; vgl. auch Senatsbeschluss BGHZ 109, 1 = FamRZ 1990, 39 , 41 "Funktionsäquivalenz").

§ 31 a Abs. 2 PStG aF (heute: § 45 Abs. 2 PStG ) steht seinem Sinn und Zweck nach einer Auslegung, dass die Namenserklärung auch mit Zugang bei einem ausländischen Standesamt wirksam wird, entgegen. Die Regelung ergänzt das materielle Recht des Kindesnamens, indem sie die Zuständigkeit für die Entgegennahme der form- und amtsempfangsbedürftigen Erklärungen regelt. Während in den §§ 1617 ff. BGB nur die funktionale Zuständigkeit des Standesamts geregelt ist, trifft § 31 a PStG aF (heute: § 45 Abs. 2 PStG ) die notwendige Ergänzung in sachlicher Hinsicht (Hepting/Gaaz Personenstandsrecht [Stand: 42. Ergänzungslieferung 2009] § 31 a PStG Rn. 7; vgl. auch Gaaz/Bornhofen PStG 3. Aufl. § 45 Rn. 1 f.). Dabei enthält das Gesetz auch in § 31 a Abs. 2 Satz 3 PStG aF (heute: § 45 Abs. 2 Satz 2 PStG ) eine Regelung für den Fall, dass die Geburt nicht im Inland beurkundet ist. Für diesen Fall bestimmt das Gesetz ausdrücklich ein deutsches Standesamt als zuständig. Dass der Gesetzgeber dabei die naheliegende Möglichkeit der Abgabe von Namenserklärungen gegenüber dem ausländischen Standesamt nicht bedacht hat, ist nicht ersichtlich. Vielmehr deutet die ausdrückliche Regelung darauf hin, dass nur der Zugang der Erklärungen beim zuständigen deutschen Standesamt die namensrechtlichen Wirkungen auslösen soll (vgl. auch BT-Drucks. 16/1831 S. 49 [zu § 41 Abs. 2 PStG] und S. 50).

Gegen eine Substitution spricht auch, dass die Annahme einer Empfangszuständigkeit des ausländischen Standesamts die Rechtssicherheit beeinträchtigen kann. Während der Zugang der Erklärung bei dem zuständigen deutschen Standesamt zuverlässig festgestellt werden kann, ist sowohl der Zugang bei einem ausländischen Standesamt an sich als auch die Frage, ob dieses nach dem ausländischen Recht überhaupt zuständig war, erheblich schwieriger zu ermitteln. Ebenso besteht bei der so vorhandenen Mehrzahl von möglichen Erklärungsempfängern die Gefahr der Abgabe von doppelten, sich eventuell widersprechenden Erklärungen. Gerade diese will das Personenstandsgesetz aber verhindern, weshalb das Standesamt I in Berlin ein Verzeichnis über die bei ihm abgegebenen Erklärungen zu führen hat (§§ 45 Abs. 2 Satz 4 PStG , 27 PStV ; BT-Drucks. 16/1831 S. 50). Des Weiteren zeigt die Entstehungsgeschichte der Norm, dass der Gesetzgeber die parallele Zuständigkeit mehrerer Standesämter vermeiden wollte (BT-Drucks. V/3719 S. 59).

(c) Auch führt die Gefahr, dass das Kind im Ausland einen anderen Namen trägt als in Deutschland ("hinkende Namensführung"), weder nach europäischem noch nach deutschem Recht zur Notwendigkeit, vom Zugangserfordernis beim deutschen Standesamt abzusehen.

Zwar können nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs die im Primärrecht der Europäischen Union garantierten Grundfreiheiten, insbesondere die Freiheit eines jeden Unionsbürgers, sich in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben und sich dort aufzuhalten (Art. 21 Abs. 1 AEUV ), eine Verpflichtung für die Behörden eines Mitgliedstaats enthalten, den Namen eines Kindes anzuerkennen, der in einem anderen Mitgliedstaat bestimmt und eingetragen wurde, in dem das Kind geboren wurde (EuGH FamRZ 2008, 2089 Rn. 21 ff. "Grunkin-Paul"; StAZ 2004, 40 Rn. 30 ff. "Garcia Avello"; vgl. auch EuGH NJW 2016, 2093 Rn. 35 ff.). Die unzulässige Beschränkung der Grundfreiheiten liegt in der Verpflichtung des Betroffenen, gegen seinen Willen einen anderen Namen tragen zu müssen als den, der in dem Mitgliedstaat, in dem er geboren wurde, eingetragen wurde und den er dort führt (EuGH FamRZ 2008, 2089 Rn. 22 "Grunkin-Paul"; StAZ 2004, 40 Rn. 45 "Garcia Avello") oder den er in einem Mitgliedstaat lange Zeit mit Billigung der Behörden dieses Staats geführt hat (EuGH FamRZ 2011, 1486 Rn. 67 ff. "Sayn-Wittgenstein"). Aus den Grundfreiheiten folgt hingegen nicht, dass einem Unionsbürger ein Name aufgezwungen werden muss, den er selbst gar nicht führen möchte (MünchKommBGB/Lipp 6. Aufl. Art. 10 EGBGB Rn. 220; Hepting/Dutta Familie und Personenstand 2. Aufl. Rn. II-442; Wall StAZ 2009, 261, 265; vgl. auch Lipp StAZ 2009, 1, 7). Wie das Beschwerdegericht richtig erkannt hat, ist es daher grundsätzlich ausreichend, dass der deutsche Gesetzgeber in Art. 48 EGBGB die Wahl des im Ausland erworbenen Namens ermöglicht. Im vorliegenden Fall möchte das Kind diesen Namen aber gerade nicht tragen.

Überdies nimmt es das deutsche Namensrecht grundsätzlich hin, dass ein Kind nach deutschem Recht namenlos ist, während es im Ausland den dort registrierten Namen führen kann, wie die Regelung des § 1617 Abs. 3 BGB zeigt (vgl. BeckOGK BGB/Kienemund [Stand: 1. April 2016] § 1617 Rn. 99; MünchKommBGB/v. Sachsen Gessaphe 6. Aufl. § 1617 Rn. 30; Staudinger/ Hilbig-Lugani BGB [2015] § 1617 Rn. 89; Hepting/Gaaz Personenstandsrecht [Stand: 42. Ergänzungslieferung 2009] § 31 a PStG Rn. 40).

cc) Bei dem damit allein empfangszuständigen Standesamt I in Berlin ist keine wirksame Erklärung zur Bestimmung des Namens nach § 1617 a Abs. 2 Satz 1 BGB eingegangen, weil die Mutter ihre Erklärung rechtzeitig widerrufen hat.

(1) Namenserklärungen sind familienrechtliche Willenserklärungen, auf die grundsätzlich die allgemeinen Regeln der Willenserklärungen anzuwenden sind (Henrich/Wagenitz/Bornhofen Deutsches Namensrecht [Stand: Februar 2007] § 1617 a BGB Rn. 60). Eine namensrechtliche Erklärung kann daher gemäß § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB widerrufen werden, jedenfalls bis sie dem zuständigen Erklärungsempfänger zugeht (OLG München StAZ 2015, 304, 305; BeckOK BGB/Enders § 1617 Rn. 12; für eine Widerruflichkeit der Erklärung darüber hinaus bis zum Zugang aller weiteren erforderlichen Erklärungen: Staudinger/Hilbig-Lugani BGB [2015] § 1617 a Rn. 40 und § 1617 Rn. 29; BeckOGK BGB/Kienemund [Stand: 1. April 2016] § 1617 Rn. 52; Lipp/Wagenitz Das neue Kindschaftsrecht § 1617 BGB Rn. 34). Der Widerruf bedarf keiner Form (OLG München StAZ 2015, 304, 305; Staudinger/Singer BGB [2012] § 130 Rn. 103; MünchKommBGB/Einsele 7. Aufl. § 130 Rn. 40). Geht er zeitgleich mit der Erklärung dem Empfänger zu, kommt es allein auf den Zeitpunkt des Zugangs und nicht auf die Reihenfolge der Kenntnisnahme an (BGH Urteil vom 30. Oktober 1974 - IV ZR 172/73 - NJW 1975, 382, 384).

(2) Die namensrechtlichen Erklärungen vor dem spanischen Standesamt gingen dem zuständigen Standesamt I in Berlin frühestens mit Übersendung der spanischen Geburtsurkunde als Anlage zum Antrag der Mutter auf Beurkundung der Auslandsgeburt zu. In diesem Antrag hatte die Mutter aber den Namen des Kindes abweichend von den spanischen Urkunden mit "B." angegeben und die Möglichkeit, explizit zu erklären, dass das Kind den Namen des Vaters erhalten soll, nicht genutzt. Dieses Verhalten ist als Widerruf der namensrechtlichen Erklärung auszulegen, denn die Mutter bringt damit zum Ausdruck, dass sie sich nicht an die Erklärungen vor dem spanischen Standesamt gebunden fühlt und nunmehr möchte, dass das Kind ihren Namen trägt. Der Senat kann die Auslegung auch selbst vornehmen, denn das Beschwerdegericht hat insoweit das Verhalten der Mutter nicht gewürdigt und weitere Feststellungen sind nicht zu erwarten (vgl. BGHZ 202, 122 = NJW 2014, 3030 Rn. 22 mwN).

e) Der Antrag des Vaters ist mithin unbegründet, weil der Name des Kindes im Geburtenregister zutreffend beurkundet ist.

3. Gemäß § 74 Abs. 5 FamFG ist der angefochtene Beschluss aufzuheben. Der Senat kann in der Sache selbst abschließend entscheiden, weil diese zur Endentscheidung reif ist, § 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG .

Vorinstanz: AG Berlin-Schöneberg, vom 18.02.2013 - Vorinstanzaktenzeichen III 240/12
Vorinstanz: KG, vom 14.09.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 1 W 473/13
Fundstellen
FGPrax 2016, 237
FamRB 2016, 468
FamRZ 2016, 1747
FuR 2016, 3
FuR 2016, 656
MDR 2016, 1267
NJW-RR 2016, 1473