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BGH - Entscheidung vom 26.02.2015

4 StR 548/14

Normen:
StGB § 223 Abs. 1

Fundstellen:
NStZ 2015, 269
NStZ-RR 2015, 141
NStZ
StV 2015, 697

BGH, Beschluss vom 26.02.2015 - Aktenzeichen 4 StR 548/14

DRsp Nr. 2015/5706

Vorliegen einer Körperverletzung bei lediglich psychischer Einwirkung

1. Als Gesundheitsbeschädigung im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB ist jedes Hervorrufen oder Steigern eines vom Normalzustand der körperlichen Funktionen des Opfers nachteilig abweichenden Zustandes anzusehen.2. Dabei kommt es nicht darauf an, auf welche Art und Weise die Beeinträchtigung erfolgt ist.3. Wirkt der Täter auf sein Opfer lediglich psychisch ein, liegt eine Körperverletzung erst dann vor, wenn ein pathologischer, somatisch-objektivierbarer Zustand hervorgerufen worden ist, der vom Normalzustand nachteilig abweicht.4. Bloß emotionale Reaktionen auf Aufregungen, wie etwa starke Gemütsbewegungen oder andere Erregungszustände, insbesondere Angstzustände, stellen keinen pathologischen Zustand und damit keine Gesundheitsbeschädigung im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB dar.

Tenor

I. 1.

Auf die Revision des Angeklagten M. wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 23. Mai 2014, soweit es ihn betrifft,

2.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3.

Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

II. 1.

Auf die Revision des Angeklagten C. wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es ihn betrifft,

a)

im Schuldspruch dahin geändert, dass dieser Angeklagte des besonders schweren Raubes schuldig ist,

b)

im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

2.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3.

Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Normenkette:

StGB § 223 Abs. 1 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten M. „wegen schweren Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung und wegen versuchten schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung“ zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Den Angeklagten C. hat es „wegen schweren Raubes“ unter Auflösung einer nachträglich gebildeten Gesamtgeldstrafe und unter „Einbeziehung der Geldstrafe von neunzig Tagessätzen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Dortmund vom 12.08.2013 – 730 Ds 260 Js 66/13 – 101/13 –“ zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sieben Monaten verurteilt. Gegen ihre Verurteilung wenden sich die Angeklagten mit ihren jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen. Die Rechtsmittel erzielen den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO .

I.

Die Verurteilung des Angeklagten M. wegen (tateinheitlich begangener) Körperverletzung zum Nachteil der Zeugin A. im Fall B.I. der Urteilsgründe begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

1. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe bei dem Überfall auf den Kiosk der Geschädigten G. S. am 20. Juli 2013 auch den Tatbestand der Körperverletzung erfüllt, wird von den Feststellungen im angefochtenen Urteil nicht getragen.

a) Als Gesundheitsbeschädigung im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB ist jedes Hervorrufen oder Steigern eines vom Normalzustand der körperlichen Funktionen des Opfers nachteilig abweichenden Zustandes anzusehen. Dabei kommt es nicht darauf an, auf welche Art und Weise die Beeinträchtigung erfolgt ist (BGH, Urteil vom 4. November 1988 – 1 StR 262/88, BGHSt 36, 1 , 6). Rein psychische Empfindungen genügen bei keiner Handlungsalternative, um einen Körperverletzungserfolg gemäß § 223 Abs. 1 StGB zu begründen (BGH, Urteil vom 9. Oktober 2002 – 5 StR 42/02, BGHSt 48, 34 , 36; vgl. ferner BGH, Beschluss vom 11. Juli 2012 – 2 StR 60/12, NStZ-RR 2012, 340 f.; OLG Düsseldorf, NJW 2002, 2118 ; Meyer, ZStW 115 (2003), 249, 261). Wirkt der Täter auf sein Opfer lediglich psychisch ein, liegt eine Körperverletzung daher erst dann vor, wenn ein pathologischer, somatisch-objektivierbarer Zustand hervorgerufen worden ist, der vom Normalzustand nachteilig abweicht (BGH, Urteil vom 31. Oktober 1995 – 1 StR 527/95, BGHR StGB § 223 Abs. 1 Gesundheitsbeschädigung 2). Bloß emotionale Reaktionen auf Aufregungen, wie etwa starke Gemütsbewegungen oder andere Erregungszustände, insbesondere Angstzustände, stellen keinen pathologischen Zustand und damit keine Gesundheitsbeschädigung im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB dar (BGH, Beschluss vom 5. November 1996 – 4 StR 490/96, NStZ 1997, 123 ; vgl. zu Vorstehendem auch BGH, Beschluss vom 18. Juli 2013 – 4 StR 168/13, NJW 2013, 3383 ).

b) Daran gemessen genügt es – entgegen der Auffassung des Landgerichts (UA 38, 39) – für die Verurteilung des Angeklagten M. wegen Körperverletzung nicht, dass er der Zeugin A. den von ihm mitgeführten Elektroschocker an die Schläfe hielt und die Zeugin, die glaubte, ihr werde eine Pistole an den Kopf gehalten, „große Angst“ verspürte und regungslos liegen blieb. Für einen pathologischen, somatisch-objektivierbaren Zustand der Geschädigten ergeben sich auch aus dem Gesamtzusammenhang des angefochtenen Urteils keine Anhaltspunkte.

2. Der Senat schließt bei der gegebenen Beweislage aus, dass sich aufgrund einer neuen Hauptverhandlung Feststellungen treffen lassen, die eine Verurteilung wegen vollendeter oder versuchter Körperverletzung zum Nachteil der Zeugin A. tragen könnten. Er ändert deshalb den Schuldspruch im Fall B.I. der Urteilsgründe dahin ab, dass die Verurteilung des Angeklagten M. nach § 223 Abs. 1 StGB entfällt.

3. Darüber hinaus hat der Senat klargestellt, dass der Angeklagte M. im Fall B.I. der Urteilsgründe des besonders schweren Raubes und im Fall B.II. des versuchten besonders schweren Raubes (in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung) schuldig ist. Im Falle der Verurteilung nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB ist auf „besonders schweren Raub“ zu erkennen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 2. März 2010 – 3 StR 496/09).

4. Die Änderung des Schuldspruchs im Fall B.I. der Urteilsgründe führt zur Aufhebung der in diesem Fall verhängten Einzelfreiheitsstrafe; das Landgericht hat ausdrücklich strafschärfend berücksichtigt, dass der Angeklagte zwei Straftatbestände verwirklicht hat. Dies zieht die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe nach sich.

II.

Die Revision des Angeklagten C. führt lediglich zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs.

1. Die Bildung der nachträglichen Gesamtfreiheitsstrafe gemäß § 55 Abs. 1 StGB begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Nach den Feststellungen des Landgerichts zur Person wurde der Angeklagte vor der Verurteilung vom 12. August 2013 mehrfach, unter anderem am 16. Mai 2012 und am 31. Oktober 2012, jeweils zu einer Geldstrafe verurteilt. Feststellungen zum Vollstreckungsstand – bezogen auf den Zeitpunkt des angefochtenen Urteils – fehlen völlig; auch werden die diesen Vorverurteilungen zugrunde liegenden Tatzeiten nicht mitgeteilt. Der Senat kann daher nicht ausschließen, dass bereits der Verurteilung vom 16. Mai 2012 Zäsurwirkung für die einbezogene Strafe aus der Verurteilung vom 12. August 2013 zukommt; die hierdurch abgeurteilte Tat beging der Angeklagte am 5. Mai 2012. Auszugehen ist stets von der ersten unerledigten Verurteilung, die Zäsurwirkung entfaltet, sodass eine Gesamtstrafenbildung nur für die bis dahin begangenen Taten möglich ist (BGH, Beschluss vom 28. Juli 2006 – 2 StR 215/06, NStZ 2007, 28 , 29; zu den Anforderungen an die Entscheidungsgründe bei Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. März 2010 – 3 StR 496/09, NStZ-RR 2010, 202 , 203, vom 8. Februar 2011 – 4 StR 658/10, vom 3. Mai 2011 – 3 StR 110/11, vom 8. Juni 2011 – 4 StR 249/11, NStZ-RR 2011, 307 , und vom 15. Januar 2015 – 4 StR 503/14).

Dieser Rechtsfehler kann sich zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt haben, zumal das Landgericht nicht geprüft hat, ob die am 12. August 2013 verhängte Geldstrafe gemäß § 53 Abs. 2 Satz 2, § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB gesondert bestehen bleiben kann.

2. Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass nach Aufhebung einer nachträglichen Gesamtstrafe und Zurückverweisung der Sache an das Tatgericht die (erneute) Bildung der Gesamtstrafe gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB nach Maßgabe der Vollstreckungssituation zum Zeitpunkt der ersten Entscheidung zu erfolgen hat (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 20. Dezember 2011 – 3 StR 374/11, NStZ-RR 2012, 106 , und vom 22. August 2013 – 3 StR 141/13, StraFo 2013, 474, 475). Die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer wird auch Gelegenheit haben zu prüfen, ob – wie festgestellt (UA 15) – in der einbezogenen Vorverurteilung vom 12. August 2013 „wegen versuchter Körperverletzung und Körperverletzung“ tatsächlich nur eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen oder – der tatmehrheitlichen Verurteilung entsprechend – eine Gesamtgeldstrafe in dieser Höhe festgesetzt worden ist.

Fundstellen
NStZ 2015, 269
NStZ-RR 2015, 141
NStZ
StV 2015, 697