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BGH - Entscheidung vom 10.09.2015

IX ZR 17/15

Normen:
ZPO § 116 S. 1 Nr. 1
VV RVG Nr. 3508
VV RVG
InsVV § 8 Abs. 3 S. 2

BGH, Beschluss vom 10.09.2015 - Aktenzeichen IX ZR 17/15

DRsp Nr. 2015/17466

Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe; Zumutbarkeit der Aufbringung der Verfahrenskosten durch einen Gläubiger

Vorschüsse auf Prozesskosten sind zumutbar, wenn die erforderlichen Mittel unschwer aufzubringen sind und der zu erwartende Nutzen bei vernünftiger, auch das Eigeninteresse sowie das Verfahrenskostenrisiko angemessen berücksichtigender Betrachtungsweise bei dem Erfolg der Rechtsverfolgung deutlich größer sein wird. Bei dieser wertenden Abwägung sind insbesondere eine zu erwartende Quotenverbesserung im Falle des Obsiegens, das Verfahrens- und Vollstreckungsrisiko und die Gläubigerstruktur zu berücksichtigen.

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Rechtsverteidigung im Verfahren über die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 22. Dezember 2014 wird abgelehnt.

Normenkette:

ZPO § 116 S. 1 Nr. 1 ; VV RVG Nr. 3508; VV RVG ; InsVV § 8 Abs. 3 S. 2;

Gründe

Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO liegen nicht vor. Nach dieser Norm erhält eine Partei kraft Amtes auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die Kosten aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und den am Gegenstand des Rechtsstreits Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen.

Zwar reicht die vorhandene Masse nicht aus, um aus ihr die Kosten der beabsichtigten Rechtsverteidigung aufzubringen. Jedoch ist es zumindest einem am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich beteiligten Gläubiger zuzumuten, die anfallenden Prozesskosten aufzubringen.

1. Vorschüsse auf die Prozesskosten sind solchen Beteiligten zuzumuten, welche die erforderlichen Mittel unschwer aufbringen können und für die der zu erwartende Nutzen bei vernünftiger, auch das Eigeninteresse sowie das Verfahrenskostenrisiko angemessen berücksichtigender Betrachtungsweise bei dem Erfolg der Rechtsverfolgung deutlich größer sein wird als die von ihnen als Vorschuss aufzubringenden Kosten. Bei dieser wertenden Abwägung sind insbesondere eine zu erwartende Quotenverbesserung im Falle des Obsiegens, das Verfahrens- und Vollstreckungsrisiko und die Gläubigerstruktur zu berücksichtigen (BGH, Beschluss vom 13. September 2012 - IX ZA 1/12, ZInsO 2012, 2198 Rn. 2; vom 4. Dezember 2012 - II ZA 3/12, NZI 2013, 82 Rn. 2; vom 26. September 2013 - IX ZB 247/11, WM 2013, 2025 Rn. 12; vom 21. November 2013 - IX ZA 20/13, ZInsO 2014, 79 Rn. 3; jeweils mwN).

2. Hieran gemessen ist jedenfalls der V. eG (Gläubigerin Nr. 2 der Tabelle Anlage 5 zum Schriftsatz vom 26. Juni 2015), deren Forderung in Höhe von 110.353,73 € festgestellt ist, die Aufbringung der Verfahrenskosten zumutbar.

a) Die beabsichtigte Verteidigung der Klägerin gegen die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten verursacht Kosten von rund 3.905 €. Etwa in dieser Höhe fallen Gebühren für die Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten an (eine 2,3-fache Gebühr nach Nr. 3508 VV RVG aus einem Streitwert von 90.000 € zuzüglich Auslagenpauschale und Umsatzsteuer). Die Gerichtskosten sind auf Seiten des Beschwerdegegners nicht zu berücksichtigen.

b) Falls die Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich abgewehrt werden kann und die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 90.000 € nebst Zinsen rechtskräftig wird, erhöht sich die zur Verteilung zur Verfügung stehende Masse von bisher 8.055 € um den von der Beklagten auf das Berufungsurteil bereits gezahlten Betrag von 108.660,88 € auf rund 116.716 €. Berücksichtigt man das nach dem Erfolg der Klage in zwei Instanzen noch bestehende Prozessrisiko mit einem Abschlag von 25 v.H. (ein Vollstreckungsrisiko besteht angesichts der bereits erfolgten Zahlung nicht), kann mit einer Teilungsmasse von etwa 89.551 € gerechnet werden. Nach Abzug der dann höheren Masseverbindlichkeiten (Insolvenzverwaltervergütung bei einer Berechnungsgrundlage von 91.960 €, einem Zuschlag zur Regelvergütung von 20 v.H. und der nach § 8 Abs. 3 Satz 2 InsVV höchstmöglichen Auslagenpauschale rund 34.316 €; offene Gerichts- einschließlich Sachverständigenkosten rund 3.577 €) verbleibt zur Verteilung an die Insolvenzgläubiger ein Betrag von etwa 51.658 €. Bei festgestellten Insolvenzforderungen in Höhe von insgesamt 177.637 € ergibt sich eine Befriedigungsquote von 29 v.H. Die V. eG, die ohne einen Massezufluss aufgrund des vorliegenden Rechtsstreits leer ausgehen würde, erhält dann auf ihre festgestellte Forderung rund 32.091 €. Falls bei der Verteilung auch die bei einer Rückgewähr des jetzt eingeklagten Betrags wieder auflebende Forderung von 90.000 € (vermindert um den Abschlag von 25 v.H.) und eine weitere, bisher von der Insolvenzverwalterin vorläufig bestrittenen Forderung der Beklagten in Höhe von 102.651 € zu berücksichtigen sein sollten, ergibt sich immerhin noch eine Befriedigungsquote von rund 15 v.H. und ein Erlös der V. eG von etwa 16.400 €. Unter diesen Umständen ist es einer Bank zuzumuten, die Kosten von rund 4.000 € vorzuschießen, die für die anwaltliche Vertretung der Klägerin im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde entstehen. Selbst wenn man zu den Kosten die bei einer Zulassung der Revision anfallende Terminsgebühr (Nr. 3210 VV RVG ) in Höhe von rund 2.555 € hinzurechnet, bleibt der Kostenvorschuss für die Gläubigerin zumutbar. Ob sie tatsächlich bereit ist, die Kosten zu verauslagen, ist für die Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag unbeachtlich (vgl. BGH, Beschluss vom 21. November 2013 - IX ZA 20/13, ZInsO 2014, 79 Rn. 4 mwN).

Vorinstanz: LG Verden, vom 15.08.2014 - Vorinstanzaktenzeichen 7 O 346/13
Vorinstanz: OLG Celle, vom 22.12.2014 - Vorinstanzaktenzeichen 16 U 115/14