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BGH - Entscheidung vom 22.07.2015

IV ZR 60/14

Normen:
BGB § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt.
VVG § 5a

BGH, Urteil vom 22.07.2015 - Aktenzeichen IV ZR 60/14

DRsp Nr. 2015/13973

Rückzahlung von Versicherungsbeiträgen einer Rentenversicherung mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung bzgl. Widerspruchsrechts

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 16. Januar 2014 wird auf Kosten der Klägerseite zurückgewiesen.

Der Streitwert wird auf 5.192,54 € festgesetzt.

Von Rechts wegen

Normenkette:

BGB § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt.; VVG § 5a;

Tatbestand

Die Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. VN) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer Rentenversicherung mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung.

Diese wurde aufgrund eines Antrags d. VN mit Versicherungsbeginn zum 1. März 1999 nach dem so genannten Policenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden § 5a VVG a.F.) abgeschlossen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erhiel t d. VN mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen, eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes ( VAG ) und ein Policenbegleitschreiben, das eine ordnungsgemäße Belehrung über das Widerspruchsrecht in drucktechnisch deutlicher Form gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. enthielt.

D. VN zahlte von März 1999 bis einschließlich Dezember 2009 Prämien in Höhe von insgesamt 8.525,44 €. Mit Schreiben vom 10. Dezember 2009 erklärte d. VN den Widerspruch nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. und hilfsweise die Kündigung des Vertrages. Der Versicherer akzeptierte die Kündigung und zahlte den Rückkaufswert aus.

Mit der Klage verlangt d. VN - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rückkaufswerts, insgesamt 5.192,54 €.

Nach Auffassung d. VN ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen, weil das Policenmodell mit den Lebensversicherungsrichtlinien der Europäischen Union nicht vereinbar sei.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt d. VN das Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg.

I. Das Berufungsgericht hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. D. VN habe die Prämien mit Rechtsgrund geleistet. Der Versicherungsvertrag sei wirksam zustande gekommen. D. VN sei ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht belehrt worden und habe nicht innerhalb der damit in Gang gesetzten Widerspruchsfrist den Widerspruch erklärt. Die Regelung des Policenmodells verstoße nicht gegen die Zweite und Dritte Richtlinie Lebensversicherung.

II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

D. VN kann nicht gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB Rückzahlung der Prämien verlangen.

1. Die Voraussetzungen für ein Zustandekommen des Versicherungsvertrages sind hier erfüllt. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt d. VN mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen, eine Verbrau cherinformation und eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung. Bis zum Ablauf der damit in Gang gesetzten 14-tägigen Widerspruchsfrist erklärte d. VN den Widerspruch nicht.

2. Ob solchermaßen nach dem Policenmodell geschlossene Versicherungsverträge wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 5a VVG a.F. Wirksamkeitszweifeln unterliegen (vgl. dazu Senatsurteil vom 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 16 ff.; BVerfG, Beschluss vom 2. Februar 2015 - 2 BvR 2437/14, VersR 2015, 514 Rn. 30 ff.), kann im Streitfall dahinstehen. Die von der Revision begehrte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union scheidet bereits deshalb aus, weil es auf die Frage, ob das Policenmodell mit den genannten Richtlinien unvereinbar ist, hier nicht entscheidungse rheblich ankommt. D. VN ist es auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten. Die Treuwidrigkeit liegt darin, dass d. VN nach ordnungsgemäßer Belehrung über die Möglichkeit, den Vertrag ohne Nachteile nicht zustande kommen zu lassen, diesen jahrelang unter regelmäßiger Prämienzahlung durchführte und erst dann von dem Versicherer, der auf den Bestand des Vertrages vertrauen durfte, unter Berufung auf die behauptete Unwirksamkeit des Vertrages Rückzahlung aller Prämien verlangte (vgl. im Einzelnen zu den Maßst äben Senatsurteil vom 16. Juli 2014 aaO Rn. 32-42; BVerfG, Beschluss vom 2. Februar 2015 aaO Rn. 42 ff.). D. VN verhielt sich objektiv widersprüchlich. Die zumindest vertraglich eingeräumte und bekannt gemachte Widerspruchsfrist ließ er bei Vertragsschluss im Februar 1999 ungenutzt verstreichen. D. VN zahlte von März 1999 bis einschließlich Dezember 2009, somit zehn Jahre und zehn Monate die Versicherungspr ämien, bevor er im Dezember 2009 den Widerspruch erklärte. Die jahrelangen Prämienzahlungen des bereits im Februar 1999 über die Möglichkeit, den Vertrag nicht zustande kommen zu lassen, belehrten VN haben bei der Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrages begründet. Diese vertrauensbegründende Wirkung war für d. VN auch erkennbar.

Verkündet am: 22. Juli 2015

Vorinstanz: LG Stuttgart, vom 04.09.2013 - Vorinstanzaktenzeichen 18 O 260/13
Vorinstanz: OLG Stuttgart, vom 16.01.2014 - Vorinstanzaktenzeichen 7 U 204/13