Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BGH - Entscheidung vom 16.07.2015

IV ZR 307/14

Normen:
VVG § 5a Abs. 2 S. 1 und S. 4
ZPO § 543 Abs. 2
ZPO § 552a S. 1

BGH, Beschluss vom 16.07.2015 - Aktenzeichen IV ZR 307/14

DRsp Nr. 2015/17909

Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer Lebensversicherung; Stützung einer Revision auf die Europarechtswidrigkeit eines Policenmodells; Ordnungsgemäße Belehrung über das Widerspruchsrecht; Zustandekommen eines Versicherungsvertrages

1. Im Hinblick auf die Ordnungsmäßigkeit einer Widerspruchsbelehrung ist der Begriff der "Textform" nach § 5a VVG a.F. nicht erläuterungsbedürftig. 2. Haben jahrelange Prämienzahlungen eines bereits bei Vertragsschluss über die Möglichkeit, den Lebensversicherungsvertrag nicht zustande kommen zu lassen, belehrten Versicherungsnehmers bei dem Versicherer ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrages begründet und war diese vertrauensbegründende Wirkung für den Versicherungsnehmer auch erkennbar, ist es ihm nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten. Auf eine etwaige Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells kommt es dann nicht an.

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Revision des Klägers gegen das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 11. Juli 2014 gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen

eines Monats

Stellung zu nehmen.

Normenkette:

VVG § 5a Abs. 2 S. 1 und S. 4; ZPO § 543 Abs. 2 ; ZPO § 552a S. 1;

Gründe

I. Die Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. VN) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer fondsgebundenen Lebensversicherung. Diese wurde aufgrund eines Antrags d. VN mit Versicherungsbeginn zum 1. Dezember 2004 nach dem so genannten Policenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden § 5a VVG a.F.) abgeschlossen. In der Folge zahlte d. VN die Versicherungsprämien. Mit Schreiben vom Februar 2013 erklärte er den Widerspruch nach § 5a VVG a.F. und mit Schreiben vom April 2013 hilfsweise die Kündigung des Versicherungsvertrages. Der Versicherer erkannte die Kündigung mit Wirkung zum 1. März 2013 an und zahlte den Rückkaufswert aus. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt d. VN mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen, eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes ( VAG ) und eine schriftliche Belehrung über das Widerspruchsrecht gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F.

Mit der Klage verlangt d. VN Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rückkaufswerts.

Nach Auffassung d. VN ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des - gegen Gemeinschaftsrecht verstoßenden - § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. habe der Widerspruch noch erklärt werden können.

II. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Das Berufungsgericht hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. D. VN habe die Prämien mit Rechtsgrund geleistet. Er sei ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht nach § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. belehrt worden und der Versicherungsvertrag sei wirksam zustande gekommen. Die Regelung des Policenmodells verstoße nicht gegen die Zweite und Dritte Richtlinie Lebensversicherung.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt d. VN das Klagebegehren weiter.

III. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision i.S. von § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor, und das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO ).

1. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, da es meinte, es sei eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung, ob das Policenmodell als solches europarechtskonform ist. Diese Frage stellt sich hier jedoch nicht.

a) Nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt d. VN mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen, eine Verbraucherinformation und eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung. Die Revision rügt ohne Erfolg, der Begriff der "Textform" in der Widerspruchsbelehrung sei erläuterungsbedürftig. Mit Urteil vom 10. Juni 2015 hat der Senat entschieden, dass der Begriff der "Textform" in einer Widerspruchsbelehrung nach § 5a VVG a.F. nicht erläuterungsbedürftig ist ( IV ZR 105/13). Wegen der Einzelheiten wird auf dieses Urteil verwiesen. Damit ist diese entscheidungserhebliche Frage geklärt.

b) Ob solchermaßen nach dem Policenmodell geschlossene Versicherungsverträge wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 5a VVG a.F. Wirksamkeitszweifeln unterliegen (vgl. dazu Senatsurteil vom 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 16 ff.; BVerfG, Beschluss vom 2. Februar 2015 - 2 BvR 2437/14, WM 2015, 514 Rn. 30 ff.), kann im Streitfall dahinstehen. Die von der Revision begehrte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union scheidet bereits deshalb aus, weil es auf die Frage, ob das Policenmodell mit den genannten Richtlinien unvereinbar ist, hier nicht entscheidungserheblich ankommt. D. VN ist es auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten (vgl. im Einzelnen zu den Maßstäben Senatsurteil vom 16. Juli 2014 aaO Rn. 32-42; BVerfG, Beschluss vom 2. Februar 2015 aaO Rn. 42 ff.). D. VN verhielt sich objektiv widersprüchlich. Die zumindest vertraglich eingeräumte und bekannt gemachte Widerspruchsfrist ließ er bei Vertragsschluss 2004 ungenutzt verstreichen. D. VN zahlte über Jahre die Versicherungsprämien bis er im Jahr 2013 den Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F. erklärte. Die jahrelangen Prämienzahlungen des bereits bei Vertragsschluss 2004 über die Möglichkeit, den Vertrag nicht zustande kommen zu lassen, belehrten VN haben bei der Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrages begründet. Diese vertrauensbegründende Wirkung war für d. VN auch erkennbar.

2. Aus den dargelegten Gründen hält das Berufungsurteil jedenfalls im Ergebnis rechtlicher Prüfung stand.

Vorinstanz: LG Köln, vom 16.04.2014 - Vorinstanzaktenzeichen 26 O 267/13
Vorinstanz: OLG Köln, vom 11.07.2014 - Vorinstanzaktenzeichen 20 U 79/14